# taz.de -- Klage gegen CDU-Wirtschaftsrat: Lobbyverband bleibt im CDU-Vorstand
       
       > Ein CDUler wollte den „Wirtschaftsrat der CDU“ aus dem Bundesvorstand
       > raus haben. Erfolglos. Der mächtige Lobbyist darf weiter Parteipolitik
       > machen.
       
 (IMG) Bild: Unterstützter der Organisation Lobbycontrol halten Masken mit dem Konterfei von Merz vor dem Landgericht Berlin
       
       Berlin taz | Gut ein Dutzend Protestierende stehen am Freitagmorgen vor dem
       Berliner Landgericht am Tegeler Weg im Regen. Sie haben sich Masken mit dem
       Konterfei von CDU-Chef Friedrich Merz über das Gesicht gezogen und rufen
       „Leistung! Leistung! Leistung!“. Zwei von ihnen halten ein Banner:
       „Korruption ist Leitkultur!“ ist darauf zu lesen. Und:
       „#WirtschaftsratBleibt“.
       
       Am Rand steht Luke Neite und gibt Interviews. Neite ist CDU-Mitglied aus
       Leipzig, ab zehn Uhr wird in Saal 109 über seine Klage gegen die eigene
       Partei verhandelt. „Ich mache mir Sorgen um die Demokratie“, sagt Neite der
       taz. „Wenn ein Lobbyverband im CDU-Vorstand sitzt, ist das Klientelpolitik.
       Das schadet der Demokratie.“
       
       Es geht um den [1][„Wirtschaftsrat der CDU“], einen Verein, der etwa 12.000
       Unternehmer*innen vertritt und sich selbst „Stimme der sozialen
       Marktwirtschaft“ nennt. Anders als der Name suggeriert, ist der
       Wirtschaftsrat keine Parteiorganisation. Präsidentin Astrid Hamker aber
       gehört [2][qua Amt dem CDU-Bundesvorstand als] ständiger Gast an. Sie nimmt
       an dessen Sitzungen teil, hat zwar kein Stimm-, aber Rederecht – und kann
       die Partei so direkt beeinflussen. Zu Merz hat Hamker ohnehin einen guten
       Draht. Bevor dieser Parteichef wurde, war er Vizepräsident des
       Wirtschaftsrats, also Hamkers Stellvertreter.
       
       Aus Sicht der NGO Lobbycontrol ist Hamkers Sitz im Wirtschaftsrat nicht
       zulässig. Die NGO hat schon vor zwei Jahren dazu ein [3][Rechtsgutachten
       erstellen lassen]. Das Ergebnis: Der Dauergaststatus sei rechtswidrig.
       Lobbycontrol machte öffentlich Druck, doch der führte zu nichts. Anders als
       die FDP, die den „Liberalen Mittelstand“ aus ihrem Parteivorstand
       verbannte, bliebt die CDU hart.
       
       ## So wird das seit Jahrzehnten gemacht
       
       Da Lobbycontrol selbst nicht klageberechtigt ist, begann die NGO Neite zu
       unterstützen – auch mit der kleinen Protestaktion vor dem Landgericht.
       Neite klagte erst vor dem Schiedsgericht der Partei. Das wies die Klage aus
       formalen Gründen zwar ab, bezeichnete ihren sachlichen Inhalt aber als
       „vertretbare Rechtsauffassung“. Deshalb zog Neite vor das Berliner
       Landgericht.
       
       In Saal 109 aber macht Richterin Linn Dahms am Freitagmorgen schnell klar,
       dass sie Neites Klage kritisch sieht. Auf den Inhalt der Klage geht sie
       dabei nicht ein. Ihr geht um die Frage, ob Neite als einfaches
       Parteimitglied überhaupt gegen einen Beschluss des CDU-Bundesvorstands
       klagen kann. Dieser hat nach seiner Wahl beschlossen, dass die Präsidentin
       des Wirtschaftsrats als ständiger Gast berufen wird. So wird das in der CDU
       seit Jahrzehnten gehandhabt.
       
       Neites Anwalt Gunter von Mirbach, der selbst ebenfalls CDU-Mitglied ist,
       argumentiert, dass sein Mandant den Anspruch haben dürfe, dass der
       CDU-Bundesvorstand rechtmäßig agiert. Doch das tue dieser eben nicht. Der
       Wirtschaftsrat sei keine Parteiorganisation, sondern ein Lobbyverband,
       Hamkers Sitz im CDU-Bundesvorstand durch nichts legitimiert. Dagegen müsse
       Neite sich doch mit einer Klage zur Wehr setzen können. „Was soll er denn
       sonst tun?“, fragt von Mirbach die Richterin. Doch überzeugen kann er sie
       nicht. Nachdem der Anwalt der CDU gesprochen und sie sich kurz
       zurückgezogen hat, verkündet Richterin Dahms ihr Urteil. Sie lehnt die
       Klage ab. Neite fehle die „Prozessführungsbefugnis“, so heißt das im
       Juristendeutsch.
       
       ## Neite erwägt, in Berufung zu gehen
       
       Nach Ende der Sitzung sind die Anwälte der CDU zufrieden, Neite äußert sich
       enttäuscht. Er müsse nun überlegen, ob er in Berufung gehe. Vielleicht
       bemühe man sich auch darum, einen Delegierten für den nächsten
       CDU-Bundesparteitag zu finden, der das Thema dort anspreche. „Aber so große
       Hoffnung mache ich mir da nicht, nach allem, was wir bislang gehört haben“,
       sagt Neite. „Die Leute trauen sich nicht, sich gegen den Vorstand zu
       wenden.
       
       Lobbycontrol fordert trotz des Urteils noch im Gerichtssaal Konsequenzen
       der CDU. „Es liegt nun weiterhin an Parteichef Friedrich Merz, seinen
       Parteivorstand endlich rechtskonform aufzustellen“, sagt Christina
       Deckwirth, die Sprecherin der NGO. „Eine Partei, die
       Regierungsverantwortung anstrebt, sollte sich dringend an das
       Parteiengesetz halten. Es bleibt undemokratisch, einem mächtigen
       Lobbyverband dauerhaft Mitspracherecht zu bieten.“
       
       Konzerne wie Amazon, Coca-Cola oder Deutsche Bank sponsern den
       Wirtschaftsrat, sagt Deckwirth weiter. „Mit Lobbyausgaben in Höhe von über
       fünf Millionen Euro zählt der Verein zu den größten Lobbyverbänden in
       Deutschland.“ Doch trotz seiner übergroßen Nähe zur CDU müsse der
       Wirtschaftsrat seine Finanzierung nicht offenlegen. Damit sei der
       Wirtschaftsrat ein Einfallstor für intransparente Geldflüsse im Umfeld der
       Partei. „Das ist gerade jetzt im Wahlkampf höchst problematisch.“
       
       6 Dec 2024
       
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