# taz.de -- Werkschau der Band Huah!: Sie entflohen der Provinz
> Huah!, eine Hamburger Band, die es von 1988 bis 1992 gab, bekommt mit
> „Ich möchte auf deinem Plattenteller liegen“ eine Retrospektive. Ist die
> Musik gut gealtert?
(IMG) Bild: Schlaue RockerInnen aus dem hohen Norden: Huah! Ende der 1980er auf einer Bühne
Huah! beherbergten Vielheiten. Um mal den US-Schriftsteller Walt Whitman zu
zitieren. Auf ihren beiden Alben „Was machen Huah! jetzt?“ und „Scheiß
Kapitalismus“ kann man die Umsetzung von zahllosen Ideen hören und alle
sind gut.
Die Band um Knarf Rellöm und [1][Bernadette La Hengst] veröffentlichte die
beiden Alben 1990 und 1992, danach war Schluss. Zitatpop, aber nicht, um
das eigene Wissen herauszustellen. Sondern eben, um Vielheiten und einen
eigenen Bandkosmos zu fabrizieren, in dem man es aushalten und den man auf
der Flucht aus der Provinz nach Hamburg mitnehmen konnte.
Beim rührigen Hamburger Label Tapete ist nun für alle Zuspätgeborenen eine
Compilation veröffentlicht worden: Auf „Ich möchte auf deinem Plattenteller
liegen, 1988–1992“ sind 13 Huah!-Songs versammelt. Nicht „die besten“, denn
„das Beste“ wär eine Kategorie, die ihrer Musik zuwiderläuft. Weil
Wettbewerb und Distinktion, das brauchten Huah! nicht. „Es gibt nicht einen
einzigen Moment, wo sich [2][eitle Alpha-Männer-Egos in die Sprechposition
drängen]“, schreibt der Medienwissenschaftler Björn Sonnenberg in den
Linernotes. Das „Freudvoll-Smarte“ trete „an die Stelle des Selbst-Ernstes
vieler Zeitgenossen“.
In „Was soll ich mit dieser Welt?“ zum Beispiel, eine Art deutschsprachiges
„First We Take Manhattan“, nur umgekehrt, Verliebtheit statt Weltübernahme.
[3][Erst die Liebe, dann die Revolution], und dazu schepprig-schmissige
Beatmusik. „Man gab mir Kanada / Man gab mir Wien / Ich erklärte mich
bereit / Es zu regieren“. Aber dann, der oder die Liebste ist nicht da und,
eben, „Was soll ich mit der Welt / Wenn ich dich nicht hab?“.
In den Songtexten von Huah! finden das Politische und die schönsten
Popgefühle noch einmal anders zusammen als bei den Bands der Hamburger
Schule, die ebenfalls auf Deutsch sangen. Bei Huah! hatten die Texte
Leichtigkeit und strahlenden Witz. Die musikalische Entsprechung ist ein
Punkverständnis, das Rockistisches und laute Gitarren freundlich beiseite
schiebt und stattdessen Bubblegumsound und Zitate von potenziell überallher
umschließt.
Das Duett „Mein Baby verließ mich“ überzeugt mit einem Chor von La Hengst
und Sängerin Nixe („Sie musste gehen“). Schön auch, wie hier
bewusst-staksig aus dem Englischen übertragen wird: „Sie kann es nicht
lassen zu gehen.“ Die schöne Verkrampfung, die dem deutschsprachigen Pop
eigen war, bevor er wieder dumm und bieder wurde, war Stilmittel. Und immer
war klar, woher all die schönen Dinge kommen, die Huah! zusammengeklaubt
haben. Aus dem angloamerikanischen Raum nämlich. „Ich bin der Dieb, der
sich bedankt“, hat Knarf Rellöm vor Kurzem in einem Podcast seine Haltung
zum Zitieren und Verweisen beschrieben.
„Ohne Titel“ schließlich ist so etwas wie das Manifest der Band. „Wenn ich
mich so umschau, da gibt’s nur Bands mit Jungs / wann gibt es eine
Veränderung?“ Das gehört auch zu Huah! Anti-Rock, keine Männermusik,
sondern alle zusammen und auf einer Ebene. Dazu Musik, die klingt wie eine
Coverband der B-52s aus der Provinz, die fröhlichen Existenzialismus
propagiert: „Wir sind geworfen in diese Welt / Wie ein Bankier ohne Geld /
Und irgendwann, da beißen wir ins Gras / Und ich hoffe, vorher passiert
noch was.“
Das Ergebnis dieser Haltung ist ein offenes System. „Die Praxis der Liebe,
darum geht’s!“ heißt es in dem 2006 postum nachgereichten Huah!-Song „Love
is the Greatest Thing“. Der ist auf der Compilation leider nicht enthalten,
dafür gibt es viele andere, an denen man sehr schön hört, was das Besondere
und so wohl auch nicht Wiederholbare an dieser Band war.
18 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Benjamin Moldenhauer
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