# taz.de -- Soziale Ungleichheit: Reichtum rückverteilen!
       
       > Wenn wir alle in Würde leben wollen, können wir uns Hyperreiche nicht
       > leisten. Es braucht einen höheren Spitzensteuersatz und eine
       > Vermögenssteuer.
       
 (IMG) Bild: Superreich und diskret in Ingelheim: das Pharmaunternehmen Böhringer
       
       Will man die ökonomische Ungleichheit verringern und zugleich verhindern,
       dass sich Deutschland sozial noch tiefer als bisher spaltet, muss die
       Steuergerechtigkeit erhöht und der Reichtum stärker besteuert werden, zumal
       Armutsbekämpfung viel Geld kostet. Steuern und Steuerpolitik sind aber für
       die meisten Deutschen ein Buch mit sieben Siegeln.
       
       Das komplizierte Steuersystem macht es schwer, Besitz-, Kapital- und
       Gewinnsteuern als wichtigstes Instrument einer Rückverteilung des Reichtums
       ins öffentliche Bewusstsein zu heben. Weil sie ihre eigene Steuerbelastung
       in aller Regel überschätzen, lehnen viele Menschen auch Steuererhöhungen
       für wirklich Reiche aus der Befürchtung heraus ab, dass sie selbst davon
       betroffen sein könnten.
       
       Im parteipolitischen Raum ist die Bereitschaft zu einer stärkeren
       Besteuerung des Reichtums eher noch geringer als in der „normalen“
       Bevölkerung. Die etablierten Parteien, [1][allen voran FDP], CDU und CSU,
       aber auch die sich als „Partei der kleinen Leute“ (Alexander Gauland)
       inszenierende AfD, blockieren oder verwässern entsprechende
       Gesetzesinitiativen, weil sie dadurch bürgerliche Besitzinteressen in
       Gefahr sehen.
       
       Weil das Vermögen den Kern des Reichtums bildet, ist seine jährliche
       Besteuerung ein Schlüssel zur Verringerung der sozialen Ungleichheit.
       Ansetzen muss die Rückverteilung des Reichtums bei den großen Vermögen,
       nicht bei sehr hohen Einkommen. Denn die Einkommensquellen können über
       Nacht versiegen, wie die [2][Covid-19-Pandemie] mit dem ersten bundesweiten
       Lockdown im März 2020 gezeigt hat, große Vermögen aber nicht urplötzlich
       verschwinden.
       
       ## Fünf Familien haben so viel wie 40 Millionen Menschen
       
       Wie stark das Privatvermögen hierzulande mittlerweile konzentriert ist,
       veranschaulicht der Umstand, dass die fünf reichsten Unternehmerfamilien:
       Albrecht/Heister, Böhringer, Kühne, Quandt/Klatten und Schwarz zusammen
       etwa 250 Milliarden Euro und damit mehr besitzen als die ärmere Hälfte der
       Bevölkerung, d.h. weit über 40 Millionen Menschen.
       
       Dies hat auch damit zu tun, dass rund 40 Prozent der Bevölkerung überhaupt
       kein Vermögen besitzen, also – streng genommen – von der Hand in den Mund
       leben, weil ihnen jegliche Rücklagen fehlen, die man spätestens in einer
       finanziellen Krisensituation braucht. Folglich avanciert die Rückverteilung
       des Vermögensreichtums an die große Bevölkerungsmehrheit zur Gretchenfrage
       eines gerechten Steuersystems, denn wir können uns Hyperreiche nicht mehr
       leisten, wenn alle in Würde leben wollen.
       
       Hierfür bieten sich die Wiedererhebung der Vermögensteuer, eine höhere
       Körperschaftsteuer, die nicht zuletzt Kapitalgesellschaften als eine Art
       Einkommensteuer entrichten müssen, und eine vor allem große
       Betriebsvermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranziehende
       Erbschaftsteuer an. Mit einer [3][Wiedererhebung der Vermögensteuer], die
       1997 ausgesetzt wurde, obwohl sie weiterhin [4][im Grundgesetz] steht, ist
       es nicht getan.
       
       Kaum etwas widerspricht dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden so stark
       wie die schärfere Besteuerung von Arbeitseinkommen als von Kapitalerträgen.
       Letztere unterliegen seit dem 1. Januar 2009 einer [5][pauschalen
       Abgeltungsteuer] von 25 Prozent, wohingegen Gehälter ab einem zu
       versteuernden Jahreseinkommen von 66.760 Euro (2024) mit dem Spitzensatz
       von 42 Prozent belegt sind.
       
       ## Kein Mensch braucht ein Millioneneinkommen
       
       Wieso die einfachste und bequemste Möglichkeit für Wohlhabende und Reiche,
       viel Geld zu verdienen, nämlich durch den Kauf oder Verkauf
       festverzinslicher Wertpapiere und von Aktien, mit dem niedrigsten
       Steuersatz begünstigt, um nicht zu sagen: belohnt wird, ist weder
       einzusehen noch länger hinzunehmen. Daher gehört die Abschaffung der
       Kapitalertragsteuer und ihre Reintegration in die normale Einkommensteuer
       ganz oben auf die steuerpolitische Agenda.
       
       Flankiert werden müssten diese Reformpläne durch einen progressiver
       verlaufenden Einkommensteuertarif mit einem höheren Spitzensteuersatz.
       Millioneneinkommen, die kein Mensch braucht, um ein komfortables Leben zu
       führen, sollten deutlich höher besteuert werden als „normale“ oder als hohe
       Einkommen, die zwar den Lebensunterhalt (einer Familie) sichern, aber
       keinen Luxus ermöglichen. Wer ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von über
       1 Million Euro hat, kann für diese Summe übersteigende Beträge problemlos
       60 Prozent Steuern zahlen.
       
       Wer ein noch deutlich höheres Jahreseinkommen über 1,5 Millionen oder 2
       Millionen Euro hat, sollte in der Spitze mit 75 Prozent besteuert werden.
       Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht begünstigt hyperreiche
       Unternehmerfamilien, denen die Privilegierung des Betriebsvermögens und die
       wiederholte Inanspruchnahme des Schenkungsteuerfreibetrages die
       intergenerationale Weitergabe von Unternehmen erleichtern.
       
       Firmenerben müssen in Zukunft genauso behandelt werden wie die Erben
       anderer beträchtlicher Vermögenswerte. Warum sollte das Kind eines
       Großunternehmers im Erbfall gegenüber dem Kind eines Großgrundbesitzers,
       eines Bankiers oder eines Finanzinvestors steuerlich privilegiert werden?
       Begründet wird die Begünstigung von Firmenerben üblicherweise damit, dass
       wegen deren Steuerbelastung die Insolvenz von Betrieben und der Verlust von
       Arbeitsplätzen drohe.
       
       Offenkundig handelt es sich hier um ein vorgeschobenes,
       interessengeleitetes Argument. Bisher hat es nämlich keinen Fall eines
       Firmenzusammenbruchs infolge einer Erbschaftsteuerzahlung gegeben, denn
       sonst wäre er längst vom [6][Bund der Steuerzahler] publik gemacht worden.
       Weil gerade die Betriebsvermögen auch sehr ungleich zwischen Ost- und
       Westdeutschen verteilt sind, würde eine kräftigere Besteuerung der
       Firmenerben den Zusammenhalt beider Landesteile stärken. Sie brächte also
       einen Zusatznutzen mit sich, der argumentativ genutzt werden könnte, um die
       Akzeptanz dafür zu erhöhen.
       
       23 May 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] https://www.buzer.de/s1.htm?g=GG&a=106%2C107
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 (DIR) [6] https://www.steuerzahler.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christoph Butterwegge
       
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