# taz.de -- Osnabrücker Künstler zieht Bilanz: In Monkes wilder Höhle
       
       > Der Bildhauer Herbert Rauer alias Monke zieht Bilanz. Eine Retrospektive
       > in einer Ex-Dönerbude passt zu ihm. Osnabrücks Kunsthalle wäre
       > angemessener.
       
 (IMG) Bild: Gegenstände sind mal Pimmel, mal Päpste, mal Politiker: Monke macht vieles zu Kunst
       
       Osnabrück taz | Von außen wirkt Monkes Atelier wie eine Festung. Ein
       schrundiges, graues Stahltor voller Graffiti. Winzige, vergitterte Fenster,
       die jeden Blick abblocken. Eine Klingel, die aussieht, als sei sie außer
       Betrieb. Wer sie drückt, liest zugleich Monkes wirklichen Namen: Herbert
       Rauer. Später, in seinem verlieshaften Keller, gefüllt mit Erinnerungen,
       wird er die Geschichte erzählen, wie es zu diesem seltsamen Namen gekommen
       ist: Monke.
       
       Aber erst mal beginnen wir oberirdisch. Mit einer [1][Zeitreise durch seine
       Kunst]. Es ist eine Reise durch eine wilde, bizarre, oft sehr düstere Welt,
       eine Welt der Skurrilitäten und Sarkasmen, des subversiven Hintersinns.
       Monke liebt die Provokation, die bitterschwarze Morbidität. Skulpturen aus
       bemaltem Alu-Blech umgeben uns. Gewaltige Leinwände. Keramiken,
       Tuschezeichnungen. Sie hängen, liegen, stehen überall. Wer nichts Obszönes
       verträgt, schließt besser die Augen. „Probier mal!“, sagt Monke und stellt
       sich vor einen Spiegel. Betrachtet sich.
       
       Und dann ist da plötzlich, schockhaft, augenblickskurz kein Spiegelbild
       mehr. Nur dieser Totenschädel, blutrot. Wer diesen Anblick aushält, weiß:
       Du stirbst, während du noch lebst. Monkes höhlenhaftes Atelier wirkt
       chaotisch, hat aber Ordnung. Wer ein bisschen sucht, entdeckt schnell die
       Arbeiten, nach denen die drei Akte der Retrospektive benannt sind, die
       Monke von März bis Juni in einen Ex-Dönerpavillon in Osnabrücks City
       improvisiert: „Alles Banane“, „Hot Love“ und „Vergiss es“.
       
       Die Banane ist raumhoch, ein beklemmendes, surreales Monster aus
       Alustreckgitter und synthetischem Gips, aus dessen tentakelhaften
       Schalenstreifen ein gewaltiges Rückgrat aufragt, mit Rippen und Brustbein.
       Die heiße Liebe ist ein Wortkreuz, gemeißelt aus schwarzem Diabas, einem
       untermeerischen Vulkangestein. Und das Vergessen greift uns in der
       Latexmaske „Ich 2056“ ans Herz. Mit der hat sich Monke um 50 Jahre gealtert
       für seinen „Closed Eyes“-Zyklus aus monumentalen, tiefschwarzen
       Keramikreliefs von Augenlidern.
       
       In einem früheren Leben war Monke Steinmetz, Steinbildhauer. „Da machst du
       dann Madonnen, Tag für Tag“, sagt er und lehnt sich an seinen silbrigen
       Brennofen. Aber wer je eines seiner „Hautbilder“ gesehen hat,
       herausfordernde Nacktheit, sinnlich, hoch sexualisiert, weiß: Mit
       Gewöhnlichkeiten, Spießigkeiten, Süßlichkeiten hat Monke nichts im Sinn.
       Hart wird es bei ihm, bohrend. [2][Tabus gibt es nicht.]
       
       Warum Monke macht, was er macht? Er denkt nach lächelt, feinnervig. „Ich
       hab’ halt immer experimentiert.“ Das trifft's. Da ist dieser
       madenzerfressene Körper mit den leeren Augenhöhlen. Da sind die
       fleischfarbenen Keramiken „Fette Masse“, die irgendwas zwischen Sumo-Ringer
       und Eingeweide zeigen. Da ist die Quadriga vom Brandenburger Tor, die Monke
       als Miniatur nachmodelliert hat, im Auftrag der Stadt Berlin. „Die Dinger
       wurden dann im Pergamon-Museum in vergoldeter Bronze an Typen wie Erdoğan
       und Hamid Karzai verschenkt“, winkt er ab. „Da stand dann deren ganzes
       Gefolge rum, Bodyguards und so. Total schräg.“
       
       Im Jahr 2009 kommt das, was Monke seinen „Durchbruch“ nennt: Die
       Rekonstruktion des [3][1944 zerstörten Ceresbrunnens] von Ulfert Jannsen,
       für die Stuttgarter Markthalle, aus Majolika. Ein gewaltiger Auftrag. Monke
       macht sich selbstständig. Wer heute seine Werkstoffe auflisten will, trifft
       auf Neon Sandstein, Marmor, Silikon und Fleischwurst. Wer sich in Monkes
       Atelier bewegen will, braucht Körperbeherrschung. Klemmzwingen und
       Spanngurte, Gipseimer und Gummihandschuhe, Spraydosen, Ohrenschützer,
       Scheinwerfer. Alles eng an eng, dicht an dicht. Schränke, Schubladen,
       Regalbretter bis an die Decke. Töpfchen, auf denen Sachen stehen wie
       „Umbra-Grün“ und „Spinell-Schwarz“, „Aushärtungsbeschleuniger“ und
       „Dichtungshanf“. Dazwischen ein Kinski-Kopf in Silber, ein erigierter
       Penis in Gold, ein Mops in Neonblau.
       
       Dazwischen, hoch oben an der Wand, ein fast fotorealistischer Handschlag
       zwischen Johannes Paul II. und Fidel Castro. Dazwischen skulpturale
       Gesichter mit aufgerissenen Mündern und panischen Augen. Dazwischen ein
       Megafon und ein Stapel Verkehrskegel, eine selbstgebaute schwarze Geige.
       Monke macht einen uralten Spielekarton auf. „Babuschka“ steht drauf. „Da
       sind jede Menge Arschlöcher drin!“, sagt Monke, und das stimmt auch. Ganz
       wörtlich. Schön modelliert. „Gibt halt viele Arschlöcher auf der Welt!“,
       sagt Monke. Und dass die Absauganlage gerade kaputt ist. „Brauchst du für
       Quarzstaub!“ Dann geht es runter in den Keller. Die Treppe ist eng und
       steil und gewunden und beginnt gleich hinter der Tür. Wer den Kopf nicht
       einzieht, prallt unten auf Schaumstoff. Dunkel ist es hier unten, in den
       Eingeweiden. Trommeln stapeln sich hier, ein Keyboard, ein Mischpult, ein
       Verstärker mit Mikro drauf. Alles schon ein bisschen verstaubt, aber alles
       doch sehr lebendig. „Hier kannst du richtig Krach machen!“, sagt Monke. Man
       merkt: Er mag das, auch sinnbildlich. Außerdem experimentieren manche
       seiner Arbeiten mit Sound.
       
       Hier unten steht auch der „Teufelskreis der Scheiße“, knapp einen
       Quadratmeter groß: Ein flammend roter, triumphierend lächelnder
       Hörnerträger, um ihn eine Gloriole aus Kothaufen. „Gibt halt viel
       Scheiße“, sagt Monke. Und dann, plötzlich, ist da diese Toilette, mitten im
       Raum. Sieht fast aus wie ein Kunstwerk, ist aber keins.
       
       Nebenher erzählt Monke, wie das kam, mit seinem seltsamen Namen: „Ich war
       das jüngste von sechs Kindern. Bei Weitem das jüngste. Also hieß ich Mon
       petit, mein Kleiner. Das hat sich irgendwie verselbständigt.“ Monke ist ein
       Charakterkopf, und viele wie ihn gibt es nicht. Unbeugsam wirkt er,
       rebellisch, dünnhäutig, hellsichtig. Man spürt: Monke hat nicht nur Schönes
       gesehen; und jetzt zieht er Bilanz.
       
       Von Berlin bis Hamburg hat Monke ausgestellt, von Frankfurt am Main bis
       Köln. Aber Osnabrück hat ihn nie so richtig zu schätzen gewusst. Klar, der
       Dönerpavillon ist witzig für eine Rückschau, aber zugleich ist er winzig.
       Die Schätze aus Monkes wilder Höhle würden eine große Schau in der
       [4][örtlichen Kunsthalle] füllen. Verdient hätte er’s.
       
       26 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.monke-herbert-rauer.de/
 (DIR) [2] /Die-Lust-am-Skandal/!679398/
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ceresbrunnen_(Stuttgart)
 (DIR) [4] /Oberbuergermeisterin-gegen-den-Rat/!5842804
       
       ## AUTOREN
       
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