# taz.de -- Bundestag über Genozid an Êzîden: Anerkennung als Völkermord
       
       > IS-Verbrechen an der êzîdischen Religionsgemeinschaft will der Bundestag
       > als Genozid einstufen. Tausende sollen mehr Hilfen erhalten, Täter
       > bestraft werden.
       
 (IMG) Bild: Menschen fliehen in der irakischen Region Sindschar vor der Gewalt der Terrormiliz IS
       
       Berlin taz | Sie wurden verfolgt, misshandelt und brutal ermordet: Der
       Terror gegen die êzîdische Religionsgemeinschaft, insbesondere im Irak und
       in Syrien, zählt zu den dunkelsten Kapiteln der IS-Verbrechen. Am
       Donnerstag will der Bundestag darüber abstimmen, die [1][Gräueltaten als
       Genozid] einzustufen und der Opfer gedenken. Möglich macht dies ein
       interfraktioneller Antrag der Ampelfraktionen gemeinsam mit der
       CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
       
       „Die Anerkennung als Völkermord hilft bei der Aufarbeitung der
       Geschehnisse“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur.
       „Die Täter von damals müssen weiterhin mit einer Strafverfolgung rechnen.“
       Und Türk-Nachbaur bekräftigt: Man werde alles dafür tun, um den
       Verfolgungsdruck aufrechtzuerhalten. Im entsprechenden Antrag, der der taz
       vorliegt, ist die Rede von der besonderen Verantwortung Deutschlands.
       
       Diese begründet sich zum einen daraus, dass die größte êzîdische Diaspora
       in der Bundesrepublik lebt. Schätzungen zufolge sind dies zwischen 150.000
       bis 200.000 Menschen, weltweit gehören rund eine Million Menschen der
       Glaubensgemeinschaft an. Der Großteil lebt im Irak. Zum anderen spielt die
       Beteiligung deutscher Staatsbürger an den Taten eine Rolle. Der
       Verfassungsschutz geht davon aus, dass sich seit 2012 [2][etwa 1.000
       Personen von der Terrormiliz IS haben rekrutieren lassen].
       
       Im Sommer 2014 verübte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einen
       [3][brutalen Überfall auf die in der nordirakischen Region Sindschar
       lebenden Êzîd:innen]. Tausende Menschen wurden verschleppt oder ermordet.
       Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt und versklavt, Männer unter
       Bedrohung ihres Lebens gezwungen, zum Islam zu konvertieren. Ganze Dörfer
       wurden zerstört. Bis heute leben mehrere Hunderttausend Êzîd:innen in
       Flüchtlingslagern und können nicht zurück.
       
       ## Hilfen für Binnenvertriebene
       
       Den fraktionsübergreifenden Antrag bezeichnete Michael Brand (CDU) als
       politisch starkes Signal. „Es ist wichtig, dass Deutschland nicht nur den
       Genozid als solchen anerkennt, sondern zugleich die historische
       Aufarbeitung sowie die rechtliche Verfolgung der Verbrechen und den Schutz
       für die Kultur und Religion auf nationaler und internationaler Ebene
       voranbringen wird“, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der
       CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nur so könnten die Grundlagen für die
       Befriedung der Sindschar-Region und einen langfristigen Versöhnungsprozess
       geschaffen werden.
       
       Teil des Antrags ist auch die Forderung, das Schicksal Tausender noch
       vermisster Êzîd:innen aufzuklären. Außerdem soll es mehr Unterstützung
       für Binnenvertriebene geben. Brand appellierte an die internationale
       Gemeinschaft, gemeinsam mit der irakischen Zentralregierung sowie der
       kurdischen Regionalregierung Lösungsansätze zu finden, um die Situation der
       Menschen in den Camps zu verbessern. „Hier braucht es konkrete
       diplomatische Initiativen der Bundesregierung“, so Brand.
       
       Mit der Anerkennung der Verbrechen gegen die Êzîd:innen als Völkermord
       würde der Bundestag der rechtlichen Bewertung eines
       UN-Sonderermittlungsteams folgen. Auch das Europäische Parlament, Armenien
       oder Australien haben die Gräueltaten als Genozid anerkannt. Die
       Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal begrüßte den
       fraktionsübergreifenden Antrag. „Je mehr Nationen Verbrechen gegen die
       Menschheit anerkennen, desto stärker ist das Versprechen, solche nie wieder
       geschehen zu lassen“, schrieb sie auf Twitter.
       
       19 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kurdische-JesidInnen/!5898708
 (DIR) [2] /Deutsche-IS-Anhaenger-in-Syrien-und-Irak/!5901033
 (DIR) [3] /IS-Verbrechen-an-den-Jesidinnen/!5868116
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jesiden
 (DIR) „Islamischer Staat“ (IS)
 (DIR) Völkermord
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Völkermord
 (DIR) „Islamischer Staat“ (IS)
 (DIR) Gerichtsprozess
 (DIR) Irak
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Kurden
 (DIR) Irak
 (DIR) IS-Terror
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Êzîdische Diaspora in Deutschland: Abschiebestopp auf Zeit
       
       Der Irak ist für êzîdische Frauen und Kinder gefährlich, darum schiebt sie
       NRW vorerst nicht mehr ab. Aber die Bundesregierung bleibt bisher untätig.
       
 (DIR) Überlebende des Genozid an den Êzîden: Abschiebung in Elend und Gefahr
       
       Ali Saydo floh vor den IS-Mördern nach Deutschland. Wie andere Êzîden soll
       er nun zurück in den Irak gezwungen werden. Dabei droht dort weiter
       Verfolgung.
       
 (DIR) Protest von Êzîd*innen in Berlin: Abschiebung trotz Genozid
       
       Êzîd*innen aus dem Irak protestieren vor dem Bundestag gegen drohende
       Abschiebungen. Viele von ihnen waren deswegen in einen Hungerstreik
       getreten.
       
 (DIR) Genozid an Êzîd*innen 2014: Die Erinnerung am Leben halten
       
       Der IS ermordete Zehntausende Êzîd*innen. Anlässlich des Gedenktags am
       Donnerstag richten Überlebende Forderungen an die deutsche Politik.
       
 (DIR) Razzia gegen IS-Struktur in Deutschland: Justiz geht Islamisten ans Geld
       
       Bei einem Polizeieinsatz werden sieben Personen festgenommen. Sie sollen
       Spenden gesammelt haben, um IS-Frauen zu unterstützen.
       
 (DIR) Prozess zu Anschlägen in Brüssel 2016: Kaum Reue, keine Verantwortung
       
       Im Gerichtssaal schieben die Angeklagten der Anschläge von 2016 die Schuld
       auf den Westen. Die Bombardierung des „IS“ habe ihren Hass geschürt.
       
 (DIR) Annalena Baerbock in Bagdad: Irak mehr Unterstützung versprochen
       
       Bei ihrem Besuch in Bagdad betont Baerbock, wie wichtig der Irak für die
       Stabilität der Region sei. Die IS-Verbrechen müssten umfassend
       aufgearbeitet werden.
       
 (DIR) IS-Terror in Syrien: Mindestens 68 Menschen getötet
       
       Das Attentat ereignete sich in der Stadt Al-Suchna. Einer NGO zufolge würde
       der IS die Lage nach dem Erdbeben ausnutzen, um Anschläge zu verüben.
       
 (DIR) Kurdische Jesid:Innen: Sie brauchen unsere Solidarität
       
       Die vom IS an den kurdischen Jesid:innen verübten Verbrechen müssen als
       Völkermord international anerkannt werden. Deutschland sollte dabei helfen.
       
 (DIR) Kämpfe im Nordirak: Zwischen den Fronten zerrieben
       
       Im Nordirak greift die Türkei die kurdische PKK an, und die irakische Armee
       die jesidische YBŞ-Miliz. Wieder müssen jesidische Zivilisten flüchten.
       
 (DIR) Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Irak: Spuren systematischer Grausamkeit
       
       Im Irak liegen noch viele Massengräber, sagt der Leiter des
       UN-Ermittlungsteams für IS-Verbrechen. Die Terrorgruppe tötete zehntausende
       Menschen.
       
 (DIR) Kurdisch verwaltete Region in Syrien: Das Experiment
       
       Vieles läuft im kurdisch verwalteten Nordosten Syriens besser als im
       restlichen Land. Nur: International gibt es kaum Unterstützung.