# taz.de -- Oberbürgermeisterin gegen den Rat: Kunsthalle Osnabrück bedroht
       
       > Zwar nicht gleich abschaffen, aber „integrieren“: Osnabrücks
       > Oberbürgermeisterin Katharina Pötter will der dortigen Kunsthalle an den
       > Kragen.
       
 (IMG) Bild: Kein Kommentar zum Rathauspersonal: Filip Markiewicz’ „Impeach“ war 2019 in der Kunsthalle zu sehen
       
       Osnabrück taz | Zauberworte sind beliebt in der Politik. Eins, das derzeit
       boomt: „Dritter Ort“. Neben seinem Zuhause und seinem Arbeitsplatz, mahnt
       es, braucht der Mensch einen Ort, um Gemeinschaft zu leben, Stresslast
       abzubauen, Entfremdung zu heilen. Viele Kommunen bemühen sich daher,
       „Dritte Orte“ zu schaffen.
       
       Auch Katharina Pötter (CDU), seit Ende 2021 Oberbürgermeisterin von
       Osnabrück, hat einen neuen Dritten Ort ins Gespräch gebracht, „im Herzen
       unserer Altstadt“, mit „Kultur, einer großen Bibliothek und viel Raum zum
       Verweilen und für Begegnungen“. Da, wo sie ihn sich vorstellt, existiert
       allerdings schon etwas, seit Anfang der 1990er: die Kunsthalle. Die müsste
       dann weg. Oder sich verkleinern. Beides wäre ein Profilverlust für die
       Stadt.
       
       Ihr gehe es „nicht darum, die [1][Kunsthalle abzuschaffen]“, sagt Pötter
       der taz, „sondern sie in ein größeres Konzept zu integrieren“. Die Halle
       habe „großartiges Potenzial“, aber man müsse „mehr Besucher“ interessieren.
       Sie frage sich, so Pötter, „ob wir mit dem aktuellen Konzept wirklich noch
       die überregionale Strahlkraft erzeugen, die wir schon einmal hatten“. Mit
       den „nackten Zahlen“ könne man „nicht zufrieden sein“.
       
       Und dann rechnet sie auf: einerseits 1,3 Millionen Euro Gesamtkosten pro
       Jahr, bei zehn Stellen. Andererseits im Vor-Corona-Jahr 2019 nur 18.000
       Besucher:innen. In jenem Jahr wechselte die bisherige Direktorin Julia
       Draganović nach Rom, die Nachfolgerinnen Juliane Schickedanz und Anna Jehle
       kamen erst 2020.
       
       ## Fragwürdige Zielvorgabe
       
       „Der Vorschlag ist also in der Welt, nun kann diskutiert und geprüft
       werden“, sagt Pötter. Ein Arbeitsauftrag, den Fortbestand einer der
       namhaftesten Kulturinstitutionen ihrer Stadt infrage zu stellen. Pötters
       Zielvorgabe für ihren Dritten Ort: mehr als 250.000 Gäste im Jahr.
       
       Bloß: Über diese Schwelle kommt derzeit in Osnabrück keine kulturelle
       Einrichtung, heißt es bei der Stadt. Das meistbesuchte Museum ist stets das
       Museum für Natur und Umwelt mit mal knapp unter, mal etwas über 100.000
       Besucher:innen. Die Stadtbibliothek liegt meist bei klar über 200.000, in
       die Kunsthalle kamen vor der Pandemie zuletzt jeweils etwa 20.000 Menschen
       im Jahr.
       
       Elisabeth Lumme, Leiterin des avantgardistisch-experimentellen Osnabrücker
       Kunstraums „hase29“, versteht den Vorstoß der Oberbürgermeisterin nicht.
       Die Architektur des gotischen Kirchenschiffs, das den Kern der Halle
       bildet, habe „vielfach zu einmaligen, sehr spezifischen künstlerischen
       Interventionen geführt“, auf die Osnabrück „stolz zurückblicken“ könne.
       
       „Den architektonischen Raum für Kunst aufzugeben oder im Volumen zu
       beschneiden, hieße, diese Qualitäten zu opfern“, sagt Lumme, „ohne zu
       wissen, ob das alternative Konzept eines Dritten Ortes wirklich eine Chance
       hat.“
       
       Überhaupt werde das gesellschaftlich relevante Potenzial bildender Kunst
       „leider häufig unterschätzt“, sagt Lumme. „Es wäre sehr bedauerlich, wenn
       das auch für die Kunsthalle gelten würde, [2][Osnabrück wäre um einen
       inspirierenden Ort ärmer].“ Eine Halle für zeitgenössische Kunst erreiche
       „selten die Massen“. Aber: „Trotzdem ist sie sehr wichtig im Kultur- und
       Bildungsangebot einer Großstadt wie Osnabrück.“
       
       Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat der Stadt Osnabrück,
       sieht das ähnlich: Die Kunsthalle sei „der wichtigste Ausstellungsraum für
       zeitgenössische Kunst in Südwestniedersachsen“. Statt sie infrage zu
       stellen, solle man „das neue Kuratorinnen-Duo bei seinem Vorhaben
       unterstützen, die Kunsthalle noch mehr zu einem lebendigen Ort kultureller
       Verständigung zu machen“.
       
       Grundsätzlich findet der Grüne die Idee eines Dritten Orts gut – aber der
       Standort sei ungeeignet. Der Rat werde keiner Umwidmung der Halle
       zustimmen: „Die Mehrheitsgruppe Grüne/SPD/Volt ist hier klar“, sagt Bajus.
       „Dafür wird es keine Mehrheit geben“, bestätigt Heiko Schlatermund,
       Sprecher für Kulturpolitik der SPD-Ratsfraktion. Er kann die Äußerungen der
       Oberbürgermeisterin „weder nachvollziehen noch teilen“.
       
       Der taz sagt er: „Ich halte nichts davon, die [3][Kunsthalle] einzuhegen
       oder zu beschneiden. Ich bin für eine weitere Entwicklung zu einem
       bedeutenden Standort für zeitgenössische Kunst und Kultur.“ Für ihn schreie
       dieser Ort nach mehr Entfaltung. „Aber eben als eine Kunsthalle und nicht
       als einen Dritten Ort, wofür das Gebäude überhaupt nicht geeignet ist.“
       Pötters Vorstoß sei ein Alleingang: „Eine Diskussion dazu hat es mit den
       Kulturpolitikern jedenfalls nicht gegeben.“
       
       Auch die Freunde der Kunsthalle Osnabrück, ein Verein, der die Halle
       finanziell und ideell unterstützt, sind konsterniert. Der Vorschlag aus dem
       Rathaus zeuge „von Unkenntnis“, erklärt man „mit Empörung“. Pötter habe
       sich geäußert, „offensichtlich ohne die Arbeit der Kunsthalle zu kennen und
       das Gespräch gesucht zu haben“.
       
       Die so gescholtene Politikerin Pötter kontert: Ihr Unkenntnis vorzuwerfen,
       zeige, wie weit manche Kritiker „sich von der Realität der Stadt entfernt
       haben“. Statt sich gegen sie zu stellen, solle der Verein mit ihr lieber
       eine „Modernisierung des Konzeptes anstreben“. Die Kunsthalle müsse den
       Anspruch haben, „nicht nur für eine kleine Fachwelt zu produzieren, sondern
       für die Bürgerinnen und Bürger, die sie mit ihren Steuern finanzieren“.
       
       ## Oft intellektuell verstiegen
       
       Sicher: [4][Die derzeitig in der Halle gezeigte Kunst erschließt sich
       mitunter schwer], versteigt sich oft intellektuell – Anspruch und
       Wirklichkeit klaffen da auch schon mal auseinander. Aber ihr Programm zu
       popularisieren, das wäre kleingeistig. Und verspräche es überhaupt Erfolg?
       
       Das Thema, schon in Pötters Wahlkampf ein Aufreger, hat Sprengkraft. Viele
       Beteiligte halten sich auffallend bedeckt. „Die Äußerungen unserer
       Oberbürgermeisterin Frau Pötter möchte ich nicht kommentieren“, sagt etwa
       Brigitte Neumann, kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Auch Pötter
       selbst ist nicht wirklich offen. Ein persönliches Gespräch, von der taz
       angefragt, kommt nicht zustande, Detailfragen bleiben unbeantwortet,
       mehrmaliges Nachhaken ist nötig.
       
       Auch die Kunsthallen-Leiterinnen Jehle und Schickedanz, von der taz um
       Kommentierung gebeten, müssen schweigen. Wer spricht, ist Wolfgang
       Beckermann, Osnabrücks Erster Stadtrat, zuständig für Bildung, Soziales,
       Kultur: „Die Arbeit der Kunsthalle findet im Rahmen der von den städtischen
       Gremien in der Vergangenheit festgelegten kulturpolitischen Ausrichtung
       statt.“ Heißt wohl: Alles bleibt beim Alten.
       
       Vorerst.
       
       3 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ausstellung-Barrierefreiheit/!5784714
 (DIR) [2] /Museumsdirektor-ueber-das-Moeglich-Machen/!5638642
 (DIR) [3] https://kunsthalle.osnabrueck.de/
 (DIR) [4] /Osnabruecker-Ausstellung-Enttaeuschung/!5706505
       
       ## AUTOREN
       
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