# taz.de -- „Alien: Romulus“: Nostalgischer Horror
       
       > „Alien: Romulus“ von Fede Álvarez möchte die Reihe wieder zu alter Stärke
       > bringen. Doch gegen Ende hin verzehrt der Film sich vor allem selbst.
       
 (IMG) Bild: Aliens bleiben zudringlich, wie auch Rain (Cailee Spaeny) erfahren muss
       
       Das obere Ende der Nahrungskette ist nicht der Hai. Es ist auch nicht der
       Bär oder die Harpyie, nicht der Gorilla oder gar der Mensch. Der perfekte
       Organismus, der allen anderen überlegen ist und sie erlegen kann, kommt
       nicht von der Erde. Er stammt aus den schwarzen Tiefen des Alls und ist so
       dunkel und unergründlich wie der Kosmos, aus dem er langsam seine
       schwarzen, knöchrigen Hände hervorstreckt. In seinem länglichen Schädel
       versteckt sich eine Reihe an Zähnen und ein zweites Maul, das nur darauf
       wartet, ein anderes Wesen zu zerreißen. Sein länglicher Schwanz, ähnlich
       einer überdimensionalen, menschlichen Wirbelsäule, ist bereit, einen jeden
       Organismus zu durchbohren und ausbluten zu lassen.
       
       Trotz seiner Größe bewegt sich die skelettartige Gestalt geräuschlos und
       passt sich ihrer Umgebung an. Der Xenomorph, ein unheimliches Wesen aus
       einer fremden Welt, ist eine Figur, die alle menschlichen Ängste vereint –
       und ist glücklicherweise fiktiv. 1979 von dem [1][Schweizer Künstler Hans
       Rudolf Giger] zum Leben erweckt, sucht die Gestalt seitdem die Popkultur
       heim und ist der heimliche Star der „Alien“-Filmreihe. Mit „Alien: Romulus“
       erscheint der nunmehr siebte Teil der alteingesessenen Reihe und soll das
       Publikum wieder das Fürchten lehren. Denn zuvor verlor das Alien einiges
       von seinem Horror und Mysterium.
       
       Der vorerst letzte Teil, [2][„Alien: Covenant“], fiel 2017 bei den
       Kritiker:innen nicht vollends durch, bei den Fans dafür umso mehr. Der
       uruguayische Regisseur Fede Álvarez machte für „Alien: Romulus“ bereits im
       Vorfeld deutlich, dass er wieder zu den furchteinflößenden Wurzeln will,
       mit denen die Reihe anfing. Das möchte er erreichen, indem er die junge
       Rain (Cailee Spaeny) mit dem Androiden und Begleiter seit Kindheitstagen
       Andy (David Jonsson) auf eine verlassene Raumstation schickt. Zusammen mit
       einer befreundeten Gruppe wollen sie die Station plündern, bevor sie in
       wenigen Stunden in den Ring eines Planeten kracht.
       
       Doch natürlich steht die Dramaturgie des Drehbuchs diesem Plan entgegen.
       Die Gruppe entdeckt durch den Computer der Station, dass das Unternehmen
       „Weyland-Yutani“ gefährliche Experimente mit anderen Lebensformen
       unternahm. Und sie bemerken langsam, dass sie nicht alleine sind. Denn im
       Dunkeln der Station lauert eine Kreatur auf sie, der sie nicht entkommen
       können.
       
       ## Stets mehr als nur Horror und Action
       
       Bei der „Alien“-Reihe geht es nie „nur“ um das namensgebende Alien. Die
       Filme sind stets mehr als ein Horror- oder Action-Produkt und so auch der
       neueste Teil. Wenn der Bordcomputer der Station sagt, dass das Leben der
       Gruppe nichts zählt im Vergleich zu den Zielen des Unternehmens, ist die
       Botschaft klar: Korporatokratie im Weltraum. Auch im Jahr 2142, in dem die
       Handlung spielt, behält das Kapital die Oberhand.
       
       Der Computer setzt alles daran, das menschliche Kapital bei der Flucht zu
       sabotieren, lässt sie im Namen des Unternehmens sterben und versucht den
       Androiden Andy auf seine Seite zu bringen, um die Experimente zu beenden.
       Und doch ist die Macht des Kapitals nicht die größte Bedrohung. Das ist
       noch immer die perfekte Tötungsmaschine, die die Gruppe durch alle Ebenen
       der Station jagt.
       
       Rain und Andy kämpfen nicht nur mit dem großen Xenomorphen, sondern auch
       mit den kleinen, spinnenartigen Facehuggern, die sich am Gesicht der
       Menschen festsaugen, ihre Eier in ihnen platzieren, bevor das Alien aus dem
       Brustkorb herausbricht. Doch wenn das Alien sein zweites Maul offenbart, um
       jemanden damit zu töten oder wenn es als kleine, aber tödliche Larve aus
       einem Menschen hervorbricht, kennt man diese blutigen Bilder bereits. Seit
       dem ersten Teil wiederholen sie sich, bleiben gleich und reproduzieren sich
       selbst. Den klaustrophobischen und panischen Horror aus dem originalen Film
       lassen sie dabei vermissen. Die Bilder sind nostalgisch verklärt, aber kaum
       effektiv.
       
       Dafür bleibt Regisseur Álvarez an anderer Stelle originell und überzeugt
       mit mehreren Actionszenen, die die Reihe so noch nicht gesehen hat. Die
       Charaktere müssen sich oft mit spontan auftretender Schwerelosigkeit
       zurechtfinden, was nicht nur für spannende Momente sorgt, sondern auch an
       die Strukturen von Videospielleveln erinnert. Nicht umsonst hat sich
       Álvarez von dem hervorragenden Horrorspiel „Alien: Isolation“ inspirieren
       lassen.
       
       Das Budget des Films lag bei überschaubaren 40 Millionen US-Dollar. Im
       Vergleich zu den 97 Millionen US-Dollar von „Covenant“ ist das wenig und
       hängt auch mit dem enttäuschenden Einspielergebnis des Vorgängers zusammen.
       Trotz des deutlich niedrigeren Budgets zaubern Álvarez und Kameramann Galo
       Olivares optisch beeindruckende Bilder und Perspektiven auf die Leinwand,
       die den Weltraum und die Station in allen Facetten zeigen. Lediglich einige
       CGI-Effekte sind misslungen, insbesondere solche, mit denen man Figuren
       jünger erscheinen lassen will.
       
       ## Newcomer und altbekannte Gesichter
       
       Fans der Reihe freuen sich über altbekannte Gesichter, doch aus
       Spoilergründen soll hier nicht gesagt werden, um wen es sich dabei handelt.
       Auch die beiden Newcomer Cailee Spaeny und David Jonsson können in ihren
       Rollen als Kämpferin und um seine Loyalität verwirrter Android überzeugen.
       Und doch verblassen sie im Vergleich zur großen Sigourney Weaver, die ihrer
       Figur Ellen Ripley im ersten Teil zur Unsterblichkeit verhalf.
       
       Doch ganz gleich, welches Gesicht man sieht, der Star des Films ist das
       Alien. Und tatsächlich wird es in „Romulus“ in all seiner grausigen
       Schönheit präsentiert. Das Design von Giger überdauert die Zeit, es braucht
       kein „Reimagining“ oder „Rethinking.“ Dabei ist das Alien nicht nur ein
       außerirdischer Todbringer, sondern eine Projektionsfläche für mehr. Bereits
       der Filmkritiker und Pulitzer-Preisträger Roger Ebert bemerkte in seiner
       Kritik zum ersten Film die phallische Form des Kopfes. Dazu durchbohrt das
       Alien mit seinem Schwanz andere Lebewesen und nimmt sie in sich auf. Kann
       man das Alien dadurch als Kritik maskuliner Gewalt lesen?
       
       Andere wiederum bemerkten das Sekret, das das Wesen permanent ausstößt und
       die prominente Rolle der Geburt. Also vielleicht doch ein Schauplatz vom
       Kampf der Geschlechter? Andererseits erkennt die Menschheit im Xenomorphen
       die Endstufe der Evolution und sieht etwas, das sie niemals erreichen wird.
       Dadurch wird das Alien zu einem idealen Konglomerat, das gleichzeitig
       faszinierend und doch tödlich ist. Ohnehin war der Künstler Giger bekannt
       dafür, in seinen Werken mit einer Vielzahl von sexuellen und
       philosophischen Thematiken zu spielen.
       
       Und doch macht der Film den gravierenden Fehler und versucht, die
       Lebensform weiterzuentwickeln. Spätestens das ist der Punkt, an dem der
       Horrorfilm auseinanderfällt. Das Publikum merkt, dass „Romulus“ der Reihe
       kaum etwas Neues hinzuzufügen hat und denselben Fehler macht wie die
       Menschen im Film. Denn auch sie versuchen durch Experimente, die nächste
       Evolutionsstufe zu erreichen und so perfekt zu werden wie der Xenomorph.
       Doch im Gegensatz zu ihnen ist er es bereits. Auch „Romulus“ kreiert zum
       Ende hin eine neue Version des Aliens und scheitert damit kläglich. Somit
       bleibt es nur ein solider Horrorfilm, der seinem Ursprungsmaterial aber
       mehr schadet als nutzt.
       
       15 Aug 2024
       
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