# taz.de -- Gewalt im Nahen Osten: Scharfmacher an den Hebeln
       
       > Die Eskalation zwischen Israel und Palästina findet nicht im Vakuum
       > statt. Doch USA, Europa und arabischen „Brudervölkern“ fehlt das
       > Interesse.
       
 (IMG) Bild: Die beiden Scharfmacher auf israelischer Seite, Premier Netanjahu (r) und Itamar Ben-Gvir
       
       Wie erwartet [1][eskaliert die Gewalt in Nahost]. Dafür jetzt Israels neue
       Hardliner-Regierung verantwortlich zu machen, greift jedoch zu kurz. Die
       Gewaltdynamik, durch eine israelische Razzia losgetreten, wäre unter jeder
       Führung vorstellbar. [2][Neun Palästinenser*innen wurden bei dem
       Einsatz am Donnerstag getötet], darunter Zivilist*innen. Es folgten
       [3][Raketenangriffe] und zwei Anschläge auf Israelis – einer am
       Holocaust-Gedenktag. Besonders perfide, fanden viele.
       
       Palästinenser*innen dürften weniger den Zusammenhang mit dem
       Gedenktag sehen als einen mit der Razzia. Dieser Perspektivwechsel
       rechtfertigt nichts. Anschläge auf Zivilist*innen bleiben, was sie
       sind: Terror. Doch er zeigt, wo auf beiden Seiten das Problem ist. Viele in
       Palästina sehen in Israel nichts als eine Besatzungsmacht, keine
       Zivilist*innen, keinen Staat von Holocaust-Überlebenden, keine
       Überlebensgarantie für Jüdinnen und Juden weltweit. Hinter den Uniformen
       verschwindet der verletzliche Staat, der Israel auch ist.
       
       Auf der anderen Seite ist für Außenstehende kaum vorstellbar, was eine
       Nachricht wie die von der Razzia für Palästinenser*innen bedeutet.
       Die Zahl der Getöteten im Westjordanland beträgt 30. In diesem Jahr! Kaum
       eine Familie dort hat nicht Mitglieder zu beklagen, die im Konflikt ums
       Leben gekommen sind.
       
       Das alles ist Teil der Folie, vor der die Gewalt eskaliert. Hinzu kommen
       Israels Landnahme, die institutionelle Entrechtung und zunehmende
       Delegitimierung von palästinensischen Ansprüchen auf Land. Im neuen
       Koalitionsvertrag wird erstmals ein „exklusives Recht“ des jüdischen Volkes
       auf alle Teile Israels beansprucht. Palästinensergebiete inklusive.
       
       Dass Palästinenser*innen, selbst Kinder, die Anschläge feierten, ist
       abscheulich. Es zeigt, dass Grundlegendes durcheinandergeraten ist. Was
       sind Zivilisten, was Kombattanten? Doch nun von einer Terrorkultur zu
       sprechen, hilft nicht. Dass ein 13-Jähriger auf Menschen schießt, ist nicht
       kulturell erklärbar. Die Eskalation findet nicht im Vakuum statt. Seit
       Jahren fehlen Perspektiven. Die israelische Dominanz wird ausgebaut.
       Erinnert sei an das Duo Trump/Netanjahu und ihren Plan, das Westjordanland
       nach Gutdünken aufzuteilen.
       
       Es braucht den Willen zur Konfliktlösung. Doch die USA haben kein Interesse
       mehr; Europa versteckt sich hinter der Zweistaatenlösung; die arabischen
       „Brudervölker“ geben sich solidarisch, interessieren sich aber kaum. Und in
       Israel und Palästina selbst sitzen Scharfmacher am Hebel. Man war schon
       weiter in Nahost.
       
       29 Jan 2023
       
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