# taz.de -- Werkschau Die Braut Haut ins Auge: Warum sie so laut singen konnten
       
       > Nun kommt die fällige Werkschau der Frauenband Die Braut Haut ins Auge.
       > Zur Hamburger Schule gehörte sie nie so ganz dazu.
       
 (IMG) Bild: Allzeit unterschätzt: Die Braut Haut ins Auge, hier 1992
       
       Die Geschichte der Band Die Braut haut ins Auge ist leider auch eine
       Geschichte der Zerstörung von Tonträgern, um die es furchtbar schade ist.
       Die Lagerhaltungskosten waren teurer als die Vernichtung der Waren, und
       deswegen entschied sich das Majorlabel BMG-Ariola dafür, alle vorhandenen
       CDs und Vinyls der Hamburger Künstlerinnen nach Auflösung ihrer Band im
       Jahr 2000 einzuschmelzen.
       
       Was damals verschwand und bis vor Kurzem auch im Netz nur noch nach
       aufwändiger Recherche zu finden war: ein Œuvre aus drei Studioalben und
       einem Live-Album mit Songs, entstanden in den 1990er Jahren. Quirlige
       Musik, die gelöst Chansonhaftes, twangy Sixties-Pop, Schweineorgel und
       Moog-Synthesizer mit einer untergründig hörbaren Liebe zum Rumpelpunk
       verband.
       
       „Wir standen zwischen allen Stühlen“, erinnert sich Sängerin und
       Gitarristin Bernadette La Hengst im Interview mit der taz. „Unsere
       Songtexte galten als nicht diskursiv genug, [1][aber wir waren auch keine
       linientreue Punkband, weder inspiriert von der Riot-Grrl-Bewegung noch von
       garagigen Sixties-Girlbands.] Wir haben einfach genauso auf den Bühnen
       gerockt wie die Jungs.“
       
       ## Zwischen allen Stühlen
       
       Zwischen den Stühlen heißt im Fall von Die Braut haut ins Auge auch, dass
       kein Indie-Label ihre Musik veröffentlichen wollte. „Unser Debütalbum kam
       erst 1994 bei RCA raus, mehr als vier Jahre nach Bandgründung“, erzählt La
       Hengst. „Damals bedeutete es für viele in der Szene schon kommerziellen
       Ausverkauf, wenn man nicht bei einem Indie veröffentlichte, aber für uns
       gab es keine andere Möglichkeit.“
       
       Umso so besser, dass das Gesamtwerk jetzt an einem passenderen Ort wieder
       auftaucht. Beim unabhängigen Münchner Trikont-Label, das bereits die
       Soloalben von Bernadette La Hengst veröffentlicht hat. Vom titellosen Debüt
       über „Was nehm ich mit?“ zu „Pop ist tot“ und „Plus 1 auf der Gästeliste“
       ist nun alles Material wieder zugänglich. Allerdings vorerst nur digital.
       
       Im Oktober wird – dann auch auf Vinyl – das Best-of-Album „Die Braut haut
       ins Auge – Hits 1990 bis 2000“ hinterhergeschoben. Außerdem sind bislang
       zwei Konzerte mit Bernadette La Hengst und Peta Devlin (Bass, Gitarre,
       Gesang), also in halber Besetzung, geplant.
       
       ## Popfeminismus avant la Lettre
       
       Die Braut haut ins Auge hat so etwas wie einen frühen, dann verschütt
       gegangenen deutschsprachigen Popfeminismus in Liedform in die Welt
       gestellt. Aber eben nicht als dezidiert feministische Unternehmung, sondern
       in Form von Beziehungssongs und Liebesliedern aus nichtmännlicher
       Perspektive.
       
       „Wir haben viel über Beziehungen gesungen, um uns in der Auseinandersetzung
       mit der oder dem anderen selbst neu zu definieren. Dabei war uns auch
       bewusst, dass wir das als feministische junge Frauen tun.“
       
       [2][Die Musik von Die Braut haut ins Auge macht vor allem Hörerinnen,
       letzten Endes aber geschlechterübergreifend allen Menschen Mut.] Und ihre
       Liebeslieder klingen rückblickend, ähnlich wie die der zeitgleich
       agierenden, wesentlich lakonischeren Berliner Kolleg:Innen Lassie
       Singers, zeitlos. Die Songs „Nichts ist für immer“ und „Wenn es dann vorbei
       ist“ erzählen auf eine abgeklärte und trotzdem nicht kühle Weise davon,
       dass und wie Dinge enden.
       
       ## Elegante Streicherarrangements
       
       „Wenn du gehst“, zu finden auf dem schönsten DBHIA-Album „Pop ist tot“, tut
       das mit eleganten Streicherarrangements auf eine schmerzhafte Weise. Ein
       mit beschwingtem Bläsersatz gesegneter Song wie „Mann mit Hang zur
       Depression“ wiederum hilft potenziell allen mit Sorgenfalten durch den Tag:
       Besonders auch Menschen, die einen Mann mit Melancholieproblem lieben, und
       Menschen mit Depression, denen hier wie nebenbei das Gefühl gegeben wurde,
       dass sie trotz Seelenqual liebenswert sind.
       
       Und das Lied macht sich zugleich sanft über selbstmitleidige Inszenierungen
       lustig („Sein Blick starrt in die Ferne / Als ob da etwas wäre / Was ihm
       Trost gibt in dieser finsteren Welt“), ohne dass Seelenpein ins Lächerliche
       gezogen würde. Der Zeitpunkt, um diese Musik wieder zu veröffentlichen, ist
       gerade nicht der schlechteste.
       
       Der stillschweigende Ausschluss von Musikerinnen ist heute auch ohne
       Quotenregelungen nicht mehr so möglich wie in den vergleichsweise stärker
       männlich dominierten Subkulturen der neunziger Jahre. Die Zahl der
       Sängerinnen, Gitarristinnen, Schlagzeugerinnen und so weiter ist
       genreübergreifend rapide gestiegen. Die Braut haut ins Auge waren hier
       nicht zuletzt Vorreiterinnen.
       
       ## Vieldiskutierte TV-Doku
       
       Gewürdigt wurde dieses Erbe zuletzt von der zwar ins Nachtprogramm der ARD
       verbannten, aber in der Mediathek viel gesehenen Doku „Die Hamburger Schule
       – Musikszene zwischen Pop und Politik“. [3][Denn ihre Ausstrahlung war von
       einer hochkomischen und sehr lehrreichen Monumentaldebatte in Social Media
       flankiert].
       
       Der Zweiteiler der Regisseurin Natascha Geier räumte Musikerinnen einen
       größeren Raum ein als bislang in den Darstellungen der Geschichte der
       Hamburger Szene der neunziger Jahre. „Es gibt anscheinend immer wieder
       Wellen von Interesse an dieser Geschichte“, sagt Bernadette La Hengst.
       
       „[4][Dieses bewusste Schreiben von deutschsprachigen Songtexten, mit denen
       man einen Bezug zur näheren Umwelt herstellt in all ihren Brüchen und
       Rissen], inspiriert von Politik, Literatur, Filmen, Geschichte und Kunst,
       das war und ist schon etwas sehr Besonderes, das bis heute Wirkung zeigt.“
       
       Es wäre also sehr schön, wenn die Musik von Die Braut haut ins Auge dem
       drohenden Vergessen wieder entrissen würde.
       
       15 Aug 2024
       
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