# taz.de -- Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“: Anschlagsopfer außen vor
       
       > Die Stadt Mölln will ein Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“
       > aufbauen. Betroffene kritisieren, dass sie nicht in die Planung
       > einbezogen sind.
       
 (IMG) Bild: Die Stadt Mölln gedenkt schon länger der Opfer des Brandanschlags, hier 2017
       
       Hamburg taz | „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich
       dafür, dass es nicht mehr geschieht.“ Mit diesem Zitat des
       Schoah-Überlebenden Max Mannheimer überschreibt die Stadt Mölln den
       Infoprospekt für ein neues Vorhaben: Ein Netzwerk von [1][Tatorten
       rassistischer Gewalt] in Deutschland soll entstehen.
       
       Gemeinsam mit anderen Städten, in denen in den vergangenen Jahren und
       Jahrzehnten rassistisch oder rechtsextrem motivierte Anschläge verübt
       wurden, will Mölln das Vorhaben umsetzen. Am Donnerstag und Freitag findet
       dazu in der Kleinstadt im Kreis Lauenburg das Auftakttreffen statt.
       
       Ein Netzwerk „professioneller Mahn- und Lernorte“ soll geplant und
       realisiert werden, heißt es in dem Prospekt. Alle diese Orte und Taten
       müssten in einen Zusammenhang gestellt werden, „der über das Mahnen oder
       Gedenken hinausgeht“, heißt es weiter. Unter anderem sind
       Vertreter:innen der Städte Hanau, Rostock, Hoyerswerda und Solingen
       eingeladen, um an dem Austausch teilzunehmen und erste Ideen zu
       beratschlagen.
       
       Nicht eingeladen sind hingegen die Betroffenen und Angehörigen der Opfer
       selbst. Das kritisiert [2][Ibrahim Arslan]. Er ist einer der Überlebenden
       des Mordanschlags von Mölln. In der Nacht zum 23. November 1992 verlor er
       seine Großmutter Bahide Arslan, seine Schwester Yeliz Arslan und seine
       Cousine Ayşe Yılmaz bei dem rassistisch motivierten Brandanschlag. Arslan
       engagiert sich seit vielen Jahren in der Antirassismus-Arbeit.
       
       ## Nur ein Angehöriger eingeladen
       
       Lediglich sein Vater sei vor geraumer Zeit zu dem zweitägigen Austausch
       eingeladen worden. „Ansonsten wurde niemand aus meiner Familie über die
       Veranstaltung informiert und auch keine Familienangehörigen aus den anderen
       Städten wurden eingeladen oder wissen von diesem Vernetzungstreffen“, sagt
       der 36-Jährige. „Die Grundvoraussetzung für ein solches Treffen sollte
       sein, dass alle Betroffenen einbezogen werden“, sagt er weiter.
       
       Dabei gehe es nicht nur um die Betroffenen aus Mölln, sondern auch um die
       Angehörigen der Opfer aus Hanau und anderen Städten. Nur einen einzigen
       Betroffenen einzuladen, um sagen zu können, man habe jemanden aus den
       Familien dabei, reiche nicht aus, so Arslan.
       
       Möllns Bürgermeister Jan Wiegels (SPD) sagt am Telefon, bei diesem ersten
       Treffen seien wahrscheinlich keine Betroffenen dabei, auch wenn man eine
       Person aus Mölln eingeladen habe: „Wir wollen uns erst mal als Städte
       austauschen und gucken, ob diese Idee trägt.“ Zu Beginn wolle man über
       organisatorische Dinge sprechen und noch nicht über konkrete Inhalte. Daher
       seien zum Auftakttreffen keine weiteren Betroffenen eingeladen worden.
       
       Dass dafür aber Bundestagsabgeordnete wie Nina Scheer (SPD) als auch
       Landtagsabgeordnete eingeladen sind, wirft Fragen auf. „Es sollen auch
       Bundesgelder in das Projekt einfließen“, sagt Bürgermeister Wiegels dazu.
       Nina Scheer sagt auf taz-Anfrage, sie gehe davon aus, dass der „Austausch
       unter Einbindung der Betroffenen Bestandteil des Konzeptes und somit
       enthalten“ sei. In der Einladung an die Gäste heißt es, man wünsche sich,
       auch Betroffene aus den jeweiligen Städten begrüßen zu dürfen. Warum diese
       bei dem Auftakttreffen nun doch nicht dabei sein werden, ist unklar.
       
       ## Betroffene sollen „im nächsten Schritt“ einbezogen werden
       
       Bürgermeister Wiegels verweist auf den Verein „Miteinander leben“, der nach
       dem Brandanschlag 1992 gegründet wurde und das Netzwerktreffen in Mölln
       mitorganisiert. Ibrahim Arslan sagt aber, er und andere Betroffene aus
       Mölln fühlten sich von dem Verein nicht repräsentiert: „Sie kooperieren
       weder mit meiner Familie noch haben sie uns in irgendeiner Form unterstützt
       oder uns Zugang zu ihrer Begegnungsstätte gewährt“, so Arslan.
       
       Bürgermeister Wiegels versichert, im nächsten Schritt sei aber geplant,
       auch Betroffene zu involvieren: „Wenn es darum geht, wie man das inhaltlich
       ausgestaltet, wird das natürlich nur mit den Betroffenen zusammen gehen.“
       
       Ibrahim Arslan hätte sich dennoch einen Beteiligung von Beginn an
       gewünscht: „Betroffene und Angehörige sind keine Statisten, sondern die
       Hauptzeugen des Geschehenen. Aus diesem Grund sollte man sie immer mit
       einbeziehen“, fordert er.
       
       19 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Brandanschlag-in-Luebeck-1996/!5741659
 (DIR) [2] /Tribunal-zur-NSU-Mordserie/!5406634
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simeon Laux
       
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