# taz.de -- Nach „Compact“-Verbot: Antifa heißt Angriff
       
       > Das „Compact“-Verbot, teilweise ausgesetzt, war trotzdem richtig. Denn
       > Rechtsextreme müssen mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden
       
 (IMG) Bild: Compact-Gründer Jürgen Elsässer
       
       Die rechtsextreme Zeitschrift Compact darf vorerst wieder erscheinen. Mit
       dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Vertrauen in den
       Rechtsstaat aber nicht, wie oft zu lesen ist, wiederhergestellt: Es ist
       schlicht bestätigt worden. Die Exekutive in der Gestalt von Innenministerin
       Nancy Faeser (SPD) hatte mit dem Verbot kraftvoll und werteorientiert
       antifaschistisch agiert, im Sinne von Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die
       Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
       Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Und die andere Gewalt, die
       Judikative, sagt nun, Moment mal, wir haben da noch ein paar – ziemlich
       formale – Einwände, die geprüft werden müssen.
       
       Wer durch einen so vollkommen banal-alltäglichen Vorgang nun die
       Grundfesten des Rechtsstaates erschüttert sieht, hätte wohl auch hinter den
       Stacheldraht eines Konzentrationslagers darauf beharrt, dass die Regierung
       unter Reichskanzler Hitler ja rechtmäßig an die Macht gekommen sei, und
       also alles seine Ordnung habe – „Jawoll, Herr SA-Mann, ich stehe sofort zum
       Gefoltertwerden bereit!“
       
       Einer masochistischen deutschen Öffentlichkeit, an der 80 Jahre
       antifaschistische Erziehung bemerkenswert spurlos vorübergegangen sind,
       scheint das immer noch das Wichtigste zu sein: Die Hausordnung muss
       eingehalten werden, gerade auch im Kampf gegen rechts.
       
       So wie ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Öffentlichkeit aus dem
       deutschen Überfall auf Polen, mit dem 1939 der Weltenbrand begann, den
       Schluss gezogen hat, dass der Überfall des faschistischen Putinregimes auf
       die Ukraine zuvörderst diplomatische Streicheleinheiten für den Aggressor
       nötig machte. Entsprechend erklärt sich dann auch die
       egozentrisch-pedantische Bedenkenträgerei, mit der die ukrainische
       Entlastungsoffensive [1][hierzulande rezipiert wird.]
       
       Nazis? Nein, danke 
       
       Die strategischen Parallelen zwischen dem Krieg gegen Putin und dem Kampf
       gegen die deutschen Rechtsextremen von AfD und Co. gehen aber weiter:
       Antifa heißt Angriff. Eine rein defensive Strategie hilft nicht weiter, dem
       Feind müssen Niederlagen zugefügt werden, und wir müssen gewinnen.
       
       Die Unterstellung, durch Faesers Verbot sei das wacklige Vertrauen der
       Naziwählerschaft in das demokratische System noch weiter erschüttert
       worden, geht an der Realität vorbei. Das AfD-Volk weiß genau, was es will:
       die [2][„rassistische Revolution“] und die völkische Diktatur. Es geht
       kurz- und mittelfristig schlicht nicht darum, diese Menschen
       zurückzugewinnen, sondern die Gestalten, die sich als ihre politischen
       Vertreter wünschen, von bestimmten Machtpositionen fernzuhalten, sie in die
       Depression zu treiben und sie in die Löcher zurückzudrängen, aus denen sie
       hervorgekrochen sind.
       
       Faschistische Hetzblätter hat es in Westdeutschland immer gegeben.
       Selbstverständlich wäre es besser als ein staatliches Verbot, wenn sich um
       jede Verkaufsstelle von Compact spontan eine den Vertrieb blockierende
       Menschenkette bildete. Das antifaschistische Engagement sehr vieler
       großartiger Menschen in West- und – noch bewundernswürdiger, weil
       gefährlicher – in Ostdeutschland hat aber natürliche Grenzen.
       
       Der Staat muss zumindest immer wieder versuchen, seiner verfassungsmäßigen
       und historischen Verantwortung gerecht zu werden. Und er muss das mit
       seiner Gewalt tun, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Er muss
       die Grenzen dabei immer wieder austesten und wenn er sie einmal
       überschreitet und von der Judikative zurückgepfiffen wird – dann ist das
       das geringste Problem.
       
       Einer, der das genau wusste, der mutig und durchaus wuchtig für die
       Demokratie einstand, könnte übrigens nächste Woche seinen 71. Geburtstag
       feiern. Aber [3][Walter Lübcke] wurde am 1. Juni 2019 von einem Neonazi
       ermordet. Hinter dem Täter stand eine mediale Echokammer, die Walter
       Lübcke so lange zum Todfeind erklärte, bis einer zur Waffe griff.
       
       Hat die deutsche, nichtnazistische Öffentlichkeit aus diesem Terrorakt die
       richtigen, sehr ernsten Lehren gezogen? Die Reaktionen auf den Fall Compact
       sagen klar: Nein.
       
       16 Aug 2024
       
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 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-militaerexperte-warnt-vor-ukrainischem-vorstoss-auf-russisches-gebiet-a-796f8e55-b102-4829-966e-99f3f8165c7e
 (DIR) [2] /AfD-in-Thueringen/!5941539
 (DIR) [3] /Todestag-von-Walter-Luebcke/!6014315
       
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