# taz.de -- Installation „Spacewalks“ in Hamburg: Museum auf einem anderen Planeten
       
       > Traumrealität im Großformat: Simon Hehemanns raumfüllende Installation
       > lädt im Hamburger Kunstraum The Space zur Reise durch ein fremdes
       > Universum.
       
 (IMG) Bild: Alles in Bewegung: Überall rattert, blinkt und rieselt es im pflanzen- und spiegelbesetzten „Glasraum“
       
       So sehen gute Museen aus – aber nicht auf diesem Planeten. Die raumfüllende
       Großinstallation von Simon Hehemann im Hamburger Kunstraum The Space
       versetzt in andere Welten. Allerdings um den Preis, dass manches in den
       vier labyrinthisch verbundenen Räumen sich schwer erschließt und eine
       starke Anschauungskraft erfordert. Das raumfüllende Gebilde aus
       Lochplatten, in denen Hehemann diese Räume gebaut hat, ist für sich schon
       eine plastische Form. Doch erst sein durch verwinkelte Gänge zu begehendes
       Inneres offenbart die Wunder dieses fremdartigen Künstleruniversums.
       
       Drei Wochen dauerte der Aufbau des Gängesystems und seiner ganz
       unterschiedlichen Ausstellungsräume, teils sieben Helfer waren mit dabei,
       bis die Installation in den [1][für Kunst zwischengenutzten Räumen] im
       innerstädtischen Springer-Quartier fertig war. Und da der Hamburger
       Künstler die Arbeit „Spacewalks“ genannt hat, ist das Außerirdische auch
       keine willkürliche Assoziation.
       
       Die omnipräsenten Lochplatten geben ein erstes grundlegendes
       Ordnungsraster. Doch da diese entgegen allem Anschein keine Industrieware
       sind, sondern selbst gebohrt, bleibt die Reihung ein wenig im Ungefähren –
       ein [2][Zustand, der Simon Hehemann sowieso am liebsten ist].
       
       ## Anschauung einer unbekannten Physik
       
       Das Holzmaterial stammt übrigens aus der Hamburger Kunsthalle, ein
       [3][Überbleibsel der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung] ebenso wie einige
       auserlesene Staubknäuel, die hier als filigrane Wolken präsentiert werden.
       Seltsamerweise höchst ähnlich ist diesen mancher Schatten der angestrahlten
       fein verästelten Farne, die sich im pflanzen- und spiegelbesetzten
       „Glasraum“ befinden, einem „Blumenladen voller Tragödien“.
       
       Überhaupt spielt das Licht eine große Rolle, direkt und indirekt, von alten
       Karusselldiaprojektoren auf- und abblendend oder sternengleich durch die
       vielen Löcher blitzend und von kleinen Kügelchen reflektiert. Und was das
       Licht nicht dynamisiert, wird mit Seilzügen in Bewegung gebracht: Ein Stift
       schrapelt unermüdlich an einer Bodenzeichnung und über der Decke, durch
       Leiter und Guckloch zugänglich, fährt sogar als Jugendreminiszenz eine
       Modelleisenbahn.
       
       „Fütter das Für und Wider mit Mohn“ lautet der Titel eines kleinen
       Bildkastens, ein anderer nahezu schwarzer Bildraum verkündet, „Sämtliche
       Schaltpläne“ zu enthalten. Es ist diese Ambivalenz von Traumrealität und
       einer präzisen Wissenschaft des Unbekannten, die durch die Schaukästen und
       Modellaufbauten führt.
       
       Immer wieder scheint es um Anschauungsmodelle einer unentdeckten Physik zu
       gehen. Feinste Drähte, Fäden und Zeichnungen demonstrieren erst noch zu
       denkende Zusammenhänge, in denen das Gegenteil des Vorgestellten genauso
       richtig ist. Und die Planetenmodelle in den weißen Präsentationskästen sind
       aus zu Kugeln geknüllten alten Zeichnungen. Es ist ein Universum aus
       geheimen Vorstellungen, nicht unähnlich dem Planeten Solaris, der beim
       Autor Stanislaw Lem und im Film von Tarkowski hauptsächlich aus einem
       Gedankenozean besteht.
       
       In einem der Räume, „Mohnraum“ genannt, ist im Halbdunkel ein Plateau
       aufgebaut, ein großes Übersichtsmodell einer von seltsamen Objekten
       überflogenen Landschaft mit Bunkerbauten aus Beton und automatischen
       Harken, die so etwas wie einen Zen-Garten in die graue, aus Unmengen von
       Mohnsamen bestehende Erde zeichnen. Zwischen möglicher Meditation und
       unterschwelliger Aggression ist dies statt einer Traumstätte eher ein
       karger Mond-Raum, ein verlassener Ort ferner Zeiten, eher Dystopie als
       verheißungsvolle Science-Fiction.
       
       Diese Kunst kann nicht für irgendwelche Zwecke in Dienst genommen werden,
       sie ist auch nicht eine Aktualisierung lernbarerer und bekannter Techniken
       und Themen der Kunstgeschichte, sie ist ganz konsequent nur bei sich
       selbst. Und genau damit öffnet sie sich allen herangetragenen Ideen und
       Träumen. Sich dieser Erfahrung auszusetzen, ist unbedingt empfehlenswert,
       als Vorgeschmack für Kommendes und das sogar schon auf diesem Planeten.
       
       17 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kreative-Zwischennutzung/!5929972
 (DIR) [2] https://simonhehemann.de/
 (DIR) [3] /Caspar-David-Friedrich-ohne-Klimakrise/!6023114
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hajo Schiff
       
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