# taz.de -- Zukunft der Blauen Moschee in Hamburg: Schiit*innen wollen wieder drinnen beten
       
       > Seit einem Jahr ist die Blaue Moschee dicht, weil das Islamische Zentrum
       > Hamburgs ihr Träger war. Rund 2.000 Gläubige stehen seitdem ohne Raum da.
       
 (IMG) Bild: Ungewisse Zukunft: Blaue Mosche an der Hamburger Außenalster
       
       Bremen taz | Wieder einmal ist Freitag. Wieder einmal werden sich Menschen
       vor der Blauen Moschee versammeln und im Freien beten – normalerweise sind
       es etwa 120 Menschen, schreibt die Behörde. Dieses Mal werden etwas mehr
       erwartet, denn es ist jetzt genau ein Jahr her, dass das Islamische Zentrum
       Hamburg (IZH) als islamistisch-extremistische Organisation verboten und die
       [1][Blaue Moschee als deren Aktionszentrale geschlossen] wurde.
       
       „Wiedereröffnung der Imam-Ali-Moschee“, so sind die Versammlungen bei der
       Behörde angekündigt, gut 90 Mal seit der Schließung fanden sie statt, immer
       donnerstags und freitags. Die Polizei misst regelmäßig die Lautstärke und
       meldet ansonsten friedliche Treffen.
       
       Vor einer Woche hatten sich etwa 500 bis 600 Menschen für eine Demo
       versammelt, um auf ihre religiöse Heimatlosigkeit hinzuweisen. Im
       Videobeitrag des NDR sieht man Plakate mit Forderungen wie „Moschee statt
       Straße“ und „Wo ist unser Platz in dieser Stadt?“. Viele
       Demonstrant*innen trugen Schilder mit Verweis auf Artikel 4 Grundgesetz
       – das Recht auf freie Religionsausübung.
       
       ## Unter Verwaltung des Bundesinnenministeriums
       
       Moschee statt Straße, so richtig schnell wird das nichts, zumindest nicht
       hier: Die Blaue Moschee, das Gebäude, steht momentan unter Verwaltung des
       Bundesinnenministeriums. Es ist eine notdürftige Verwaltung, denn anfangen
       darf der Staat mit der Immobilie erst einmal nichts – erst wenn das Verbot
       rechtskräftig ist, kann er es als Teil des Vereinsvermögens nach
       Vereinsgesetz einziehen.
       
       Das IZH hatte 2024 gegen sein Verbot geklagt; beim Bundesverwaltungsgericht
       in Leipzig steht für die mündliche Verhandlung noch nicht einmal ein Termin
       fest. Offenbar war der Staat in den vergangenen Jahren besonders
       verbotsfreudig, laut einer Gerichtssprecherin sind in der dafür zuständigen
       sechsten Kammer noch [2][Verbotsverfahren] von 2023 offen. Bis ins nächste
       Jahr hinein könnte es schon noch dauern.
       
       Dass so viel Zeit verstreicht mit dem Gerichtsverfahren ist den
       Stadtvertretern vermutlich gar nicht so unrecht. Denn die Frage der
       Nachnutzung ist kompliziert. Gleich nach der Schließung hatte es Proteste
       der Gemeindemitglieder und solidarischer Muslim*innen gegeben. Aber
       gleich nach der Schließung kam auch schon von anderer Seite die Forderung
       auf, aus dem hübschen Gebäude an der Außenalster eine Art interreligiöses
       Kulturzentrum zu machen.
       
       „Die Blaue Moschee muss ein Ort der Mahnung für die Freiheit und die
       Menschenrechte werden“, schreibt die Islamkritikerin Necla Kelek vom Verein
       Kulturbrücke im November vergangenen Jahres. Ein Ort, „an dem an die Opfer
       des religiösen Fundamentalismus gedacht wird, deren prominentes Opfer –
       Jina Masha Amini – für die Bewegung „Frauen-Leben-Freiheit„ steht“, ein
       Ort, an dem diskutiert und gefeiert und, immerhin, „am Freitag auch gebetet
       werden kann“. Ein Gedenk-, Kultur und Veranstaltungsort mit Gebetsraum also
       – nicht das, [3][was den schiitischen Gemeindemitgliedern vorschwebt].
       
       ## Senatskanzlei lässt sich nicht hinreißen
       
       Die Hamburger Senatskanzlei, die im Stadtstaat für Religionsangelegenheiten
       zuständig ist, lässt sich zu keinen konkreten Versprechen in irgendeine
       Richtung hinreißen. Man setze sich dafür ein, „das Gebäude der Blauen
       Moschee einer Religionsgemeinschaft oder einer anderen Gemeinschaft zur
       Nutzung zu überlassen, die die Werteordnung des Grundgesetzes und den
       Gedanken der Völkerverständigung achtet“. Dabei, gibt man zumindest einen
       Hinweis, seien „aus Sicht des Senats insbesondere auch die Interessen von
       schiitischen Glaubensangehörigen in Hamburg zu berücksichtigen, die diese
       Werteordnung achten“.
       
       Schiit*innen gibt es in Hamburg laut Schura etwa 15.000 bis 20.000.
       [4][Nicht alle davon sind einer Moscheegemeinde verbunden]; aber rund 2.000
       von ihnen seien regelmäßig in die Blaue Moschee gekommen, heißt es.
       
       Vor allem die Frage der Herrschaftsnachfolge des Propheten Mohammed führte
       im siebten Jahrhundert zur ersten großen Spaltung der noch jungen Religion
       in Sunniten und Schiiten. Über die Jahrhunderte haben sich verschiedene
       Rechtspraktiken und religiöse Traditionen herausgebildet, die das religiöse
       und alltägliche Leben der Schiit*innen prägen; sie einfach an andere,
       sunnitisch geprägte Moscheen zu verweisen, ist keine Option.
       
       ## Sprachliche Hürden
       
       In Hamburg gibt es zwei weitere, kleinere schiitische Gemeinden, die
       allerdings kulturell andere Ursprünge und damit auch sprachliche Hürden für
       die Gemeindemitglieder der Imam-Ali-Moschee mitbringen.
       
       Die Schia als zweitgrößte Konfession des Islam ist nicht per se schlechter
       mit der „Werteordnung des Grundgesetzes“ vereinbar als manche sunnitische
       Strömung. Problematisch ist in den vergangenen 50 Jahren ihre geografische
       Verankerung: Der weitaus größte Teil der Schiiten stammt aus dem Iran,
       kleinere Gemeinschaften gibt es im Irak und in Aserbaidschan. Schiitische
       Gemeinden sind von der Anerkennung einer Rechtsschule abhängig – und die
       sitzen seit der Islamischen Revolution von 1979 eben in der theokratischen
       Islamischen Republik Iran, deren Einfluss man mit dem IZH-Verbot
       zurückdrängen wollte.
       
       ## Mögliche Träger gibt es
       
       Möglichkeiten gibt es, ist der Vorsitzende der Hamburger Schura, Fatih
       Yildiz, überzeugt. Es gibt zwei mögliche Träger, mit denen er Gespräche
       führt. Vorgespräche sind das, um abzuklopfen, unter welchen Bedingungen die
       Zusammenarbeit einen Sinn ergibt. Kann der Träger glaubhaft machen, dass
       keine Einmischung aus dem Ausland, sprich aus dem Iran, erfolgt? „Das ist
       immer der erste Punkt, der in den Gesprächen auf den Tisch kommt“, sagt
       Yildiz. „Diese Positionierung müssen sie absolut glaubhaft machen,
       ansonsten können wir uns das alles sparen.“
       
       Eine Frage dabei ist die Finanzierung. Eine Moscheesteuer gibt es in
       Deutschland nicht, was es unter anderem der Türkei leicht gemacht hat, über
       den Moscheeverband Ditib Einfluss aufzubauen. Das Geldproblem lässt sich
       aber noch vergleichsweise leicht lösen: „95 Prozent der Moscheegemeinden in
       Deutschland finanzieren sich aus eigener Kraft, über Spenden der
       Mitglieder“, so Yildiz.
       
       Schwierig ist die Frage nach der Anerkennung durch einen schiitischen
       Gelehrtenrat. Wen wählt man aus, gibt es in dem theokratischen Staat noch
       unverfängliche Theolog*innen?
       
       ## Suche nach Gemeindevorsteher
       
       Es geht weiter mit der Suche nach einem Gemeindevorsteher: Wer im Iran
       ausgebildet wurde, bringt schon einen gewissen Ballast mit. Das Islamkolleg
       Deutschland in Osnabrück kümmert sich bisher nur um die Ausbildung
       sunnitischer Imame. Schiitische Imame wurden in Deutschland bisher vom nun
       verbotenen IZH ausgebildet. Und wenn jemand etwa im Irak ausgebildet wurde,
       kann es praktische Schwierigkeiten geben: Findet sich von dort jemand, der
       ausreichend Persisch und Deutsch spricht, um die große Gemeinde zu führen?
       
       Der Sunnit Yildiz zeigt sich trotz der Schwierigkeiten optimistisch, dass
       es gelingen wird, einen passenden Träger zu finden. Etwas Neues entwickeln,
       schiitisches Leben unabhängig von staatlichem Einfluss zu etablieren, das,
       so der Sunnit Yildiz, sei „ein sehr, sehr gutes Narrativ, viele junge
       Menschen zeigen sich bereit dazu“. Organisiert freilich sind diese Ideen
       noch nicht. Trotzdem hofft Yildiz, dass sich bei einer Veranstaltung im
       Oktober ein bis zwei mögliche Träger einer kritischen Öffentlichkeit
       vorstellen.
       
       25 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
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