# taz.de -- Zukunft der Blauen Moschee in Hamburg: Die Freiheit der Andersgläubigen
       
       > Mit dem Verbot des Islamischen Zentrums wurde auch die Blaue Moschee
       > geschlossen, eine von drei schiitischen Gemeinden in Hamburg. Was wird
       > aus ihr?
       
 (IMG) Bild: Was wird aus der Blauen Moschee nach dem Verbot des IZH? Das Gebäude ist schon Gegenstand von Spekulationen und Wünschen
       
       Bremen taz | Es stinkt an der Blauen Moschee, klagen Nachbarn. Seit dem
       [1][Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg] (IZH) ist eine gute Woche
       vergangen, seitdem kann niemand mehr das Gelände der schiitischen Moschee
       betreten, nicht die Müllabfuhr und auch nicht die Gemeindemitglieder.
       
       „Ihr habt Gläubigen ihr Obdach genommen“, hatten Menschen schon am
       Donnerstag nach der Schließung auf ein Protestplakat am Zaun der
       beschlagnahmten Moschee geschrieben; gut 200 Menschen waren zum
       Protestgebet vorbeigekommen, am Freitag waren es noch mal ähnlich viele.
       Etwa 15.000 bis 20.000 Schiiten gebe es in Hamburg, schätzt man bei der
       Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg. Rund 2.000 davon
       seien regelmäßig in die Blaue Moschee gekommen.
       
       Dem IZH als bisherigem Trägerverein wird vorgeworfen, als verlängerter Arm
       des iranischen Regimes verfassungsfeindlich agiert und eine [2][totalitäre
       Ideologie in Deutschland propagiert zu haben.] Es ist nicht
       unwahrscheinlich, dass das IZH das Vereinsverbot vor Gericht noch anficht.
       
       Bis zu einer Entscheidung darf mit dem Gebäude nichts Neues begonnen
       werden; sollte es am Ende eines Prozesses an das Bundesinnenministerium
       fallen, müsste dieses es gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung stellen. Das
       könnte erneut eine Moschee, aber auch etwas komplett anderes sein – ein
       Kindergarten beispielsweise.
       
       ## Kulturzentrum – oder Gotteshaus
       
       Auch wenn es also noch dauern kann, werden schon einmal Pläne gemacht und
       Wünsche laut: Besondere Aufmerksamkeit bekommt der Vorschlag von
       Islamkritikerin Necla Kelek, [3][aus der Blauen Moschee eine Art
       Kulturzentrum] zu machen, in dem freitags auch gebetet werden könne. Ziel
       sei dabei eine Moschee, die „allen Gläubigen offenstehe“, schreibt das
       Hamburger Abendblatt.
       
       „Das ist nicht im Geringsten im Sinne unserer schiitischen Geschwister“,
       sagt zu solchen Ideen Schura-Sprecher Fatih Yildiz. „Für sie gibt es
       ohnehin nicht viele Gemeinden in Hamburg. Wir müssen die Moschee als
       Gotteshaus für sie erhalten.“
       
       Die Frage hinter dem Dissens ist nicht banal: Die Blaue Moschee ist nicht
       nur Vereinsheim für das IZH, sondern ein seit den frühen 1960ern
       bestehendes Gotteshaus und genießt als solches einen besonderen Schutz.
       Laut Grundgesetz muss der Staat „die [4][ungestörte Religionsausübung“
       gewährleisten.]
       
       Die Schi’a ist neben der weit größeren Sunna eine der beiden grundlegenden
       Richtungen des Islam. Unterschiedliche Rechtsschulen der beiden
       Konfessionen haben Auswirkungen auf religiöse Regeln, Moralvorstellungen
       und Rituale der Gläubigen. Den schiitischen Muslim*innen eine der
       sunnitischen Gemeinden in Hamburg zu empfehlen – oder eben ein „Zentrum für
       alle Religionen“ – ist keine gleichwertige Option.
       
       Nach dem Wegfall der Blauen Moschee bleiben in Hamburg aktuell zwei
       kleinere schiitische Moschee-Gemeinden übrig: Die afghanisch geprägte
       Belal-Moschee in Wandsbek und die irakische Huda-Moschee in Billbrook.
       Theologisch gibt es zwischen ihnen keine Differenzen, sagt Yildiz.
       Allerdings könnten allein sprachliche Barrieren dafür sorgen, dass die
       Gemeinden kein echter Ersatz seien.
       
       Ob die Größe der beiden weiteren schiitischen Gemeinden reichen könnte, um
       die Gläubigen aufzunehmen, das hält Yildiz eher für eine hypothetische
       Frage: „Man ist auch Mitglied einer Gemeinde, weil man sich wohlfühlt, weil
       man vielleicht seit der Kindheit dorthin geht“, sagt er. „Ich denke, die
       wenigsten werden einfach in andere Gemeinden gehen.“
       
       Ein Problem bei der Suche nach möglichen schiitischen Trägern für eine neue
       Gemeinde: Die Schi’a, vor allem die betroffene Untergruppierung der
       imamitischen Schiiten, ist vor allem im Iran verankert – und als solche
       seit 45 Jahren die Staatsreligion des Religionsstaates. „Es gibt einige
       imamitische Schiiten, die regimekritisch sind“, sagt dennoch der
       Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer.
       
       Trotzdem sei es schwierig, fähige und unabhängige Gemeindevorsteher zu
       finden – das Osnabrücker Islamkolleg, das 2019 mit dem Ziel gestartet ist,
       [5][Imame in Deutschland auszubilden], hat bis dato keine Angebote für
       Schiiten. Bisher wurden in Deutschland zwar schiitische Imame ausgebildet –
       allerdings ausgerechnet durch das verbotene IZH.
       
       Yildiz gibt sich dennoch zuversichtlich, dass man geeignete Partner für
       eine neue Gemeinde in der Blauen Moschee finden werde: Als es 2022 schon
       einmal um ein mögliches IZH-Verbot ging, verließen das Zentrum und [6][fünf
       weitere schiitische Vereine den Hamburger Islamverband]. „Aber es gibt noch
       schiitische Gemeinden, die Mitglied sind“, meint Yildiz, und impliziert:
       Diese seien unverdächtig.
       
       Mit ihnen sei man schon lange in entsprechenden Gesprächen – das IZH-Verbot
       hatte sich schon vor Jahren abgezeichnet. Auch wenn sich der Staat aufgrund
       der Religionsfreiheit eigentlich nicht in die Auswahl eines Moscheeträgers
       einmischen dürfe, werde man wohl eng zusammenarbeiten mit Behörden und
       Politik. „Es ist ein sehr sensibles Thema“, so Yildiz. „Wir müssen jemanden
       präsentieren, der in der Community vernetzt ist, und dabei von allen
       Vertrauen genießt.“ Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich andere Stimmen
       durchsetzten – und die Blaue Moschee als Ort für schiitische Gläubige ganz
       verloren ginge.
       
       2 Aug 2024
       
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