# taz.de -- Abschiebungen nach Zentralasien: Organisierte Verantwortungslosigkeit
       
       > In Tadschikistan droht Regimegegnern jahrzehntelange Haft. Die
       > Bundesregierung will trotzdem weiter dorthin abschieben, wie eine
       > Linken-Anfrage zeigt.
       
 (IMG) Bild: Dortmund, 18. Januar: Mahnwache für in Tadschikistan inhaftierte Oppositionelle
       
       Bochum taz | Trotz der direkten Inhaftierung nach der Abschiebung von
       mindestens [1][vier tadschikischen Oppositionellen] hält die
       Bundesregierung an ihrer Praxis fest, direkt in die Knäste der
       Geheimdienste des autoritären tadschikischen Machthabers Emomalij Rahmon
       auszuweisen. Das geht aus einer Antwort des von der Sozialdemokratin Nancy
       Faeser geführten Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der linken
       Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hervor, die der taz exklusiv vorliegt.
       
       „Schwerwiegende Fehlentscheidungen, in deren Folge mehrere tadschikische
       Oppositionelle direkt in die Hände ihrer Verfolger abgeschoben wurden,
       werden von der Bundesregierung mit einem Achselzucken hingenommen“,
       kritisiert Bünger mit Blick auf [2][Warnungen von
       Menschenrechtsorganisationen und Berichte der taz]. Denn mindestens vier
       nach Deutschland geflüchtete politische Gegner von Machthaber Rahmon sind
       seit ihrer Auslieferung an tadschikische Behörden entweder verschwunden –
       oder wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
       
       So fehlt vom erst Anfang November von der deutschen Bundespolizei an
       Sicherheitskräfte in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe übergebenen
       Regimegegner Dilmurod Ergashev bis heute weiter jede Spur. „Wir haben
       leider noch immer überhaupt nichts von ihm gehört, wissen nicht, wo er
       ist“, sagt nicht nur ein in Deutschland lebender Bekannter des Mitglieds
       der in Tadschikistan verbotenen „Gruppe 24“.
       
       Gleiches gilt auch für die Bundesregierung: „Eine Anfrage der Botschaft
       Duschanbe bei der tadschikischen Regierung von November 2024 hinsichtlich
       des Verbleibs von D.E. (Dilmurod Ergashev, d. Red.) und seines
       Gesundheitszustands blieb bislang unbeantwortet“, räumt das
       Bundesinnenministerium (BMI) in seiner Antwort auf die Anfrage der linken
       Bundestagsabgeordneten Bünger ein – dabei war Ergashev mit der Begründung
       abgeschoben worden, sein politischer Protest sei nur vorgeschoben, um in
       Deutschland Asyl zu erhalten. Oppositionellen droht in Tadschikistan in
       Haft sogar Folter.
       
       ## Auf Abschiebungen folgten lange Haftstrafen
       
       Hart bestraft wurden auch die bereits 2023 abgeschobenen Rahmon-Gegner
       Abdullohi Shamsiddin und Bilol Qurbonaliev: In kurzen Schauprozessen wurden
       sie zu Haftstrafen von 7 und 10 Jahren verurteilt. Sogar 23 Jahre im
       Gefängnis verschwinden soll der aus Deutschland über Polen abgeschobene
       Oppositionelle Farrukh Ikromov. Alle drei hatten im September 2023 bei
       einem Besuch Rahmons in Berlin gegen dessen Regierung demonstriert.
       
       Dennoch sind erneute Abschiebungen offenbar bereits in Planung. Wie Faesers
       Ministerium schreibt, hat es im Oktober 2024 eine weitere sogenannte
       Sammelanhörung in Essen gegeben. Dabei versuchen deutsche und tadschikische
       Behörden gemeinsam, Geflüchtete zu identifizieren. Ziel ist die Ausstellung
       von „Passersatzpapieren“, die dann Grundlage für eine Auslieferung nach
       Tadschikistan sind. „Diese Sammelanhörungen haben etwa in den Fällen
       Shamsiddin und Ergashev nachweislich zu Abschiebung in Haft und Folter
       geführt“, kritisiert [3][Sebastian Rose von der Initiative
       Abschiebungsreporting NRW].
       
       Trotzdem arbeiten deutsche und tadschikische Offizielle dabei engstens
       zusammen: „Damit Passersatzpapiere von der tadschikischen Seite ausgestellt
       werden, müssen der tadschikischen Botschaft in Berlin jeweils
       Flugbuchungsdaten für die Abschiebungsflüge vorgelegt werden“, schreibt das
       BMI.
       
       Die Sammelanhörungen seien ein Symbol der von der
       Menschenrechtsorganisation [4][Human Rights Watch heftig kritisierten
       „Transnationalen Repression“] von Oppositionellen auch in Deutschland, sagt
       Rose deshalb. Die Zusammenarbeit deutscher und tadschikischer Behörden
       müsse „überprüft und gestoppt“ werden, findet er – und gefordert sei
       hierbei nicht nur die Bundesregierung, sondern auch Nordrhein-Westfalens
       grüne Integrationsministerin Josefine Paul.
       
       ## Rechtsruck regiert
       
       Doch während auch SPD-Bundestagsabgeordnete wie der Beauftragte der
       Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe,
       eine „Veto-Ebene“ fordert, die Abschiebungen von Dissidenten wie Ergashev,
       Shamsiddin, Qurbonaliev und Ikromov künftig verhindern soll, setzt die
       amtierende Bundesregierung dem aktuellen Mainstream entsprechend auf
       möglichst schnelle Ausweisungen. Schon beim Berlin-Besuch Rahmons im
       September 2023 hätten der tadschikische Machthaber und Bundeskanzler Olaf
       Scholz „ihr Interesse an einer weiteren Auslotung von Möglichkeiten
       beiderseits nutzbringender Zusammenarbeit im Bereich der Migration“
       bekundet, so das Innenministerium von Sozialdemokratin Faeser.
       
       Zwar wisse die Bundesregierung von den Haftstrafen etwa für die
       Oppositionellen Qurbonaliev und Shamsiddin – eine Verantwortung dafür trage
       sie aber nicht, erklärt das Bundesinnenministerium trotzdem: Über
       Abschiebungen entschieden „die zuständigen Ausländerbehörden“ – und die
       unterstünden nicht dem Bund, sondern den Ländern.
       
       „Lachhaft“ sei dies, hält nicht nur Sebastian Rose vom
       Abschiebungsreporting NRW dagegen. Schließlich sei in jedem Asylverfahren
       die Bewertung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die
       Grundlage für die Abschiebungsbeschlüsse der Ausländerbehörden – und
       natürlich sei das BAMF keine Landes-, sondern eine Bundesbehörde.
       
       „Ich erwarte, dass alle beteiligten Behörden ihre Fehler aufarbeiten und
       dafür Sorge tragen, dass keine weiteren Aktivist:innen ihren Verfolgern
       ausgeliefert werden“, fordert auch die Bundestagsabgeordnete Bünger von den
       Linken. Außerdem müsse die Bundesregierung Druck auf Tadschikistan machen,
       damit die „abgeschobenen Oppositionellen freikommen und nach Deutschland
       zurückkehren können“.
       
       27 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gefaengnisstrafe-nach-Abschiebung/!6060297
 (DIR) [2] /Abschiebungen-nach-Tadschikistan/!6044193
 (DIR) [3] https://www.abschiebungsreporting.de/acht-monate-nach-abschiebung-aus-dortmund/
 (DIR) [4] https://www.hrw.org/news/2024/12/18/combatting-transnational-repression-germany
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
 (DIR) Migration
 (DIR) Nancy Faeser
 (DIR) Tadschikistan
 (DIR) Rechtsruck
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Aserbaidschan
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Asylrecht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gefängnisstrafe nach Abschiebung: Schluss mit Auslieferungen in den Knast​
       
       Neun Oppositionelle werden nach Tadschikistan und Aserbaidschan abgeschoben
       und landen gleich im Knast. Ein SPD-Politiker will das künftig verhindern.
       
 (DIR) Abschiebungen nach Tadschikistan: Nicht oppositionell genug
       
       Erneut soll ein Oppositioneller nach Tadschikistan abgeschoben werden. In
       zwei früheren Fällen wanderten die Betroffenen für Jahre in den Knast.
       
 (DIR) Tadschikischer Oppositioneller: Sieben Jahre Haft für Abgeschobenen
       
       Trotz massiver Warnungen haben deutsche Behörden Abdullohi Shamsiddin nach
       Tadschikistan ausgeliefert. Dort wurde er nun direkt verurteilt.