# taz.de -- Drohendes Aus für „Moabit hilft“: Menschen helfen schwer gemacht
       
       > Seit mehr als zehn Jahren springt „Moabit hilft“ dort ein, wo die
       > Behörden versagen. Nun droht das Aus, weil das Land Berlin die Räume
       > gekündigt hat.
       
 (IMG) Bild: Im Sommer 2015 versorgte „Moabit hilft“ Geflüchtete mit Essen, Wasser und Kleidung, während die Behörden versagten
       
       Berlin taz | Als im Sommer 2015 Zehntausende Schutzsuchende nach Berlin
       kamen und sich die Behörden als unfähig erwiesen, diese angemessen zu
       versorgen, war der Verein „Moabit hilft“ zur Stelle und wurde bundesweit
       bekannt. Während die Missstände bei der Unterbringung des damals noch
       zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit für
       [1][immer neue Skandale] sorgten, sprangen täglich Hunderte Freiwillige in
       die Bresche, um die hilfsbedürftigen Menschen mit dem Nötigsten zu
       versorgen.
       
       Zehn Jahre später ist die Initiative noch immer in Moabit, seit 2018 in
       einem städtischen Flachbau in der Turmstraße. Bis heute werden in dem
       hellen und freundlichen, aber improvisiert wirkenden Gebäude täglich über
       60 Menschen in Not von rund 85 Ehrenamtlichen versorgt, erzählt Ronja
       Lange, eine von drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Vereins, der taz.
       
       Es gibt eine Kleiderkammer sowie ein Lager für Kleiderspenden, einen großen
       Beratungsraum, zwei Büros und eine Teeküche. Nicht nur Geflüchtete, auch
       Obdachlose und andere sozial Benachteiligte kommen hierher. „Wir versuchen,
       jedem zu helfen“, so Lange. Der Verein, der keinerlei staatliche Förderung
       erhält, leistet Arbeit, „die eigentlich durch staatliche Strukturen
       abgesichert sein müsste“, schreibt die Initiative über sich selbst.
       
       „Wir beraten Menschen in sozialen und asylrechtlichen Fragen, unterstützen
       bei Behördengängen, bieten Sprachmittlung an und geben Sachspenden aus“,
       sagt Lange. Der Verein ist jedoch mehr als nur eine niedrigschwellige und
       unbürokratische Anlaufstelle für Hilfesuchende. Darüber hinaus macht er
       immer wieder auf Missstände aufmerksam, die sich im Zusammenhang mit sozial
       Benachteiligten zeigen – zuletzt etwa bei der [2][diskriminierenden
       Bezahlkarte für Geflüchtete].
       
       ## Noch kein Nachmieter in Sicht
       
       Doch damit könnte bald Schluss sein. Denn die Räumlichkeiten von „Moabit
       hilft“ wurden zum 1. Juni gekündigt. Das Gebäude gehört dem Land Berlin und
       wird durch die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM)
       verwaltet. Die ist für die Vermietung und den Verkauf von landeseigenen
       Immobilien zuständig und untersteht der Senatsverwaltung für Finanzen.
       
       Der Verein hat das marode [3][Gebäude 2018 übernommen] und in Eigenregie
       saniert, erzählt Lange. Davor wurden dort Akten gelagert. Die
       Hilfsorganisation hatte eigentlich auf eine langfristige Perspektive
       gehofft. „Doch die BIM hat uns nie ein Angebot gemacht, das über Juni 2025
       hinausging“, kritisiert die Helferin.
       
       Die Forderung nach einem Vertrag mit längerer Laufzeit lehnt die BIM ab,
       „weil die Flächen nicht auf Jahre für landeseigene Nutzer blockiert werden
       dürfen“, so ein Sprecher auf taz-Anfrage. Bereits seit 2020 gibt es keinen
       Mietvertrag mehr, stattdessen wurde ein laut BIM „stillschweigender
       Vertrag“ Anfang des Jahres zum 1. Juni gekündigt. Obwohl es „derzeit noch
       keinen konkreten Nachnutzer gibt“, könnten demnächst dort wieder Akten
       gelagert werden.
       
       Der Verein zeigt sich fassungslos und will das nicht hinnehmen. „Wir werden
       nicht umziehen“, stellt Diana Henniges, Gründerin von „Moabit hilft“, klar.
       „Wir fordern ein Gespräch auf Augenhöhe mit der BIM.“ Diese müsse „klar und
       transparent“ darstellen, warum sie den Verein nun rauswerfe, obwohl sie
       noch gar keinen Nachmieter habe. „Wir wollen deutlich machen, dass
       zivilgesellschaftliche Organisationen wie unsere nicht immer als lästig
       abgeschüttelt werden sollten.“
       
       ## Wichtige Stimme gegen Missstände
       
       Die mangelnde Wertschätzung ihrer größtenteils ehrenamtlichen Arbeit macht
       den Helferinnen zu schaffen. Sie hätten sich von Anfang an unerwünscht
       gefühlt, sagen Hennige und Lange. „Diese Situation jetzt ist die Krönung
       dafür, dass wir elf Jahre [4][dem Senat die Arbeit abgenommen] und Menschen
       geholfen haben, die sonst, wer weiß, wo, gelandet wären“, kritisiert Lange.
       „Wir sind nicht mehr bereit, uns als Bittsteller vor den Senat
       hinzustellen“, sagt Henniges kämpferisch. „Wir haben es wirklich satt.“
       
       Die beiden Frauen berichten von zahlreichen Fällen von Behördenversagen,
       Verzögerungen, Plan- und Kompetenzlosigkeit. Das System sei total
       überfordert, sagt Henniges. „Das liegt auch daran, dass wir im Sozialsystem
       in den letzten Jahren so [5][harte Kürzungen] erfahren haben.“ Dem setzt
       der Verein jahrelange Netzwerkarbeit entgegen. Mit Menschen und
       Initiativen, die den Willen haben, etwas für die Ärmsten in der Stadt zu
       tun.
       
       Damit haben sie sich in Politik und Verwaltung nicht nur Freunde gemacht.
       „Wir sind bekannt wie ein bunter Hund. Vor allem deswegen, weil wir
       [6][sehr deutlich sagen, wo die Missstände sind]“, sagt Gründerin Henniges
       stolz.
       
       Das steht nun alles auf dem Spiel: „Wenn die Stadt das nicht haben will,
       wenn sie sagt, wir lagern hier lieber Akten – dann sind wir raus. Und wir
       werden auch nirgendwohin anders umziehen, wir haben keine Kapazitäten,
       weder finanziell noch physisch“, stellt Henniges klar.
       
       ## Petition fordert Rücknahme der Kündigung
       
       Besonders zermürbend ist für die Helferinnen das Kompetenzgerangel zwischen
       Land und Bezirken. „Wir sind der Ball, und die spielen mit uns Pingpong“,
       bringt es Lange auf den Punkt. „Und wir hängen dazwischen und denken: Wir
       wollen doch bloß Menschen helfen, die in dieser Stadt sonst keine
       Anlaufstelle haben.“
       
       Lieber wäre es ihnen, wenn die Stadt ihre Aufgaben gegenüber
       hilfsbedürftigen Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen würde. „In unserer
       Satzung steht: Wenn die Menschen uns nicht mehr brauchen, hören wir auf“,
       so Lange. Das sei aber nicht der Fall. „Diese Stadt kann in vielerlei
       Hinsicht überhaupt nicht mehr das leisten, was sie eigentlich müsste.
       Nämlich, sich um die ärmsten Menschen zu kümmern“, so Henniges.
       
       Daher will „Moabit hilft“ weitermachen und sieht nun den Finanzsenator am
       Zug. Der Verein hofft, dass sie mit genug öffentlichem Druck in ihren
       Räumen bleiben können. Eine [7][Petition von Freitag], die die Rücknahme
       der Kündigung fordert, haben bis Sonntagnachmittag mehr als 1.700 Menschen
       unterzeichnet.
       
       „Unser Ort ist ein Ort für alle“, sagt Henniges. „So viele davon gibt es
       nicht mehr. Wenn es uns nicht mehr gibt, wäre das ein herber Verlust für
       diese Stadt.“
       
       30 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ein-Jahr-Lageso-Krise-in-Berlin/!5324221
 (DIR) [2] /Bezahlkarte-fuer-Gefluechtete-in-Berlin/!6048273
 (DIR) [3] /Berliner-Initiative-Moabit-hilft/!5400008
 (DIR) [4] /!5232247/
 (DIR) [5] /Demonstration-gegen-die-Kuerzungspolitik/!6070972
 (DIR) [6] /Fluechtlingsinitiativen-in-Berlin/!5400009
 (DIR) [7] https://www.change.org/p/moabit-hilft-e-v-muss-bleiben-nehmt-die-k%C3%BCndigung-zur%C3%BCck?utm_medium=custom_url&utm_source=share_petition&recruited_by_id=1f9627d0-530e-11e5-8231-3b09394cc1ee
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Darius Ossami
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Flüchtlingspolitik
 (DIR) Flüchtlingshilfe
 (DIR) Sozialpolitik
 (DIR) Ehrenamt
 (DIR) Moabit hilft
 (DIR) Schwarz-rote Koalition in Berlin 
 (DIR) Geflüchtete
 (DIR) Hilfsorganisation
 (DIR) Moabit hilft
 (DIR) Flüchtlingspolitik
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Moabit hilft: Genug abgestrampelt
       
       „Moabit hilft“ beschließt zu Recht Auszug aus der Turmstraße 90. Der Senat
       hätte dem Verein Anerkennung zollen und ihn finanziell unterstützen müssen.
       
 (DIR) Flüchtlingsverein von Politik genervt: „Moabit hilft“ verlässt Moabit
       
       Der Berliner Hilfsverein will nicht länger Mieter einer teuren
       Landesimmobilie sein und seine Arbeit künftig ohne physische Anlaufstelle
       fortführen.
       
 (DIR) Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde: Geschichten vom Gehen und Bleiben
       
       Eine neue Audiotour in der Erinnerungsstätte des ehemaligen
       DDR-Notaufnahmelagers Marienfelde verknüpft historische und aktuelle
       Fluchterfahrungen.
       
 (DIR) Asylrechtsverschärfungen: Mein Deutschland bleibt offen
       
       Die Asyldebatte verschärft sich. Menschenrechte stehen auf dem Spiel. 32
       Prominente sagen: Wir wollen ein offenes Land.
       
 (DIR) Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: „Die Hilfsbereitschaft ist noch da“
       
       Wo sollen Flüchtlinge angesichts der Wohnungsnot unterkommen? Die Politik
       muss private Initiativen mehr unterstützen, sagt Maria Huber von Housing
       Berlin.