# taz.de -- Terror der Revolutionsgarden des Iran: Ein Brandsatz zu viel
       
       > Deutschland setzt sich für eine Aufnahme der Revolutionsgarden des Iran
       > auf die EU-Terrorliste ein. So klar war das nicht immer. Es wäre eine
       > Zeitenwende gegenüber Iran.
       
 (IMG) Bild: Revolutionsgardisten marschieren im September 2023 durch Teheran
       
       Berlin taz | Vermutlich ahnte Babak J. nicht, dass er mit seiner
       stümperhaften Tat die Weltpolitik verändern würde. Dass sein Brandsatz, der
       nur ein paar Rußflecken an einer Ruine hinterließ, letztlich für einen
       Kurswechsel in den Beziehungen der gesamten EU zu Iran sorgen und dies
       unfreiwillig ein weiterer Schritt hin zu einem Ende des Mullah-Regimes sein
       könnte.
       
       Es ist Donnerstag, der 17. November 2022, eine kühle Herbstnacht, als Babak
       J. um 22.49 Uhr sein Auto in der Nähe der Bochumer Synagoge parkt. Im
       Kofferraum hat er eine Flasche mit einem halben Liter Benzin, ein
       Geschirrtuch als Lunte und Haushaltshandschuhe. Der Deutsch-Iraner war
       vorher schon ein paar Stunden lang herumgekurvt, um seine Spuren zu
       verwischen. Nun macht er Ernst.
       
       Eigentlich sollte er den Molotowcocktail auf die Synagoge werfen, doch die
       ist gut gesichert, mit einem hohen Metallzaun, Lichtmasten und
       Überwachungskameras. J. traut sich nicht an das Gebäude heran, aber
       umdrehen will er auch nicht. Seinem Freund Ramin Yektaparast hat er
       versprochen, es durchzuziehen. [1][Statt der Synagoge wählt er also ein
       angrenzendes Gebäude aus, eine alte Schule, die bald abgerissen werden
       soll.] Gegen 23 Uhr wirft er die Flasche mit dem brennenden Geschirrtuch
       über den Bauzaun und verschwindet.
       
       Babak J. wird [2][noch in derselben Nacht festgenommen]. Ein Freund, den er
       zuvor als Komplizen gewinnen wollte, ging zur Polizei. Monate später
       rekonstruieren die Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf den Ablauf der
       Tat.
       
       ## Urteil verweist vage auf „staatlichen Stelle“ hinter dem Terror
       
       Als sie Babak J. am 19. Dezember 2023 [3][zu zwei Jahren und neun Monaten
       Haft] bestrafen, enthält ihr Urteil einen Satz, der politisch für ein
       Nachbeben sorgen wird: „Der Angeklagte verabredete im November 2022 mit
       einem im Interesse staatlicher Stellen der Islamischen Republik Iran
       handelnden Auftraggeber einen Brandanschlag auf die Synagoge.“
       
       Die Richter führen nicht aus, welche „staatliche Stelle“ in Iran genau
       gemeint ist. Aber allen Beteiligten ist klar, dass es sich um die
       islamischen Revolutionsgarden handelt. Genauer: [4][Um die Quds-Einheiten
       der Revolutionsgarden, die für Auslandsoperationen berüchtigt sind].
       
       Die taz hat mit dem [5][Spiegel], dem [6][ZDF] sowie JournalistInnen von
       [7][Teheran Bureau] zu dem Fall und den Revolutionsgarden recherchiert.
       Dass die Revolutionsgarden hinter dem Anschlag stecken, sagen Zeugnisse des
       Bundesamts für Verfassungsschutz, die vertraulich sind.
       
       Aber die Erkenntnisse wurden auch öffentlich aktenkundig: In zwei
       Beschlüssen zu Ermittlungsverfahren zur Gruppe um Ramin Yektaparast, den
       Freund und Auftraggeber von Babak J., erklären Richter des
       Bundesgerichtshofes (BGH), dass dieser mit den Quds-Einheiten
       zusammenarbeitete. Wortgleich heißt es in den [8][BGH-Beschlüssen aus Mai]
       und [9][Juni 2023]: „Innerhalb der Gruppierung („Operativteam“) nahm Y. in
       Zusammenarbeit mit einer staatlichen Stelle im Iran, den Quds-Kräften der
       Revolutionsgarde, eine koordinierende Funktion ein.“
       
       ## Iranisches Regime agiert seit Jahren in Europa
       
       Babak J. war demnach nicht allein und sein Brandsatz nicht die einzige Tat.
       [10][In derselben Nacht gab es Schüsse auf das frühere Rabbinerhaus an der
       Alten Synagoge in Essen]. Auch hierzu soll Ramin Yektaparast aus Iran den
       Auftrag erteilt haben. Der Anwalt von Babak J. wollte sich nicht zu den
       Vorgängen äußern.
       
       Die Taten von Babak J. und der Gruppe um Wortführer Yektaparast – es waren
       [11][nicht die ersten vollendeten oder verhinderten Anschläge der
       iranischen Revolutionsgarden in Deutschland und Europa.]
       
       Erst im [12][Dezember 2023 nahmen die zypriotischen Behörden zwei Iraner
       fest, die Anschläge auf Irsaelis planten] und in Kontakt zu einem
       Mittelsmann der Revolutionsgarden gestanden haben sollen. Wenige Monate
       zuvor fasste d[13][ie griechische Polizei ein pakistanisches Paar, das es
       auf jüdische Einrichtungen in Athen] abgesehen hatte. Rekrutiert hat sie
       anscheinend ein [14][Agent der Revolutionsgarden].
       
       Im [15][Mai 2022 hatte Israel bekannt gegeben, Attentatspläne gegen einen
       US-General in Deutschland, den französischen Journalisten Bernard-Henri
       Lévy und einen israelischen Diplomaten in der Türkei] vereitelt zu haben.
       [16][Der Auftrag stammte hier offenbar ebenfalls von den
       Revolutionsgarden.] Die Liste [17][ließe sich fortsetzen].
       
       ## Revolutionsgarden sollen auf EU-Terrorliste kommen
       
       Schüsse auf ein früheres Rabbinerhaus in Essen und ein geplanter Anschlag
       auf eine Synagoge in Bochum, in Auftrag gegeben durch [18][die
       Revolutionsgarden des Iran]? Damit ist nun offenkundig [19][eine rote Linie
       überschritten]. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu: „Wir dulden keine
       ausländisch gesteuerte Gewalt in Deutschland. Ein Anschlag auf jüdisches
       Leben in Deutschland ist völlig inakzeptabel und muss Konsequenzen haben.“
       
       Eine Konsequenz: Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)
       setzt sich offenbar seit Wochen dafür ein, dass die Revolutionsgarden des
       Iran auf die EU-Terrorliste aufgenommen werden. Dafür bräuchte es ein
       einstimmiges Votum der EU-Außenminister. Noch sind Verhandlungen nötig,
       doch in Brüssel scheinen sich die Befürworter durchzusetzen. Insider
       erwarten, dass vor allem die Amtsübernahme der designierten
       EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas den Unterschied machen wird.
       
       In der [20][Folge des OLG-Urteils hatte die Bundesrepublik nicht nur den
       Geschäftsträger der iranischen Botschaft] einbestellt, sondern laut einem
       Bericht der [21][Süddeutschen Zeitung] auch ein neuerliches Rechtsgutachten
       beim Juristischen Dienst des Europäischen Rates beauftragt. Demnach halten
       die Experten das Urteil gegen Babak J. juristisch für geeignet, um als
       Grundlage für eine Terrorlistung zu dienen.
       
       Es ist bereits das zweite Rechtsgutachten, das das Außenministerium in
       Sachen Terrorlistung der Revolutionsgarden in Auftrag gegeben hat. Um das
       erste gab es politischen Streit: Vor allem der CDU-Abgeordnete Norbert
       Röttgen hatte sich für eine Listung ausgesprochen, immer wieder hatten sich
       dagegen das Auswärtige Amt und Baerbock persönlich auf das erste Gutachten
       berufen und erklärt, eine Listung sei demnach zu jenem Zeitpunkt rechtlich
       ausgeschlossen.
       
       [22][taz-Recherchen hatten später offenbart, dass das aus dem
       Rechtsgutachten so nicht hervorgeht]: Darin wurden die Grundlagen für eine
       Listung erklärt sowie ausschließlich zwei Fälle aus den USA bewertet. Diese
       kamen demnach als Grundlage für eine Listung nicht in Frage. Anderen Fälle
       wurden aber gar nicht bewertet.
       
       ## Kurswende des Westens gegenüber Iran
       
       Längst nicht alle Diplomaten in Deutschland und anderen EU-Staaten
       befürworten die Terrorlistung. Es könne die Verhandlungen um inhaftierte
       Deutsche in Iran erheblich erschweren, heißt es, und diplomatische Kanäle
       vollends kappen. Auch bestehe kein Mehrwert gegenüber [23][bereits
       erlassenen Sanktionen]: Seit März 2012 sind die Revolutionsgarden als
       Organisation und einzelne ihrer Mitglieder wegen Menschenrechtsverletzungen
       und wegen des iranischen Nuklearprogramms [24][in der EU sanktioniert].
       Dass die Effekte einer Terrorlistung nicht über die bestehenden Sanktionen
       hinausgehen, erklärte im Juni auch der [25][Wissenschaftliche Dienst des
       Bundestags].
       
       Lukas Märtin, Rechtswissenschaftler an der Humboldt-Universität Berlin,
       erklärt indes, viele Sanktionen seien durch das bestehende Atomabkommen
       außer Kraft, die Terrorlistung wäre der rechtliche „Rundumschlag“ gegen
       jegliche wirtschaftliche Aktivität der Revolutionsgarden innerhalb der EU.
       „Komplizierte Einzelprüfungen anhand der verschiedenen Rechtsakte
       entfielen“, sagt er. Daneben sehe die Terrorliste vor, dass die
       polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit innerhalb der EU zur Verhütung
       von Terroranschlägen verstärkt werden solle.
       
       Eine Terrorlistung der Revolutionsgarden, eines staatlichen Akteurs, wäre
       vor allem politisch weitreichend. „Seit Jahren hat die iranische
       Machtspitze vor solch einem Schritt große Befürchtungen“, [26][erklärt der
       Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad]. Zwei Drittel der iranischen
       Wirtschaft sind mit den Revolutionsgarden verbunden. Ein mögliches
       Wiederaufkeimen der Wirtschaftsbeziehungen mit Europa würde damit
       versperrt.
       
       Fathollah-Nejad sieht in einer möglichen Terrorlistung eine Kurswende des
       Westens gegenüber der Islamischen Republik. Einerseits wäre es ein Signal
       in Richtung der demokratischen Opposition, die die EU-Politik bislang als
       „Quasi-Appeasement-Politik“ wahrnehme. Andererseits sei es ein Signal an
       den Macht- und Sicherheitsapparat. „Das könnte den Weg zum Ende des Regimes
       einleiten.“
       
       Experten wie [27][Matthew Levitt halten es seit Jahren für wichtig, die
       Revolutionsgarden auf die EU-Terrorlistung] aufzunehmen. Levitt war
       Anti-Terror-Analyst beim FBI und leitet heute das [28][Programm für
       Terrorismusbekämpfung am Washington Institute for Near East Policy]. „Im
       Moment schauen die Iraner auf Europa, auf Deutschland, und denken: ‚Die
       stufen uns nicht einmal ein.‘ Es gibt ihnen das Gefühl, dass es ein
       einladender Ort ist, um zu operieren“, sagt er.
       
       Doch wie passt bei all den möglichen Folgen ein stümperhafter Brandsatz von
       Babak J. ins Bild? Auch Matthew Levitt hat darauf keine abschließende
       Antwort. „Der Iran ist nicht Al-Qaida oder ISIS. Er wird nicht jedes Mal
       zuschlagen, wenn er kann, nur weil er kann. Es gibt immer ein strategisches
       Kalkül“, sagt er. Im Fall der Synagoge in Bochum sei auch der Tatzeitpunkt
       zu beachten: mitten in der Nacht wäre die Zahl der Opfer gering gewesen.
       Womöglich ging es um eine Botschaft ohne größeres Risiko.
       
       Vielleicht sei die Aktion auch ein Test für Babak J., aber wohl noch mehr
       für Ramin Yektaparast gewesen. Um zu sehen, ob dessen Truppe liefern könne.
       Yektaparast war früher Chef der Hells Angels in Mönchengladbach und wurde
       später wegen Mordes gesucht. Um der Verhaftung zu entgehen, floh der
       Deutsch-Iraner nach Teheran. Dort wurde er mit seinen kriminellen Kontakten
       in Deutschland wohl für die Revolutionsgarden interessant.
       
       ## Iran rekrutiert Kriminelle als Handlanger des Terrors
       
       Anti-Terror-Experten beobachten, dass der Iran, ebenso wie China und
       Russland, [29][für Aufträge zunehmend auf Handlanger aus dem kriminellen
       Milieu setzt]. Sie würden bei Reisen in den Iran abgefangen, dort unter
       Druck gesetzt und rekrutiert. So war es auch bei Babak J. Als er in den
       Iran reiste, traf er seinen Freund Yektaparast, der ihn dort mit seinem
       Luxusleben beeindruckte. Bei deren letztem Treffen im Sommer 2022 erklärte
       ihm Yektaparast, dass er von ihm bei seiner Rückkehr nach Deutschland einen
       Gefallen einfordern würde.
       
       Dass auch Yektaparast unter Druck stand und ihm Auftraggeber im Nacken
       saßen, ergibt sich aus Textnachrichten, die im Prozess in Düsseldorf
       ausgewertet wurden. Am Tag der Tat versuchte er mehrfach, Babak J. zu
       erreichen. „Bruder alles ok?“, schrieb er ihm, „Bruder, bitte ruf mich an“.
       Wenige Minuten vor Babak J.s Tat schrieb Yektaparast: „Bruder, falls du es
       nicht willst, sag mir Bescheid, damit ich hier nicht blamiert werde.“
       
       Für die Terrorabwehr bleiben Täter aus dem kriminellen Milieu eine
       Herausforderung. Von Yektaparast indes geht keine Gefahr mehr aus. Er wurde
       im April von Unbekannten in Teheran erschossen.
       
       20 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anschlaege-auf-Synagogen-in-NRW/!5899893
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 (DIR) [13] https://www.timesofisrael.com/two-arrested-in-alleged-iranian-plot-to-attack-israelis-jews-in-athens/
 (DIR) [14] https://www.haaretz.com/israel-news/2023-04-04/ty-article/.premium/revealed-the-iran-based-handler-behind-the-pakistani-agents-who-targeted-a-greek-chabad/00000187-4cf4-dde0-afb7-7ef764040000
 (DIR) [15] https://www.iranintl.com/en/202204301212
 (DIR) [16] https://centerforsecuritypolicy.org/situation-report-irgcs-ties-to-the-international-crime-world-uncovered-in-latest-assassination-plot-foil/
 (DIR) [17] https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/iran_europe_hizballah.pdf
 (DIR) [18] /Anschlaege-auf-Synagogen-in-NRW/!5899893
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 (DIR) [22] /Terrorlistung-von-Irans-Revolutionsgarde/!5977666
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 (DIR) [24] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02012R0267-20231018
 (DIR) [25] https://www.bundestag.de/resource/blob/1014794/5fe0f077f3d40a0b991e2fd1c3710e8b/WD-5-093-24-pdf.pdf
 (DIR) [26] https://www.fathollah-nejad.eu/
 (DIR) [27] https://www.lawfaremedia.org/article/the-eu-can-and-should-designate-the-irgc-as-a-terrorist-group
 (DIR) [28] https://www.washingtoninstitute.org/experts/matthew-levitt
 (DIR) [29] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/iran-anschlagsplaene-gegen-juden-in-europa-gangster-machen-die-drecksarbeit-fuer-die-mullahs-a-02d7bff1-51cb-495d-96c0-1ee0a8137309
       
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