# taz.de -- Sankt Pauli ausgestellt in Stade: Moonboots im Museum
       
       > Der Kiez, wie Gegenkultur-Fotograf Günter Zint ihn sieht: Das havarierte
       > Sankt-Pauli-Museum hat in Stade eine Art Asyl auf Zeit erhalten.
       
 (IMG) Bild: Definitiv wieder tragbar: Jacke aus dem „Salambo“, 1980er-Jahre
       
       Beim Reinkommen winken uns Katzen zu: drei kleine asiatische Winkekatzen
       aus Plastik in einer Vitrine. Eigentlich, so lesen wir, begrüßen sie
       Besucher*innen der „Freien Republik Behrste“. – Behrste ist ein Flecken
       im Landkreis Stade, und Freie Republik nennt [1][der Fotograf Günter Zint]
       das Gehöft, auf dem er selbst, aber vor allem seine Bestände untergekommen
       sind – darunter auch die Exponate aus dem Sankt Pauli Museum.
       
       Das hatte sich ab 1991 fast 30 Jahre lang vorgenommen, die wechselvolle
       Geschichte von Deutschlands vielleicht bekanntestem Stadtteil zu
       dokumentieren, und wer Zint kennt, diesen [2][Chronisten von Beatles-Mania
       bis Brokdorf-Protest, von Rotlicht und Revolte], der hat eine Vorstellung,
       mit welchen Akzenten diese Geschichte da geschrieben wurde.
       
       Dieses Museum, das Ende 2020 den Betrieb einstellte, ist inzwischen selbst
       Museumsstück: Seit dem vergangenen November zeigt der Schwedenspeicher in
       Stade [3][„Der Rest vom Fest … nicht das Ende vom Lied“]. Der Titel passt
       zum etwas scheckigen Schicksal des Museumsprojekts, aber mindestens so sehr
       auch zu dem des ganzen Stadtteils, der ja ein Objekt geworden ist für
       allerlei Gentrifizierungs-Begierden.
       
       ## Dinge zum Nicht-Anfassen
       
       Strukturiert in acht Stationen – den diversen Standorten des Zint’schen
       Museums – geht es da nun um legendäre Vergnügungstempel, havarierte
       Großbordell-Projekte oder den Häuserkampf nicht nur in der Hafenstraße.
       Neben den zu erwartenden Zint-Fotos passiert das auch über richtige
       Objekte, die ihm über die Jahrzehnte zugingen oder -fielen; Gegenstände und
       Dokumente, die man anfassen könnte, wenn man es denn dürfte: Kostüme des
       [4][Travestie-Stars Sylvin Rubinstein] und die Registrierkasse aus der
       Kneipe Zum Silbersack, ein [5][echt Khüol'scher Keramik-Reliefkopf] von der
       Fassade des Polizeireviers Davidwache und ein Kondomautomat aus dem
       Star-Club, ach ja: auch ein Paar der lange für die Straßenprostitution so
       typischen Moonboots.
       
       Es ist schon auch Kiezromantik – oder, je nach Geschmack -kitsch – zu sehen
       im denkbar anderen Ambiente des einstigen Provianthauses aus dem
       30-jährigen Krieg. Je nachdem, wie die Besucher*in steht, kann sie den
       Blick auch in die nächste Etage werfen, in die Dauerausstellung des
       Schwedenspeichers – dann schiebt sich schon mal das Modell einer Hansekogge
       ins Bild.
       
       ## Zukunftsmodell Tournee?
       
       Zweimal verlängert wurde die Laufzeit der kleinen Ausstellung, derzeit soll
       Ende Juni Schluss sein, aber wer weiß: Vielleicht steckt hier eine Zukunft
       drin für das beinahe immer prekär aufgestellte Sankt Pauli Museum? Der
       Appeal der ungefähr zweieinhalb Quadratkilometer Projektionsfläche: Steigt
       der nicht noch mit der Entfernung vom echten Stadtteil in all seiner ja
       teils auch ganz schön elendigen, von Armut gezeichneten Wirklichkeit?
       
       So wie also der deutsche Südwesten lange in den Genuss [6][eines dubiosen
       Pseudo-Fischmarkts] kam (und Hamburg dafür [7][ein „Stuttgarter Weindorf“
       beherbergte]), so könnte doch auch Sankt Pauli, wie Günter Zint es sah,
       durch die Lande geschickt werden, Tourist*innen kobern. Höher im Kurs
       als das, also: die Fremdenverkehrsförderung, steht im heutigen Hamburg ja
       nur noch der ganz und gar nicht romantische Hafen: der mit den Containern.
       
       29 Apr 2022
       
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