# taz.de -- Bundesregierung im Wahlkampfmodus: Tariftreuegesetz doch noch beschlossen
       
       > Ohne FDP geht’s: SPD und Grüne bringen das Tariftreuegesetz durchs
       > Kabinett. Für eine Mehrheit im Bundestag ist es aber wahrscheinlich zu
       > spät.
       
 (IMG) Bild: Will, dass noch mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
       
       Berlin taz | Ursprünglich war es im Ampelkoalitionsvertrag vereinbart, nun
       ist es wohl nur noch ein Wahlkampfgag: Auf ihrer Kabinettssitzung am
       Mittwoch hat die rot-grüne Minderheitsregierung das Bundestariftreuegesetz
       beschlossen. Damit es auch in Kraft treten kann, müsste es nun noch den
       Bundestag passieren. Doch dazu dürfte es nicht mehr kommen.
       
       Das [1][Tariftreuegesetz] war und ist ein Herzensanliegen der
       Gewerkschaften. Dabei geht es darum, dass künftig Aufträge und Konzessionen
       des Bundes nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach einem
       repräsentativen Tarifvertrag der jeweiligen Branche zahlen. Es soll bei der
       Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ab 30.000 Euro
       Auftragswert sowie für die Vergabe von Bauaufträgen ab 50.000 Euro
       Auftragswert gelten.
       
       Damit soll verhindert werden, dass Firmen, die mittels Lohndumping ihre
       Preise senken können, bevorteilt sind gegenüber Unternehmen, die tarifliche
       Löhne und Gehälter zahlen und auch ansonsten faire Arbeitsbedingungen
       bieten. Dadurch würde auch die Tarifbindung gestärkt. „Ich will, dass noch
       mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren“, erläuterte
       Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Tarifverträge sichern
       anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen.“
       
       Das Tariftreuegesetz hatten SPD, Grüne und FDP im Dezember 2021 in ihrem
       Koalitionsvertrag fest vereinbart. Dann passierte allerdings erst einmal
       lange nichts. Obwohl die Gewerkschaften immer wieder auf die Umsetzung
       „eines der aus gewerkschaftlicher Sicht wichtigsten Projekte der
       Ampelregierung“ (Verdi) insistierten, legte Heil erst Anfang September 2024
       einen ersten Referentenentwurf vor.
       
       Da hatte die FDP jedoch bereits das Interesse an Vertragstreue verloren.
       Ihre Minister:innen [2][hintertrieben eine Einigung im Kabinett]. Kurz
       vor dem Koalitionsknall beerdigte FDP-Chef Christian Lindner das Projekt
       endgültig: „Neue Gesetzesvorhaben sollten entweder ganz entfallen oder, wo
       dies nicht möglich ist, so ausgestaltet sein, dass Bürokratie und
       Regulierung durch das Vorhaben sinken und keinesfalls steigen“, schrieb er
       Anfang November [3][in seinem „Wirtschaftswende“-Papier]. Das gelte
       „insbesondere für die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgelegte
       Fassung des Tariftreuegesetzes, für das
       Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Entgelttransparenzgesetz, das
       Beschäftigtendatengesetz und die arbeitgeberfinanzierte Familienstartzeit.“
       
       „Die FDP hat ziemlich erfolgreich ein schlechtes Spiel gespielt“,
       konstatiert verärgert der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Dass das Gesetz
       jetzt doch noch das Kabinett passiert hat, ist nicht mehr als ein
       rot-grüner Schaufensterbeschluss. Denn er kommt zu spät: Durch das
       Ampel-Aus fehlt es nunmehr an der notwendigen Mehrheit im Bundestag. Daran
       dürfte auch nichts ändern, dass Werneke am Dienstag die demokratischen
       Parteien im Bundestag aufgefordert hat, „fraktionsübergreifend das
       Bundestariftreuegesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden“.
       Die nachhaltige Verbesserung der Tarifbindung dulde „keinen Aufschub“, so
       Werneke.
       
       Auch Susanne Ferschl, gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin
       der Linken-Gruppe im Bundestag, nannte den Kabinettsbeschluss „nur einen
       ersten Schritt, dem eine zügige Befassung des Parlaments sowie Umsetzung
       des Gesetzes folgen muss“. Davon ist jedoch nicht auszugehen, da es dafür
       entweder der Stimmen der FDP oder der Union bedürfte.
       
       Mit dem Tariftreuegesetz auf der Strecke bleiben wohl auch noch zwei
       weitere ursprüngliche Vereinbarungen der Ampel, die den Gewerkschaften
       wichtig waren: Zum einen geht es um die rechtlichen Grundlagen dafür, dass
       die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen, die zwischen dem 1. März und
       31. Mai 2026 stattfinden werden, probeweise auch online durchgeführt werden
       können.
       
       Zum anderen sollte zur Verbesserung des Schutzes von
       Arbeitnehmer:innen bei der Gründung eines Betriebsrats sowie bei der
       Betriebsratstätigkeit Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und deren
       Mitglieder künftig nicht mehr bloß auf Antrag, sondern von Amts wegen als
       Offizialdelikt verfolgt werden. Auch diese beiden Vorhaben dürften in
       dieser Legislaturperiode aufgrund einer fehlenden Bundestagsmehrheit auf
       der Strecke bleiben.
       
       27 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/tariftreuegesetz.html
 (DIR) [2] /Oeffentliche-Auftraege/!6034317
 (DIR) [3] /Regierungskrise-der-Ampel/!6044009
       
       ## AUTOREN
       
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