# taz.de -- CSU geht in Klausur: Sommercamp der Atomkraft-Fans
       
       > Bei ihrer Klausurtagung bläst die CSU mal wieder kräftig die Backen auf.
       > Die Attacke gegen die Ampel konzentriert sich dabei auf deren
       > Energiepolitik.
       
 (IMG) Bild: Bad Staffelstein: Alexander Dobrind und Markus Söder
       
       Bad Staffelstein taz | Es ist heiß in Deutschland, und auch in Banz sind
       die 39 Grad schon erreicht, als Gastgeber Alexander Dobrindt und sein
       Parteichef Markus Söder am Mittwochmittag zum Auftakt der Klausurtagung der
       CSU-Landesgruppe vor das Kloster treten. Die Krawatte haben sie sich
       erspart, doch Anzug muss natürlich sein: Söder grau, Dobrindt blau.
       
       Die beiden stellen sich erst einmal oben an die Brüstung, Söder zeigt nach
       links, als wollte er Dobrindt die oberfränkische Landschaft zeigen. In
       Wirklichkeit steht dort, wo er hinzeigt, zwar nur ein Seitengebäude des
       Klosters, aber das sieht der Fernsehzuschauer ja nicht. Söder weiß, was er
       den Kameraleuten und Fotografen schuldig ist.
       
       Dann schreiten Söder und Dobrindt die Freitreppe hinab, unten vor den Rosen
       stehen auf dem Rasen zwei Mikrofonständer bereit. In der prallen
       Mittagssonne. Es sei schon paradox, sagt Söder, in dieser Hitze über die
       kälteste Jahreszeit zu sprechen. Aber: „Dieser Winter dürfte der härteste
       werden.“ Und was habe die Bundesregierung für Rezepte, um durch diesen
       Winter zu kommen? Keine. Die Ampel so attestiert ihr der bayerische
       Ministerpräsident, befinde sich in einer Selbstblockade.
       
       Jeden Tag gebe es neue Streitigkeiten, sagt Söder, „mehr als in anderen
       Koalitionen“. Ein Vergleich, der offenbar selbst ihm zu gewagt scheint,
       denn kaum in die Welt gesetzt, relativiert er ihn schon wieder: „Oder
       genauso viel.“
       
       ## Atomkraftwerke sind der Renner
       
       Auf die angebliche Planlosigkeit der rot-grün-gelben Regierung zielen Söder
       und Dobrindt ab, fordern „Mut zur Entscheidung“ ein. So heißt denn auch das
       Positionspapier, das die Landesgruppe bei ihrem Treffen verabschieden wird.
       Söder hat natürlich auch wieder schöne Bonmots mitgebracht. „Die Wahrheit
       liegt in der Gasleitung“, sagt er und spricht – freilich nicht zum ersten
       Mal – von der „Gas-Triage“.
       
       Dobrindt hat als neue Lieblingvokabel nur die „Vernunftsenergie“ im Gepäck.
       Die lässt er dafür reichlich in seine Ausführungen einfließen, mal setzt er
       sie in Gegensatz zur „Friedensenergie“ der Ampel, mal zur „Moralenergie“.
       Verfängt nicht ganz so gut.
       
       Die Bundesregierung habe immer behauptet, sie sei vorbereitet, wenn Putin
       den Gashahn abdrehe, sagt der Landesgruppenvorsitzende. Doch das sei
       mitnichten der Fall. Und dann, nach wenigen Sätzen nur, ist Dobrindt bei
       der zentralen Botschaft angelangt: der [1][Laufzeitverlängerung für
       Atomkraftwerke], die die Union so leidenschaftlich fordert.
       
       Atomkraftwerke sind aktuell der totale Renner – zumindest in der
       christsozialen Rhetorik gegen die Ampel. Ein zunehmend monothematischer
       Kurs, den die Partei da auf Bundesebene voller Verve einschlägt – und das,
       obwohl der von den verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerken produzierte
       Strom gerade mal sechs Prozent zum gesamten Energiemix beiträgt. Doch Söder
       und Dobrindt wähnen das Volk hinter sich. Die Mehrheit der Bevölkerung sei
       eindeutig für eine Verlängerung der Laufzeiten. Bisher vorgebrachte
       Sicherheitsgründe seien längst widerlegt, behaupten sie und verweisen auf
       ein selbst beim Tüv Süd in Auftrag gegebenes Gutachten.
       
       ## Tempolimit keine Option für Söder
       
       Und dass eine Verlängerung zum jetzigen Zeitpunkt zeitlich gar nicht mehr
       zu schaffen sei, sei ebenfalls widerlegt. Die CSU bezieht sich auf Aussagen
       des US-Herstellers Westinghouse, der angab, noch rechtzeitig neue
       Brennstäbe zur Verfügung stellen zu können. Das, so Dobrindt, habe die
       Bundesregierung gewusst und der Öffentlichkeit nicht gesagt.
       
       Ideologische „Hardlinigkeit“ wirft Söder der Regierung, besonders den
       Grünen, vor, scheut sich aber auch nicht, quasi im selben Atemzug darauf
       hinzuweisen, dass ein Tempolimit für die CSU natürlich nicht in Frage komme
       und dass es ein „unangemessener Kuhhandel“ sei, die beiden Maßnahmen in
       Verbindung zu bringen.
       
       Ein bisschen macht das Klausurtreffen am Ende den Eindruck eines
       Sommercamps radikaler Atomkraft-Befürworter. Fehlen nur die „Stoppt
       Habeck“-Buttons. Dafür dürfen prominente Geschwister im Geiste ins Kloster
       kommen und die CSU-Forderungen stützen. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika
       Grimm etwa, die sich ebenfalls dafür aussprach die AKWs länger am Netz zu
       lassen.
       
       Selbst der slowakische Ministerpräsidenten Eduard Heger, mit dem sich die
       Abgeordneten am Donnerstag über die Unterstützung der Ukraine unterhalten
       haben, wird hinterher für das Kernanliegen eingespannt und darf vor den
       Journalisten über die positiven Erfahrungen der Slowakei mit der Kernkraft
       berichten. Alles sicher, alles sauber, sagt Heger. „We are promoters.“
       Solche Gäste lobt sich Dobrindt.
       
       ## Partei kämpft gegen den Bedeutungsverlust
       
       Und natürlich Friedrich Merz. Der kommt am zweiten Tag der Klausur ins
       Kloster, wird von den Abgeordneten begeistert empfangen. Bei der
       Abschlusspressekonferenz wird auch er deutlich: [2][Technisch und
       juristisch sei eine Laufzeitverlängerung möglich], und politisch müsse sie
       gewollt sein. Dass er sie will, daran lässt Merz keinen Zweifel: „Die
       Dinger müssen weiterlaufen, weil wir den Strom brauchen.“ Ein
       Streckbetrieb, wie von manchen gefordert, ergebe nur dann Sinn, wenn man
       die dadurch gewonnene Zeit dafür nutze, neue Brennstäbe zu besorgen.
       
       Natürlich geht es für die CSU in Kloster Banz auch darum, sich in der
       Oppositionsrolle zurechtzufinden, die sich für viele der Abgeordneten auch
       nach sieben Monaten noch neu anfühlt.
       
       Opposition gegen die da oben in Berlin macht die CSU zwar seit jeher, bloß
       16 Jahre lang waren die da oben zum Teil die eigenen Leute. Was einen Söder
       freilich genauso wenig störte wie einen Seehofer oder Stoiber. Die
       Situation müsste nun eigentlich einfacher sein, könnte man denken.
       Schließlich gilt es nun gar keine Rücksichten mehr zu nehmen. Nur: Mit dem
       Verlust der Regierungsbeteiligung geht natürlich auch ein gewaltiger
       Bedeutungsverlust einher. Der lässt sich in der Partei bei aller
       traditionellen – oder nur noch rituellen? – Kraftmeierei nicht kleinreden.
       
       ## Söder konzentriert sich auf Bayern
       
       Gerade mal 15 Monate ist es her, da wähnte sich Söder noch als künftiger
       Bundeskanzler. Dass die CDU statt seiner dann doch Armin Laschet ins Rennen
       schickte, dürfte er bis heute nicht verwunden haben. Jetzt ist sein Platz
       tatsächlich in Bayern, wie er zuvor immer behauptet hatte. Die Auftritte
       auf der bundespolitischen Bühne werden seltener, das Interesse an den
       markigen O-Tönen aus dem Süden hat seit dem Ausscheiden der Union aus der
       Regierung stark abgenommen. Dafür hat man ja nun Friedrich Merz, der in der
       Union jetzt die erste Geige spielt – nicht immer harmonisch, aber laut.
       
       Nicht leicht, sich da zu positionieren. „Ich bin nicht der
       Oppositionsführer“, sagt Söder und lässt seit einigen Monaten wieder
       demonstrativ den bayerischen Landesvater raushängen. In Bayern will er im
       nächsten Jahr wieder gewählt werden, und die hiesigen Bierzelte und
       Trachtenumzüge sind dem Cola light trinkenden Anzugträger immer noch näher
       als Berliner Klein-Klein. Dafür gibt es Dobrindt.
       
       So verabschiedet sich Söder schon am Mittwochnachmittag wieder, überlässt
       Dobrindt und Merz die bundespolitische Bühne. Er muss zum Bayerischen
       Rundfunk. Dort sitzt der Parteivorsitzende am Abend in der Sendung „Jetzt
       red i“ – und macht sich für einen Weiterbetrieb der deutschen
       Atomkraftwerke stark.
       
       21 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Laengere-Laufzeiten-fuer-Atomkraftwerke/!5865750
 (DIR) [2] /Die-Wahrheit/!5865728
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) CSU
 (DIR) Alexander Dobrindt
 (DIR) Markus Söder
 (DIR) Klausur
 (DIR) Anti-AKW-Proteste
 (DIR) Strommarkt
 (DIR) Friedrich Merz
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Viktor Orbán
 (DIR) Anti-Atom-Bewegung
 (DIR) AKW
 (DIR) CSU
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Anti-Atom-Radtour: Kein Zurück in die Zukunft
       
       Auf einer Tour entlang der letzten Atomkraftwerke feiern Umweltschützer
       den Ausstieg. Von Brokdorf bis Wyhl besuchen sie Schauplätze alter Kämpfe.
       
 (DIR) Nur 12 Prozent vom Gas für Strom: Atomkraft? Braucht es nicht
       
       Der TÜV meint, stillgelegte AKW könnten schnell wieder genutzt werden. Doch
       es gibt effizientere Wege, Gas zu sparen, als Laufzeiten zu verlängern.
       
 (DIR) Debatte um Atomkraftwerke: Merz will Brennstäbe kaufen
       
       CDU-Chef Merz fordert, neue Brennstäbe für drei Atomkraftwerke beschaffen,
       damit diese länger laufen können. Der TÜV geht sogar noch weiter.
       
 (DIR) Laufzeitverlängerung der Isar 2: Münchner Grüne wanken
       
       Der Strommangel in Bayern beflügelt die Debatte über eine
       Laufzeitverlängerung. Aber nur solange keine neuen Brennelemente notwendig
       werden.
       
 (DIR) Politologe über die Christdemokratie: „Der alte Geist lebt weiter“
       
       Welche Rolle spielt Katholizismus heute für konservative Politik in Europa?
       Der Politologe Fabio Wolkenstein über die Schattenseiten der
       Christdemokratie.
       
 (DIR) Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke: Mehr Kompromisse wagen
       
       Trotz Energiekrise schließen die Grünen längere Laufzeiten für
       Atomkraftwerke aus. Doch ihre Prinzipientreue ist nicht souverän, sondern
       stur.
       
 (DIR) Streit über AKW-Laufzeiten: Neues von der Scheindebatte
       
       Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke wäre laut Experten wenig
       lukrativ. Nach Druck aus der Opposition wollen die Grünen das trotzdem
       prüfen.
       
 (DIR) Markus Söders Kampf um Aufmerksamkeit: Rückfall in alte Muster
       
       Wegen seines Bedeutungsverlusts gibt Söder wieder den schneidigen
       Populisten. Es zeigt sich: Seine vormalige Läuterung war rein taktisch
       motiviert.