# taz.de -- Wolfsabschüsse in Niedersachsen: Die Regierung schweigt
       
       > Nach drei Wolfsabschüssen wollen die Grünen Auskunft über die
       > Abschussgenehmigungen erzwingen. Dazu ziehen sie vor den
       > Staatsgerichtshof.
       
 (IMG) Bild: Abschussgenehmigungen bleiben in Niedersachsen wie die Wölfe selbst: im Dunklen
       
       Göttingen taz | „Wild-West-Methoden“ warfen die Grünen und
       Naturschutzverbände der niedersächsischen Landesregierung vor, nachdem
       diese in den vergangenen Wochen gleich drei Wölfe töten ließ.
       
       Jäger hatten die Tiere in den Landkreisen Cloppenburg, Uelzen und Nienburg
       erlegt. Es habe sich dabei um „Fehlabschüsse“ gehandelt, meinen die Grünen,
       weil die – erst im Nachhinein veröffentlichten – Ausnahmegenehmigungen für
       jeweils andere Tiere der betreffenden Rudel galten. Statt der eigentlich
       gesuchten Leitrüden, die Weidetiere gerissen haben sollen, hätten die
       beauftragten Jagdleute [1][junge weibliche Tiere erschossen], die nicht für
       Risse an Schafen, Ziegen oder Rindern verantwortlich gemacht werden. Gerade
       in der Nacht zu Donnerstag wurde bei Burgdorf ein weibliches Jungtier
       anstelle der gesuchten Wölfe erlegt.
       
       Das Umweltministerium des Landes hält die erfolgten Abschüsse durch die
       zuvor erteilten Ausnahmegenehmigungen hingegen für gedeckt. Weil diese
       Genehmigungen inzwischen vollzogen und damit nicht mehr gültig sind, können
       sie auch nicht mehr beklagt werden. Deshalb wollen die Grünen das Land nun
       gerichtlich dazu zwingen, vor dem Vollzug, also vor einem Wolfsabschuss,
       über die Inhalte der Genehmigungen und ihre Begründungen zu informieren.
       Die Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Helge Limburg und Christian Meyer
       kündigten gestern einen Gang zum Niedersächsischen Staatsgerichtshof an.
       
       Die Landesregierung habe mehrfache Parlamentsanfragen der Grünen nach
       aktuellen Abschussgenehmigungen nicht beantwortet, sagte der
       Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Limburg. Dies sei
       nicht hinzunehmen und verstoße gegen die Landesverfassung. Staatliches
       Handeln müsse transparent und überprüfbar sein und bleiben. Das
       Umweltministerium hatte die Weigerung, die Opposition und die Medien über
       den Umfang der Genehmigungen zu informieren, unter anderem damit begründet,
       dass diese Informationen zu emotionalen Diskussionen in den sozialen Medien
       führen könnten. Außerdem müssten Dritte, etwa die beteiligten Jäger,
       geschützt werden.
       
       Aus Sicht der Grünen ziehen diese Argumente aber nicht. Mit demselben
       Verweis auf unsachliche Kritik könne die Landesregierung künftig auch nach
       Belieben Informationen zu Kraftwerken, Mülldeponien, Tiermastanlagen oder
       Polizeieinsätzen verweigern, sagte Limburg. Die Namen von Jägern wollten
       die Grünen zudem gar nicht wissen. Nach der Landesverfassung muss die
       Regierung nur dann keine parlamentarischen Anfragen beantworten, wenn
       dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung
       wesentlich beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzung sehen die Grünen
       nicht gegeben.
       
       Den wahren Grund dafür, dass bei dem Thema gemauert wird, sieht die Partei
       der Grünen darin, dass das Land auf diese Weise Klagen vermeiden will. „Ein
       Wolfsabschuss ist ein Verwaltungsakt, und der muss juristisch überprüfbar
       sein“, sagt die Fraktionsvorsitzende Hamburg.
       
       Der Abgeordnete Christian Meyer erinnerte daran, dass das niedersächsische
       Umweltministerium noch bis vor einem Jahr die mehrfach erneuerten
       Abschussgenehmigungen für den als „Problemwolf“ geltenden Rüden mit der
       Kennung GW717m aus dem im Kreis Nienburg ansässigen Rodewalder Rudel
       zeitnah bekannt gemacht hatte. „Zwei dieser Genehmigungen wurden beklagt
       und vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht als teilweise rechtswidrig
       beurteilt“, sagte Meyer. Seit diesen Urteilen hält das Land die
       Abschussgenehmigungen geheim.
       
       Die Grünen gehen davon aus, dass sich das Verfahren vor dem
       Staatsgerichtshof über mehrere Monate hinzieht. Zunächst werde der
       Landesregierung und dem Landtag Gelegenheit zu einer Erwiderung gegeben.
       Die mündliche Verhandlung erfolge voraussichtlich im Herbst, mit einer
       Entscheidung sei für Anfang 2022 zu rechnen.
       
       Unabhängig von der Klage wollen sich die Grünen beim Thema für eine
       Versachlichung der Debatte einsetzen. Dass sich Wölfe wieder in
       Niedersachsen angesiedelt hätten, sei eine „Errungenschaft des
       Artenschutzes“, meint Hamburg. Andererseits bekämen Weidetiertierhalter
       durch Wolfsrisse natürlich Probleme. Auch gebe es Berichte von Menschen,
       die Angst vor Wölfen hätten. „Wir wollen den Wolf nicht verharmlosen“,
       sagte Hamburg. „Er ist ein Raubtier, aber er ist kein Monster.“
       
       Meyer sagte, der Wolf sei eine streng geschützte Tierart und noch nicht ins
       Jagdrecht aufgenommen. Selbst wenn dies, wie von der Großen Koalition in
       Niedersachsen geplant, erfolge, bleibe der bundesweite Schutzstatus
       bestehen. Ein Abschuss sei daher nur als letztes Mittel zulässig und müsse
       in jedem Einzelfall gut begründet sein, erklärte Meyer.
       
       Er rief Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) zu einer Umkehr in der
       Wolfspolitik auf. Statt die Abschussgenehmigungen geheim zu halten, müsse
       der Minister wieder auf Förderung, Ausgleich und Sachlichkeit setzen.
       Konkret forderte Meyer, Wölfe in Niedersachsen zu besendern – dies geschehe
       nicht, obwohl es eine Identifizierung auch sogenannter Problemwölfe
       ermögliche. Auch müssten Weidetierhalter besser und schneller vor
       Wolfsrissen geschützt, eine vom Land finanzierte Weideprämie müsse zügig
       beschlossen werden.
       
       23 Apr 2021
       
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