# taz.de -- Anstehende Bürgerschaftswahl in Bremen: AfD darf sich selbst zerstören
       
       > Die AfD ist nicht zur Bürgerschaftswahl zugelassen, das entscheidet der
       > Wahlbereichsausschuss. Sie hatte zuvor zwei konkurrierende Listen
       > eingereicht.
       
 (IMG) Bild: Die AfD kann in Bremen ihre Werbung in die Tonne treten – so wie im Bild die Bundesagswahl-Flyer
       
       BREMEN taz | Im Wahlbereich Bremerhaven darf die AfD wahrscheinlich zur
       Bürgerschaftswahl antreten. Im deutlich größeren Wahlbereich Bremen
       hingegen hat sie nur noch theoretische Chancen, am 14. Mai 2023 auf dem
       Stimmzettel zu stehen: Einstimmig hat der zuständige Wahlbereichsausschuss
       entschieden, dass die entsprechenden Listen unzulässig sind. Die
       Bestätigung durch den Landeswahlausschuss soll kommenden Freitag erfolgen.
       Damit dürfte die AfD auch in der dritten Legislatur in Folge in Bremen am
       Ende ohne Fraktion dastehen.
       
       Denn auch wenn das komplexe Bremer Wahlrecht, das allen Stimmberechtigten
       gestattet, fünf Kreuze über Listen und Kandidierende zu verteilen – auf der
       passiven Seite gilt der Grundsatz: Doppelt bewerben geht gar nicht. Jede
       Partei darf nur einmal auf dem Wahlzettel stehen. Und in Bremen hatte die
       AfD zwei Kandidat*innenlisten eingereicht, eine am 6. Dezember 2022,
       eine am 16. Januar 2023.
       
       Beide haben Menschen unterschrieben, die sich für den wahren Landvorstand
       derselben Partei halten. Der eine, der als Rumpfvorstand bezeichnet wird,
       weil kein Kandidat die erforderliche Mehrheit für den Posten des
       Vorsitzenden bekommen hatte, war bei einem Parteitag am 8. Mai 2022 gewählt
       worden.
       
       Dann aber hatten ihn Menschen, die sich für das Landesschiedsgericht der
       AfD halten, aufgrund einer Beschwerde aus dem Kreisverband Bremerhaven im
       Herbst abgesetzt und wiederum einen Notvorstand inthronisiert.
       Kurioserweise ist der ursprüngliche Konflikt in Bremerhaven offenbar
       beigelegt. Die Beschwerde wurde mittlerweile zurückgezogen. Und es waren
       auch die Rümpfe um Sergej Minich, die dort die Liste eingereicht haben, die
       formal nicht zu beanstanden ist.
       
       ## Bundesvorstand contra Bundesschiedsgericht
       
       Aber während der Bundesvorstand sich an deren Seite gestellt hat – als
       Vertrauensmann der Rümpfe filibusterte der Bundestagsabgeordnete Fabian
       Jacobi vom Stehplatz in der rechten Saal-Ecke – hält die
       Parteigerichtsbarkeit der Not-Combo die Stange. Diese nun hatte, ohne
       erkennbare Not, zu einem sehr frühen Zeitpunkt per Zeitungsannonce zu einer
       Mitgliederversammlung aufgerufen, ohne freilich die Mitglieder vorab zu
       kontaktieren. „Wir bekamen ja die Adressen nicht“, erklärte der
       Notvorstandsvorsitzende Heinrich Löhmann das Vorgehen.
       
       Der [1][vierschrötige Elektromeister Löhmann aus Syke] hat seit 2019 eine
       Bremer Meldeadresse und ist seit 2021 Mitglied der Bürgerschaft. Sein
       Vorgänger Mark Runge war im Alter von 38 Jahren überraschend gestorben. Der
       Darstellung, eine reguläre Ladung zur Aufstellungsversammlung habe es nicht
       gegeben widerspricht er energisch: „Das hat der Bundesvorstand für uns
       erledigt“, so Löhmann auf Nachfrage der taz.
       
       Tatsächlich hatte der Bundesvorstand alle Partei-Mitglieder in Bremen in
       dieser Angelegenheit angeschrieben. Allerdings hat er sie dabei
       aufgefordert, die besagte Annonce zu ignorieren, weil allein die Rümpfe um
       Sergeij Minich handlungsbefugt seien. „Dadurch sind ja alle auf unsere
       Anzeige im Weser-Kurier hingewiesen worden“, bewertet Not-Löhmann diese
       Mitgliederinfo gegen ihre Intention als vollwertigen Ersatz für eine
       ordnungsgemäße Ladung.
       
       Das ist einigermaßen Rechtsstaatsfern: Die Einladung aller
       Stimmberechtigten ist entscheidend, um das Demokratieprinzip zu wahren.
       Darauf hatte zuletzt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags
       hingewiesen: „Für die Einhaltung der Wahlgrundsätze kommt es also
       entscheidend darauf an, ob die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ladung
       erfüllt sind und den Teilnahmeberechtigten damit ermöglicht wird, ihr
       Wahlrecht in der Versammlung auszuüben“, [2][heißt es in einem
       Sachstandsbericht aus dem Frühjahr 2022]. Dabei spreche vieles dafür, dass
       „für die Gültigkeit der Kandidatenaufstellung nachrangig“ sei, ob die
       korrekte Ladung auch durch den korrekten, also „ordungsgemäß bestellten
       Vorstand“ erfolgt sei.
       
       Insofern steht auch die Bremerhavener Zulassung der von den Rümpfen
       unterzeichneten Liste nicht im Widerspruch zur Entscheidung in Bremen,
       betonte Wahlbereichsleiterin Carola Jansen nach der Ausschussitzung: „Dort
       war nur eine Liste eingereicht worden – insofern musste auch nicht über
       eine parteiinterne Konkurrenz entschieden werden“: Dazu wiederum sei weder
       sie noch der Ausschuss befugt.
       
       „Das wäre ein Eingriff in die Autonomie der Parteien“. Die [3][wird vom
       Grundgesetz garantiert], und „ganz wesentlich gehört dazu die Freiheit,
       sich selbst zu organisieren“, so Jansen. Und natürlich ist es dabei egal,
       welche zerstörerischen Formen die Wahrnehmug dieser Freiheit annimmt.
       
       Dass die AfD in Bremen an dieser basalen Aufgabe schon seit jeher
       scheitert, hat sich bislang nicht im Wahlergebnis niedergeschlagen: Noch
       immer wird sie von Umfragen [4][auf etwa 7 Prozent taxiert]. Erstmals hatte
       sie 2015 die Fünfprozenthürde in einem der beiden Bremer Wahlbereiche
       überwunden – doch drei der vier Abgeordneten verschwanden umgehend mit
       Bernd Lucke in der Bedeutungslosigkeit.
       
       ## Die größten Erfolge der Bremer AfD
       
       Der vierte, Björn Höcke-Freund Alexander Tassis, wurde mit einem
       Parteiausschlussverfahren überzogen. Zwar blieb das erfolglos: Dennoch lebt
       Tassis sein völkisch-nationalistisches Engagement seit 2019 nur noch
       außerparlamentarisch aus. Angesichts dieser Performance beachtliche 6,1
       Prozent landesweit erhielt die AfD bei der damaligen Bürgerschaftswahl,
       also fünf Mandate – Fraktionsstatus. Jedoch hatte die sich nach drei
       Monaten in ihrer Einzelteile zerlegt.
       
       Größter politischer Erfolg der Partei war in Bremen der bislang
       unaufgeklärte Angriff auf ihren Frontmann Ralf Magnitz im Januar 2019. Der
       damalige Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete war auf dem Heimweg
       von einem Neujahrsempfang überfallen und verprügelt worden. Entgegen seiner
       Darstellung war er jedoch weder getreten noch mit einem Kantholz geschlagen
       worden.
       
       Während der Hintergrund der Tat bis heute ungeklärt ist, betrieb Magnitz
       mit einer Pressemitteilung [5][noch vom Krankenhaus aus PR-Arbeit]: „Wir
       haben die gesamte Nation aufgerüttelt und einen Diskussionsprozess in Gang
       gesetzt, was uns sonst nie gelungen wäre!“, rühmte er sich, den Überfall in
       eine politisches Verbrechen umgemünzt und für den Wahlkampf genutzt zu
       haben. „In Bremen selbst dürfte das Thema bei denen, die unsicher, aber uns
       nicht gänzlich abgeneigt sind, für Sympathien gesorgt haben.“
       
       17 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://afdwatchbremen.com/heiner-loehmann-platz-6/
 (DIR) [2] https://www.bundestag.de/resource/blob/899866/f1cc5dcac5e435d8ea10502533491093/WD-3-040-22-pdf-data.pdf
 (DIR) [3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html
 (DIR) [4] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/bremen.htm
 (DIR) [5] /Anschlag-auf-Bremer-AfD-Politiker/!5561102
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
 (DIR) AfD Bremen
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Bremer Bürgerschaft
 (DIR) Bremische Bürgerschaft
 (DIR) Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023
 (DIR) Bremer Bürgerschaft
 (DIR) AfD Bremen
 (DIR) AfD Bremen
 (DIR) Schwerpunkt AfD in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahlen
 (DIR) Bremen
 (DIR) Schwerpunkt AfD
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Koalitionsvertrag für Bremen: Rot-Grün-Rot trifft sich am Grill
       
       SPD, Grüne und die Linkspartei haben sich auf einen neuen Koalitionsvertrag
       für Bremen verständigt. Kitas und Schulen sollen „höchste Priorität“ haben.
       
 (DIR) Bürgerschaftswahl in Bremen: Mit Schrot gegen die Wahlen
       
       Gegen ihren Ausschluss von der Bremen-Wahl hat die AfD drei Klagen
       eingereicht. Das ist Propaganda pur: Zulässig sind nur nachträgliche
       Anfechtungen.
       
 (DIR) AfD in Bremen von Wahl ausgeschlossen: Den Schaden hat die Demokratie
       
       Die Bremer AfD ist so verfeindet, dass sie zwei Listen zur Wahl eingereicht
       hat. Jetzt wurde sie gesperrt – und inszeniert sich mal wieder als Opfer.
       
 (DIR) Neuer Vorstand der AfD Berlin: Rechtsaußen ist noch ein bisschen Platz
       
       Der neue Landesvorstand der AfD ist radikal wie nie. Die Vorsitzende
       Brinker sitzt fest im Sattel aufgrund ihres Bündnisses mit den Völkischen.
       
 (DIR) Wahlexperte über AfD-Liste in Sachsen: „Hätte nicht gekürzt werden dürfen“
       
       In Sachsen dürfen viele AfDler bei der Landtagswahl nicht antreten.
       Wahlrechtsexperte Wilko Zicht hält das für falsch. Warum?
       
 (DIR) Streit um Bremer Beiratswahlen: Piraten fechten Wahl an
       
       Die Piratenpartei wurde nicht zur Bremer Beiratswahl zugelassen und sieht
       eine Benachteiligung kleiner Parteien. Sie will die Wahl wiederholen
       lassen.
       
 (DIR) Neuauszählung der Kommunalwahl: Schüler benachteiligen Rot-Grün
       
       Bremerhavens Stadtrat bleibt unverändert, obwohl sich bei der Neuauszählung
       Fehler fanden. Experten fordern mehr Zeit fürs Zählen.