# taz.de -- Thriller „Don't Worry, Darling“ im Kino: Männer, die von Hausfrauen träumen
       
       > Der Spielfilm von Olivia Wilde kreiert ein 1950er-Jahre-Idyll. Es geht um
       > Unterdrückung von Frauen durch reaktionäre Kräfte.
       
 (IMG) Bild: Dem dunklen Geheimnis mit viel Action auf der Spur: Alice (Florence Pugh) in „Don't Worry, Darling“
       
       Es ist, als würde an diesem Ort immerzu die Sonne scheinen: Umgeben von
       gewaltigen Palmen liegt ein Schmuckstück von einer Kleinstadt, irgendwo in
       der kalifornischen Wüste. Ein schmuckes Heim reiht sich an den nächsten
       todschicken Bungalow. Jedes Haus ist von einem penibel gepflegten Vorgarten
       umgeben, auf jedem Grundstück parkt eine mit nicht weniger Sorgfalt
       polierte Corvette.
       
       Helle Farben, insbesondere sanfte Pastelltöne dominieren nicht nur das
       Stadtbild, sondern auch das Innenleben der Domizile. In ihnen spielen sich
       Leben ab, die an die Welt der [1][Serie „Mad Men“] erinnern. Die gut
       frisierten Damen tragen neben perfektem Make-up stets adrette
       Cocktailkleidchen und kümmern sich um den Haushalt, während ihre in
       elegante Anzüge gekleideten Ehemänner jeden Morgen in Reih und Glied zur
       Arbeit fahren.
       
       Jack Chambers (Harry Styles) und die von Florence Pugh mit einer
       Intensität, die an ihre Darbietung in [2][„Midsommar“] erinnert,
       verkörperte Alice sind eins der jungen Ehepaare, die sich im sogenannten
       Victory Project ein Bilderbuchdasein im Stile der 50er Jahre eingerichtet
       haben. Als besonders verliebtes, ständig übereinander herfallendes,
       kinderloses Pärchen sind sie die gutaussehenden Lieblinge ihrer Straße.
       
       Durch sie, vor allem aber durch Alices Augen wagt die auch als
       Schauspielerin bekannte Olivia Wilde in ihrer zweiten abendfüllenden
       Regiearbeit eine Rückkehr in die „gute alte Zeit“. Eine, die so gut
       natürlich niemals war. Insbesondere für Frauen, für die sie nicht mehr
       vorgesehen hatte als die Rolle der treusorgenden Gattin und Mutter. In die
       sich Ewiggestrige aber zurückzusehnen scheinen, wenn sie Feminismus als
       Projekt zur Unterdrückung der Männer verteufeln, oder sich „klare“
       Rollenverhältnisse wünschen, in denen sich die Frau in erster Linie um den
       Nachwuchs kümmert, während der Mann als Familienoberhaupt das Geld nach
       Hause bringt.
       
       ## Heile Welt als Fassade
       
       Als packender Psychothriller angelegt, macht „Don’t Worry, Darling“ bald
       klar, dass die heile Welt nur Fassade ist. Darum, was genau sie verhüllt,
       baut das Drehbuch von [3][Katie Silberman, die bereits für „Booksmart“ mit
       Wilde zusammenarbeitete], lange ein Geheimnis auf und begleitet
       Protagonistin Alice zunächst in ihrem von einer seltsamen Ideologie
       durchdrungenen Alltag – an dem sie aber dennoch Gefallen zu finden scheint.
       
       Gemeinsam mit ihren Freundinnen Bunny (gespielt von Wilde) und Peg (Kate
       Berlant) geht sie wahlweise auf ausgiebige Shoppingtouren oder zum
       Balletttraining, in dem Kursleiterin und Alpha-Ehefrau Shelley (Gemma Chan)
       ihre Teilnehmerinnen wiederholt mit einem ominösen Mantra konfrontiert,
       wonach in der Kontrolle die Schönheit sowie in der Symmetrie die Anmut
       liege, und sie so auf Einheit einschwört.
       
       Ihr Ehemann Frank (Chris Pine) ist Geschäftsführer des Victory Projects
       und wartet mit ähnlich kryptischen Losungen wie „Chaos ist der Feind des
       Fortschritts“ auf. Sie unterstreichen sein Auftreten als eine Art
       charmanten Sektenführer, zu dem sowohl die weiblichen als auch die
       männlichen Bewohner der Gemeinde aufsehen, dem sie imponieren und gefallen
       wollen.
       
       ## Zu viele Einfälle zugleich
       
       Obwohl dieses Vorspiel zur Einführung in die skurrile Welt von „Don’t
       Worry, Darling“ etwas zu lange dauert und ab einem bestimmten Punkt
       repetitiv wirkt, kreiert Kameramann Matthew Libatique („Mother!“) doch
       immer wieder attraktive Bilder, um sie darzustellen. Mehrmals formieren
       sich Frauen in synchronen Bewegungen zu einer großen Iris, was nicht nur
       früh darauf verweist, dass nicht alles, was das Auge sieht, auch Realität
       sein muss, sondern sich in Retrospektive auch als ein klug platzierter
       Verweis auf den späten plot twist herausstellt.
       
       Während Szenen wie diese in der visuellen Erzählweise des Films positiv
       hervorstechen, werden einfache Dialogsequenzen oftmals mit der
       gleichzeitigen Umsetzung zu vieler Einfälle belastet. Rasante Schnitte und
       Schwenks, auffallend häufige Wechsel zwischen Einstellungsgrößen und
       Perspektiven lenken mitunter vom Gesprochenen ab und erschweren zunächst
       ein echtes Eintauchen in den Film.
       
       Der Erzeugung einer dichten Atmosphäre dienlicher ist die stimmige
       akustische Untermalung, in der Komponist John Powell zeittypische
       Gute-Laune-Hits mit einem düsteren bis schrillen Klangteppich kontrastiert,
       der den bevorstehenden Schrecken heraufzubeschwören scheint.
       
       ## Erforschung „fortschrittlicher Materialien“
       
       Dieser zieht endgültig ein, als Alice die goldene Regel der Gemeinde
       bricht: Sie verlässt die für Frauen zugelassenen Wege und nähert sich dem
       Hauptquartier des Projekts, von dem nur die Ehemänner wissen, was darin vor
       sich geht. Von ihren Gattinnen auf ihren genauen Arbeitsalltag
       angesprochen, lautet die Antwort lediglich, dass es um die Erforschung
       „fortschrittlicher Materialien“ gehe. Da der Ort regelmäßig von kleinen
       Erdbeben erschüttert wird und Explosionen zu hören sind, liegt der Schluss
       nahe, dass es sich um eine geheime Militärmission handelt.
       
       Als Alice einen Blick durch die Fensterscheibe wirft und damit sozusagen
       gleich einer Eva vom Baum der Erkenntnis nascht, muss sie wie eine solche
       für ihren „Sündenfall“ bestraft werden. Anstatt in der Vertreibung aus dem
       vermeintlichen Paradies besteht sie in einem Prozedere, das sie vergessen
       lassen soll, was sie gesehen hat.
       
       Als sie dennoch immer wieder von Flashbacks heimgesucht wird und beginnt,
       die anderen Mitbewohner davon zu überzeugen, dass in der Gemeinde etwas im
       Argen liegt, versuchen sie die männlichen Anführer mit Pillen und
       Elektroschocks ruhigzustellen, um das Geheimnis des Projekts zu bewahren.
       
       Durch die mit den Mitteln des Horrors dargebrachte Kritik an männlicher
       Selbstherrlichkeit, die in misogynes Verhalten umschlägt, setzt Olivia
       Wilde zugleich zu einer Mahnung an. Sie hat mit den [4][Gefahren zu tun,
       die von der „Incel“-Bewegung ausgehen], beziehungsweise von besagten
       Ewiggestrigen: den Trumps, Orbáns und Putins dieser Welt samt ihrer
       Anhängerschaft, die sich eine Vergangenheit zurückwünschen, in der noch
       eine vermeintlich natürliche Hierarchie herrschte, in der Männern von ihren
       Frauen noch der „angemessene Respekt“ entgegengebracht wurde. Oder so etwas
       in der Art.
       
       ## Einen empfindlichen Nerv getroffen
       
       Die Kritik von „Don’t Worry, Darling“ ist angesichts klar erkennbarer
       filmischer Vorlagen wie „Die Frauen von Stepford“ zwar sicherlich keine
       ureigene, keine gänzlich neue. Durch eigens gesetzte Nuancen wird ihr
       allerdings ein aktueller Anstrich verliehen, der angesichts reaktionärer
       politischer Entwicklungen beispielsweise in Bezug auf das Recht auf
       Abtreibung in den USA und Ungarn gerade einen empfindlichen Nerv trifft.
       
       Umso bedauerlicher ist es, dass „Don’t Worry, Darling“ vom Tratsch über die
       Zerwürfnisse innerhalb des Casts, insbesondere zwischen Florence Pugh und
       der Regisseurin, sowie den Klatsch über die Beziehung zwischen Wilde und
       Harry Styles überlagert wird. Nicht zuletzt aufgrund des irritierenden
       Auftritts bei den [5][Filmfestspielen von Venedig, wo gerade
       Hauptdarstellerin Pugh] bei Promo-Veranstaltungen durch Abwesenheit
       glänzte.
       
       Wie sie selbst in einem Interview mit Harper’s Bazar erklärt, sei ein Grund
       dafür, dass sie sich von Presseterminen fernhalte, dass der Film seit
       Veröffentlichung des Trailers auf die Sexszenen mit dem überaus beliebten
       Popstar Styles reduziert werde. „Das ist einfach nicht das, was ich
       besprechen werde, weil [dieser Film] größer und besser ist als das“, führt
       sie aus.
       
       Man ist geneigt, ihr zuzustimmen – und sich zu fragen, warum man überhaupt
       das Risiko eingegangen ist, durch seine Personalie die Aufmerksamkeit vom
       Thema des Films abzulenken. An Styles’ teils sehr ungelenkem Spiel – seine
       Rolle sollte ursprünglich Shia LaBeouf übernehmen – kann es jedenfalls
       nicht gelegen haben. Allerdings liefert Olivia Wilde mit ihrem zweiten Film
       als Regisseurin eben nicht nur erneut kluges feministisches, sondern ein
       stark kommerziell orientiertes Kino ab. Und in dem sind Publikumsmagneten
       bekanntlich mitunter wichtiger als künstlerische Überlegungen.
       
       21 Sep 2022
       
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