# taz.de -- Debatte um geplante U-Bahn in Hamburg: Nicht auf derselben Schiene
       
       > Bei der Anhörung zur neuen U5 forderten Bürger die günstigere
       > Straßenbahn. Der Verkehrssenator verspricht, weiter den Schienenverkehr
       > zu fördern.
       
 (IMG) Bild: So soll der U-Bahnhof Hauptbahnhof-Nord aussehen, wenn dort auch die U5 hält
       
       Hamburg taz | Die in Hamburg geplante neue Linie U5 wird der Stadt zu wenig
       helfen, ihre Klimaziele zu erfüllen. Zu diesem Fazit kam bei einer Anhörung
       im Rathaus über ein Dutzend Bürger, die sich mit teils aufwendigen
       Präsentationen zu Wort meldeten. „Die U5 wird nach Darstellung des Senats
       erst 2040 fertig sein. Das ist zu spät“, bringt die Linken-Politikerin
       [1][Heike Sudmann,] die die Anhörung initiiert hatte, die Kritik auf den
       Punkt.
       
       Nur ein Redner lobte ausdrücklich die neue U-Bahnlinie, die vom Stadtteil
       Bramfeld in Hamburgs Nordosten über die Großsiedlung Steilshoop in einer
       großen Schlaufe um die Alster in der Stadtmitte herum wieder in den Norden
       zu den Sport-Arenen führen soll. Ein eigener Fahrweg unter der Erde
       ermögliche höhere Geschwindigkeit und schließe „Lücken in der
       Schnellbahnwüste Hamburg“, sagte Matthias Potthast von der
       „Fahrgastinitiative“. Doch auch er betonte, dies sei keine Ablehnung einer
       Straßenbahn, die alle übrigen Redner als die bessere Alternative für eine
       schnelle Verkehrswende sahen.
       
       Dabei ging es zunächst um die Frage, wie [2][klimafreundlich der
       U-Bahn-Bau] in großer Tiefe unter der Erde sein kann, für den viel Beton
       benötigt und Erde bewegt wird. Eine Gruppe von Ingenieuren, die sich „Die
       drei Rentner“ nennt, hinterfragte entsprechende Ankündigungen von
       Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), denn klimafreundlicher Zement und
       Beton werde erst weit nach Baubeginn ausreichend verfügbar sein.
       
       Deutlich wurde auch Alexander Montana vom Verkehrsclub Deutschland. Für die
       Klimaziele sei die U5 „kaum relevant“, führte er [3][in seiner Präsentation
       aus]. Auch in den 1930ern werde deren Bau zunächst „mehr Emissionen
       verursachen, als er vermeidet“. Überhaupt reichten alle bisher von der
       Stadt angedachten Maßnahmen nicht aus, um bis 2030 die CO2-Emissionen im
       Verkehr um 50 Prozent zu senken und die Fahrgastzahl um 50 Prozent zu
       erhöhen.
       
       Hamburg müsse den ganzen ÖPNV in den nächsten 20 Jahren „neu denken“, sagte
       der VCD-Experte. Dazu gehörten dezentrale Regionalbahnhöfe, ein sichtbares
       elektrisches Bussystem und „leistungsfähige Straßenbahnen“. Montana zeigte
       mehrere Karten, darunter eine mit sechs Metro-Linien, und das ungewohnte
       Bild einer Doppelstock-Straßenbahn, die Platz in den Straßen spare.
       
       ## Streckensperrung ein Problem?
       
       Die Strecke der Metrobahn, zum Beispiel von besagten Sport-Arenen zum
       Hauptbahnhof, könne schon Anfang der 2030er-Jahre fertig sein. Kosten würde
       das Netz von 100 Kilometern Straßenbahn-Linie mit Fahrzeugen etwa 2,8
       Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die geplante U5 wird 25 Kilometer lang und
       kostet laut Senatsangaben acht Milliarden Euro.
       
       Und ihre Strecke fährt, obwohl sie unversorgte Gebiete abfahren soll, nach
       Einschätzung der Vortragenden [4][am Bedarf vorbei]. In der Großsiedllung
       Steilshoop etwa führen derzeit die meisten Bewohner mit Buslinien in
       diverse andere Richtungen, führte Bus-Experte Bernd-Dieter Schlange in
       seiner Präsentation aus, die ebenso wie die übrigen später im Protokoll des
       Verkehrsausschusses in der [5][Parlamentsdatenbank] abgebildet wird.
       
       Im Rathaus nicht zur Sprache kam ein anderer Punkt. Während des U-Bahn-Baus
       selbst kommt es zu Streckensperrungen anderer U-Bahnen. Im Fall der U5 wäre
       die viel genutzten Linien U2 und U4 betroffen, mit der die Menschen aus
       Hamburgs Osten zum Hauptbahnhof-Nord fahren. Denn laut einer
       „[6][Machbarkeitsuntersuchung“ zur U5] wäre dieser in den 1960ern gebaute
       U-Bahnhof mit vier Röhren in tiefer Lage heute so nicht mehr
       genehmigungsfähig, unter anderem weil die Bahnsteige zu schmal sind. Zwei
       der vier Röhren wurden nie genutzt. Dort soll die neue U5 anschließen.
       
       Die Studie schlug deshalb Varianten vor, wie größere Bahnsteige und Platz
       für „Entrauchung“ und „Entfluchtung“ geschaffen wird. Unter anderem wären
       Queröffnungen zwischen den Röhren nötig. Bei allen Umbau-Varianten war aber
       eine „temporäre Unterbrechung“ der dort haltenden U2 und U4 nötig.
       
       Empfohlen von den Gutachtern wurde eine Art Hallenverbindung zwischen den
       Röhren, was aber laut Hochbahn eine immense, vermutlich mehrere Jahre
       andauernde [7][Sperrung] der Linien U2 und U4 bedeutet hätte. „Die nun
       geplante Variante ist ein bedeutend ‚kleinerer Umbau‘ am Hauptbahnhof
       Nord“, sagt eine Hochbahn-Sprecherin der taz. Dadurch könne die Sperrung
       „deutlich kürzer gehalten werden“. Die Rede ist von Monaten. Möglich sei
       die kleine Variante, da inzwischen auch am Jungfernstieg eine
       U5-Haltestelle geplant wird. Ohne diese hätte man am Hauptbahnhof mit zu
       vielen Fahrgästen gerechnet.
       
       Dieter Doege von „[8][Pro Stadtbahn“] vermutet, dass die Sperrung doch
       Jahre dauert. Denn beließe man den Hauptbahnhof-Nord wie er ist, wäre er
       womöglich „nicht genehmigungsfähig, weil durch den Umbau der Bestandsschutz
       verloren geht“.
       
       Doege gehört zu jenen Experten, die im Ausschluss die der U5
       prognostizierten Fahrgastzahlen anzweifelten. Zusammen mit seinem
       Mitstreiter Jens Ode forderte er, schnell und zügig den Bau einer
       Straßenbahn. Andere Städte wie München zeigten, das sich Proteste von
       anliegenden Geschäften meist schnell legten, ist die Tram erst gebaut, so
       Ode.
       
       ## Straßenbahn-Debatte an allem Schuld?
       
       Auch Heike Sudmann forderte nach der Anhörung den Senat auf, sich endlich
       für die schnellere und erheblich günstigere Lösung einer Stadtbahn zu
       öffnen.
       
       Der die ganze Zeit zuhörende Senator Tjarks hatte zu Beginn der Anhörung
       das Wort erbeten und seine Linie klar gemacht. Hamburg habe bis 1979 schon
       mal eine Straßenbahn gehabt. Seither werde über 40 Jahre lang über
       Straßenbahn gestritten. Dass die Stadt in dieser Zeit den Bau von S- und
       U-Bahn vernachlässigt habe, „das liegt auch an dieser Debatte“.
       
       Tjarks appellierte – wohl in Anlehnung an Ex-Bürgermeister Olaf Scholz, der
       nie wieder aufhören wollte, Wohnungen zu bauen – an die Anwesenden,
       gemeinsamen zu sagen: „Wir hören nie wieder auf, schienengebundene
       Verkehrsprojekte in Hamburg voranzubringen“. „Schienengebunden“, konterte
       später ein Anwohner aus Steilshoop, „das bedeutet, die Straßenbahn
       miteinzubeziehen“.
       
       3 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Debatte-um-Hamburgs-Verkehrspolitik/!5852664
 (DIR) [2] /Stadtbahndebatte-in-Hamburg/!5881633
 (DIR) [3] https://nord.vcd.org/fileadmin/user_upload/Nord/Nord/2022_aktuell/Vortrag_OEPNV_2022-12-01_LM.pdf
 (DIR) [4] /Hamburger-Debatte-um-Nahverkehr/!5858347
 (DIR) [5] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/
 (DIR) [6] https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/ergebnisbericht-machbarkeitsuntersuchung-mbu-u5-mitte-city-nord-siemersplatz-bzw-stellingen?forceWeb=true
 (DIR) [7] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/U-Bahn-Lange-Bauarbeiten-sorgen-fuer-Behinderungen-bei-U2-und-U4,ubahn786.html
 (DIR) [8] http://www.pro-stadtbahn-hamburg.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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