# taz.de -- Die Kunst der Woche in Berlin: Am extraordinären Ort
       
       > Die Ausstellung „Gewand in drei Akten“ im Mies van der Rohe Haus ist
       > zeitlos. Und Cecily Brown wandelt auf düsteren Spuren durch den Blenheim
       > Palace.
       
 (IMG) Bild: Martha Lemke (re.) mit Besucherin auf der Terrasse des Mies van der Rohe Hauses, 1933
       
       Sich an Ostern schnelltesten zu lassen war ein Ding der Unmöglichkeit. Die
       elenden Warteschlangen an den paar Apotheken in der Nähe ließen nichts
       Gutes ahnen. Also stellte sich die Frage nach Alternativen. Und eine
       unbedingt empfehlenswerte Antwort lautet: Besuchen Sie das [1][Mies van der
       Rohe Haus] in Lichtenberg.
       
       Dank des wunderbaren Gartens und der Fenster, die Mies zu diesem Garten hin
       als Glaswände gestaltet hat, ist „Gewand in drei Akten“ auch vom Freien aus
       ganz wunderbar zu erleben. Die Ausstellung verbindet auf Schönste die
       Imagination der Kunst mit den phantastischen Funden der Forschung.
       
       Im großen Gartenzimmer ist Stef Heidhues’ Installation „Untitled“ aus dem
       Jahr 2020 zu sehen. Die 1975 in Washington D.C. geborene Künstlerin, die
       bei Franz Erhard Walther studierte, drapiert über ein schwarzes
       Metallgestänge schneeweißes und naturfarbenes Leinen überlappend
       übereinander, wobei die Leinwände in je eigene abstrakte Formen geschnitten
       wurden. Zwei neongrüne Haltegurte verankern das Wandrelief, das vom
       Spannungsverhältnis von Linie und Fläche lebt und Alexander Calders Mobiles
       in Erinnerung ruft oder Marcel Breuers aus Leisten und Flächen gebaute
       Stühle und Sessel, dezidiert im Heute.
       
       Die Wand des kleinen Gartenzimmers bedeckt eine schwarzweiße Fototapete,
       die paradiesische Nackheit inmitten der Natur zeigt, wie sie Max Pechstein
       1912 für die Wandbespannung des Speisezimmers im Haus Perls gemalt hat, das
       Mies van der Rohe kurz zuvor in Berlin-Zehlendorf fertig gestellte hatte.
       
       Auf dem Beistelltisch MR515 von 1928 liegt die Forschungsarbeit in der
       Annika Weise, neben Dominik Olbrisch und Jan Maruhn eine der
       Kurator:innen der Schau, der Geschichte der Wanddekoration nachgeht.
       Mit ihr artikuliert Pechstein erstmals ganz deutlich eine expressive
       reduzierte Formensprache. Das „Gewand“ der Wand im Haus Perls zeigte, wie
       Weise herausfand, „Ocker, gebrannte Siena und Grün als Erdfarbe zu
       violetten Türen“ und gilt heute als verschollen.
       
       Im Damenzimmer schließlich trägt eine Schneiderbüste das weiße Kleid, das
       man auf einer Fotografie an der Wand wiedererkennt. Die Aufnahme stammt vom
       Bauhäusler Howard Dearstyne und sie zeigt 1933 Martha Lemke, die
       Hausherrin, in eben jenem Kleid mit einer Besucherin auf der Terrasse ihres
       im Jahr davor bezogenen Hauses. Auch das Gewand des dritten Raums, ein
       zeitlos modernes Sommerkleid, vom Typ Tenniskleid, ist eine
       Forschungsarbeit. Es wurde nach der Fotografie peinlichst genau
       rekonstruiert, nicht nur von der Form, mit den angeschnittenen Ärmeln,
       sondern auch von den zwei verwendeten Stoffen her.
       
       ## Von Buschallee bis Blenheim Palace
       
       Ein phantastischer Fund, nicht der Forschung, nur der schnöden Neugierde
       und des Zufalls: zu ihm führt der Abstecher von der Oberseestraße zur
       Buschallee. Eigentlich geht es nur um die Bruno Taut-Häuser mit den
       breiten, kastenartig ausgeführten Loggien. Aber durch einen der Durchgänge
       nach hinten gegegangen, zu den sogenannten Grünflächen, steht man völlig
       verblüfft vor einem riesigen Areal vollkommen verfallener Häuser und
       monumentaler Gebäude mit hochaufragendem Schornstein. Man weiß nicht, ist
       das Wirklichkeit? Oder ist man auf ein Filmset geraten? Das wäre dann
       freilich ein extrem überzeugendes Ruinenkunstwerk. Ein völliges Rätsel, in
       jedem Fall. Und absolut sehenswert.
       
       Aber zurück in die derzeit wirkliche, also virtuelle Welt. Auch hier wird
       man schnell fündig, bei der Suche nach extraordinären Orten. Über die
       Website von [2][Contemporary Fine Arts] zum Bespiel kommt man mit deren
       Künstlerin Cecily Brown in den Blenheim Palace, wo 1874 Winston Churchill
       geboren wurde. Auch hier geht's ums Gewand des Hauses. Was der britischen,
       freilich seit Mitte der 1990er Jahre in New York lebenden und arbeitenden
       Malerin Cecily Brown dabei in dem Riesenkasten als erstes auffiel, waren
       die Tapisserien und Gemälde von Jagd- und Kriegsszenen an den Wänden.
       
       Sie bilden die Grundlagen zu ihren neuen, großformatigen Leinwänden, die in
       für sie bekannter Art und Weise zwischen Abstraktion und Figuration
       changieren. Und so wie sie in expressivem Farbauftrag in leuchtendem Rosa,
       Rot, Orange und Ocker strahlen, können sie interessanteweise durchaus als
       zeitgenössisches Pendant zu Max Pechsteins Berliner Paradies gesehen
       werden. Freilich geht es in Cecily Browns Natur- und Landschaftsszenerien
       nicht so friedlich zu: Die roten Fräcke, ob sie nun die Jagdgesellschaft
       oder die Soldatenuniform meinen, dominieren. Dazu kommen die Hunde, die mal
       selbst Jäger, dann aber auch als gejagte und vom Wildschwein aufgespießte
       Kreatur zu erleben sind.
       
       Zu Browns Motiv wird aber auch der Blenheim Spaniel, also der Familienhund
       wie ihn Joshua Reynolds (1723-1792) in seinem Porträt der „Marlborough
       Family“ (1778) festgehalten hat. Den kleinen Hund platziert Brown wie
       Reynolds in die untere rechte Ecke ihrer Gemälde und macht ihn so zum
       visuellen Anker in der überbordenden Leinwand. Hat man ihn erst erkannt,
       wird man auch der anderen Tiere und menschlichen Körper gewahr.
       
       Vor Cecily Brown war auch schon mal Maurizio Cattelan ins Schloss
       eingeladen worden. Und hier gibt es nun wieder eine Parallele zu Berlin.
       Cattelan ließ in einen Toilettenraum seine goldene WC-Muschel „America“
       einbauen, die von den Besucher:innen je 3 Minuten lang benutzt werden
       konnte – bis sie, deren Wert mit 5,4 Millionen Euro beziffert wird, am 14.
       September 2019 gestohlen wurde. Die Diebe verursachten dabei eine
       Überschwemmung im Palast. Die Berliner Goldmünze wurde übrigens nur auf 3,7
       Millionen Euro taxiert.
       
       6 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.miesvanderrohehaus.de/ausstellungen/gewand-in-drei-akten/
 (DIR) [2] https://cfa-berlin.de/news/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
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