# taz.de -- Verbot des „Compact“-Magazins: Antifaschismus als Spektakel
       
       > Das Verbot des rechtsradikalen Kampfblatts „Compact“ ist in der Sache
       > richtig. Doch die Inszenierung durch Innenministerin Faeser wirft Fragen
       > auf.
       
 (IMG) Bild: Verbieten macht bei Nazis Sinn – denn das mögen sie gar nicht. Über die Inszenierung lässt sich diskutieren
       
       Als Jürgen Elsässer im Bademantel am Dienstagmorgen seine Haustür in
       Falkensee aufmacht, wird er nicht nur von vermummten Einsatzkräften der
       Polizei begrüßt – sondern auch von Pressevertreter*innen. Ein freier
       Fotograf hält den Moment fest. Die Welt, dpa und RBB sind schnell vor Ort.
       Um 06:29 erscheint ein Beitrag [1][zum Verbot des rechtsextremen
       Compact-Magazins,] dessen Chefredakteur Elsässer ist, bei Spiegel Online.
       Es folgen kurz danach eigene Beiträge mit Hintergründen auf tagesschau.de,
       in der FAZ – und auch auf der Webseite der taz.
       
       Für Nancy Faesers (SPD) Bundesinnenministerium ist das ein großer
       PR-Erfolg: Die Bilder der Razzia gehen in den deutschen sozialen Medien
       prompt viral. Das Compact-Verbot war am Dienstag das Thema des Tages:
       [2][Seit Jahren] verbreitet das Magazin antisemitische
       Verschwörungsmythen, Russlandpropaganda und Hetze gegen Minderheiten. Es
       war das Sprachrohr des rechten Rands schlechthin.
       
       Einige Medienhäuser hatten etwas dazu vorbereitet, denn der Schritt kam
       nicht als Überraschung: Sie wurden vorab informiert. Und auch manch freier
       Fotograf. Ein offenes Geheimnis also. Wusste nur Elsässer nicht, dass sein
       rechtsextremes Kampfblatt hoch- und auseinandergenommen werden wird? Schwer
       zu glauben.
       
       Nicht zum ersten Mal sucht Faeser eine mediale Bühne für Razzien oder
       Verbote. Auch als am frühen Morgen des 7. Dezembers 2022 der
       [3][Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß] von Spezialkräften der Polizei
       abgeführt wurde, weil er einen Staatsstreich vor Weihnachten geplant haben
       soll, warteten Fotograf*innen und Fernsehteams vor seiner Tür. Die
       Razzia gegen die „Patriotische Union“, wie sich die Gruppierung nennt, war
       eine der größten aller Zeiten in Deutschland. Und als Faeser das
       [4][Neonazi-Netzwerk „Hammerskins“] im September 2023 verbot, wussten nicht
       wenige Journalist*innen vorher Bescheid und lieferten gleich Bilder,
       Videos und Texte der Aktion mit.
       
       ## Nicht jede Durchsuchung verläuft friedlich
       
       Doch so wird Innenpolitik zur bloßen Inszenierung. Und die Praxis wirft
       einige Fragen auf. Erstens sind offene Geheimnisse keine. Und nicht jede
       Redaktion hat ein dezidiert kritisches Verhältnis zu Compact. Am Tag des
       Hammerskin-Verbots zum Beispiel schrieb ein Neonazi in seinem
       Telegramkanal: „Diese Woche könnt Faeser sich vielleicht noch mal feiern
       lassen. Warten wir ab“ – mit Zwinkersmiley (Fehler im Original). Eine Woche
       später wurde dann tatsächlich die neonazistische „Artgemeinschaft“
       verboten. Eine große Überraschung war das also zumindest für manche in der
       Szene nicht. Das ist gefährlich: Denn nicht jede Durchsuchung in der
       rechtsextremen Szene verläuft friedlich.
       
       Und zweitens: Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht keine
       Symbolpolitik, sondern – neben einer starken Zivilgesellschaft –
       konsequente Ermittlungen und rechtsstaatliche Härte. Doch genau das
       passiert viel zu selten: Die Hammerskins gab es in Deutschland seit den
       Neunzigern, Compact seit 2010. Seit Jahren warnen antifaschistische und
       zivilgesellschaftliche Organisationen vor beiden.
       
       Stattdessen kursieren nun Bilder von Elsässer im Bademantel: Der
       Möchtegern-Oppositionelle, verfolgt in seiner Privatsphäre. Und diese
       Bilder stärken den rechtsaußen kultivierten Opfermythos: Dass nämlich
       gleichgeschaltete Systemmedien, die Lügenpresse eben, Hand in Hand
       arbeiteten mit dem linksgrünversifften Staat, gegen die armen Nazis.
       Rechtsextreme vom Identitären Martin Sellner bis zum Neonazi Tommy Frenck
       solidarisieren sich mit dem Compact-Chef auf Telegram. Aus Elsässer wird so
       ein Märtyrer der rechtsextremen Szene. Trotz der Wichtigkeit des Verbots:
       Das kommt ihm gelegen.
       
       16 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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