# taz.de -- Lokalblatt von CDU-Politiker Hauptmann: Personenkult wie früher
       
       > Der Bundestagsabgeordnete Hauptmann stürzte über zwielichtige Anzeigen in
       > seinem Blättchen. Das ist nicht die einzige dubiose CDU-nahe
       > Lokalzeitung.
       
 (IMG) Bild: Setzte sich gerne in Szene: der Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann
       
       Berlin taz | Dass Medien Politiker:innen in die Bredouille bringen,
       geschieht immer mal wieder. Dass einem Politiker die eigene Zeitung zum
       Verhängnis wird, ist hingegen außergewöhnlich. [1][Mark Hauptmann ist das
       passiert.] Bis vergangene Woche saß der umtriebige 36-Jährige aus dem
       südthüringischen Suhl für die CDU im Bundestag. Jetzt nicht mehr. Anlass
       für seinen abrupten Abschied aus der Politik ist der Südthüringen Kurier,
       ein vierteljährlich erscheinendes Periodikum, dessen Herausgeber Hauptmann
       ist.
       
       Seit 2015 gibt es den Südthüringen Kurier. Außerhalb von Hildburghausen,
       Schmalkalden-Meiningen und Suhl hatte davon indes bislang kaum jemand
       Kenntnis genommen. Die Anschrift der Redaktion ist identisch mit der der
       Suhler CDU und dem Wahlkreisbüro Hauptmanns. Und so ist die Zeitung auch:
       ein christdemokratisches Werbeblatt mit beeindruckendem Personenkult.
       
       Hauptmann mit Angela Merkel, Hauptmann mit Jens Spahn, Hauptmann mit Peter
       Altmaier, Hauptmann mit Andreas Scheuer, Hauptmann mit einem Plüschbärchen:
       Auf unzähligen Bildern Ausgabe für Ausgabe immer wieder Hauptmann. Im
       Oktober 2018 schaffte es der Südthüringen Kurier, auf nur 10 Seiten 22
       Fotos mit dem ambitionierten Nachwuchspolitiker unterzubringen. Das
       erinnert an jene Bilderflut, mit der einst das Neue Deutschland Erich
       Honecker huldigte.
       
       Vorbild für Hauptmanns Südthüringen Kurier dürfte aber eher der Wetzlar
       Kurier des hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer sein.
       Ursprünglich 1982 von der örtlichen CDU gegründet, erscheint das Blatt seit
       1990 in der Verantwortung des [2][Rechtskonservativen]. Diese
       „Privatisierung“ hat nichts daran geändert, dass es ein schlicht
       gestricktes CDU-Propagandablatt geblieben ist.
       
       ## Rechts-rechte Grauzone
       
       Inzwischen monatlich mit einer Auflage von 125.000 Exemplaren, die gratis
       an die Haushalte im Lahn-Dill-Kreis verteilt werden, kann dabei auch dem
       Wetzlar Kurier ein Hang zum Personenkult kaum abgesprochen werden: Im
       selben Monat, in dem im Südthüringen Kurier die 22 Hauptmann-Bilder
       erschienen, kam die Irmer-Postille in einer Ausgabe immerhin auf 16 Fotos
       von ihrem Herausgeber.
       
       Der Wetzlar Kurier finanziert sich durch Anzeigen. Vor allem regionale
       Unternehmen inserieren. Daneben finden sich aber auch regelmäßig große
       Anzeigen des Vereins „[3][Die Deutschen Konservativen]“ und noch größere
       [4][des Kopp Verlags], beide angesiedelt in der Grauzone zwischen
       Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Der 69-jährige Irmer, der nicht nur
       für den Inhalt, sondern auch für die Anzeigen verantwortlich zeichnet, ist
       offenkundig wenig wählerisch bei der Auswahl seiner Kunden.
       
       Vergleichbare großflächige Anzeigen im Südthüringen Kurier kommen woanders
       her – und zwar von ziemlich weit weg: aus Taiwan, Vietnam und
       Aserbaidschan. Auf den ersten Blick erscheint es verwunderlich, welches
       Interesse diese drei asiatischen Länder an einer kleinen Zeitung in
       Südthüringen zeigen. Eine plausible Erklärung wäre, dass es den jeweiligen
       Regierungen darum gegangen ist, einen ihnen äußerst wohlgesonnenen
       Politiker zu unterstützen. Das erscheint auf jeden Fall weit weniger
       abwegig als die Annahme, dass beispielsweise die aserbaidschanische
       Botschaft ernsthaft auf eine rege Reisetätigkeit aus Südthüringen zu dem
       von ihr beworbenen „Baku Shopping Festival“ gehofft hätte.
       
       ## Altbekanntes System
       
       Das kommt irgendwie bekannt vor, oder? Zumindest etwas älteren Semestern
       aus dem Ruhrgebiet könnte erneut eine Parallele aus dem einstigen
       realsozialistischen Publikationskosmos in den Sinn kommen: die Bottroper
       Notizen.
       
       Herausgegeben vom Ratsfraktionschef der DKP, fanden sich in dem damals
       monatlich erscheinenden Lokalblatt über zwei Jahrzehnte hinweg bis 1989 für
       westdeutsche Verhältnisse ungewöhnliche Anzeigen: für Uhren, Kameras,
       Bügeleisen und Modelleisenbahnen aus der DDR, für Dosenobst und -gemüse aus
       Bulgarien, für „hochwertige Qualitätsweine aus dem Sonnenland Ungarn“, für
       Radio Prag, für die staatliche Fluggesellschaft Polens oder für Badeurlaub
       in Sotschi.
       
       Selbstverständlich fand sich in den kommunistischen Bottroper Notizen nie
       ein kritisches Wort zu den politischen Verhältnissen in jenen Ländern, aus
       denen die Anzeigen stammten. So verhält es sich auch beim Südthüringen
       Kurier, nur dass hier eben die Inserate aus Taiwan, Vietnam und
       Aserbaidschan kommen.
       
       Insbesondere die Anzeigen Aserbaidschans haben Herausgeber Hauptmann schwer
       in Erklärungsnot gebracht, stehen doch mit Karin Strenz und Axel Fischer
       gleich [5][zwei weitere CDU-Bundestagsabgeordnete unter Verdacht], dass sie
       sich von dem diktatorischen Regime um Staatschef Ilham Alijew haben
       schmieren lassen. Hauptmann beteuert, dass an ihn kein Geld von
       ausländischen Regierungen geflossen sei. Das entspricht wohl formal den
       Tatsachen, ist trotzdem nur die halbe Wahrheit.
       
       ## Vermeintliches Win-Win
       
       Der Südthüringen Kurier erschien bislang in einer Auflage von rund 55.000
       Exemplaren und wurde wie eine bezahlte Firmenbeilage vor allem über die
       regionale Tageszeitung Freies Wort verbreitet, die zur Suhler
       Verlagsgesellschaft gehört. Zu deren Verlagsgruppe gehört auch die Agentur
       HCS Medienwerk, die mit der Produktion des Südthüringen Kurier beauftragt
       war und auch die Anzeigenrechnungen stellte.
       
       Vermittelt hat die Anzeigen jedoch Hauptmann selbst. Er garantierte der
       Agentur einen Mindestanzeigenumsatz, um den er sich selbst kümmerte –
       dafür bekam er sein CDU-Werbeblättchen, ohne eigenes Geld investieren zu
       müssen. Wäre der Mindestumsatz unterschritten worden, hätte Hauptmann die
       Differenz zahlen müssen. Das soll nach taz-Informationen aber nie der Fall
       gewesen sein. Taiwan, Vietnam und Aserbaidschan sei Dank.
       
       Nach Hauptmanns Rückzug aus der Politik dürfte auch der Südthüringen Kurier
       Geschichte sein. Der Wetzlar Kurier erscheint weiter. Herausgeber Irmer
       strebt eine weitere Legislaturperiode im Bundestag an.
       
       14 Mar 2021
       
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