# taz.de -- Mehrfachdiskriminierung von Flüchtlingen: „Frauen in Lagern extrem gefährdet“
       
       > Isolation, Sexismus, Vergewaltigungen: Elizabeth Ngari von „Women in
       > Exile“ erklärt, warum sie am Mittwoch in Eisenhüttenstadt protestieren.
       
 (IMG) Bild: Women in Exile fordert Aufklärung im Fall toten Rita Awour Ojungé und die Schließung aller Lager
       
       taz: Frau Ngari, warum demonstrieren Sie am Mittwoch mit Ihrer Gruppe
       „Women in Exile“ vor der Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt? 
       
       Elizabeth Ngari: Wir protestieren am Internationalen Tag gegen Gewalt an
       Frauen gegen die Bedingungen in dem Lager. Es ist nicht nur ein
       gefährlicher Corona-Hotspot, sondern auch ein Ort von Übergriffen auf
       Frauen. Uns haben Bewohnerinnen von Vergewaltigungen und sexualisierter
       Belästigung berichtet: Eine lesbische Geflüchtete wurde im Lager immer
       wieder angegangen, obwohl sie sich sogar in einem sogenannten Schutzhaus
       befunden hat. Die Security und die Behörden sagten einfach, sie soll in
       ihrem Zimmer bleiben. Die ohnehin schlechte Lage in Flüchtlingsunterkünften
       wie in Eisenhüttenstadt ist noch einmal schlimmer für Frauen und Kinder.
       
       Inwiefern? 
       
       Das zeigt etwa der Fall von [1][Rita Awour Ojungé]. Sie wurde letztes Jahr
       im April, erst nachdem sie zwei Monate lang verschwunden war, tot
       aufgefunden – keine 300 Meter von ihrem Flüchtlingslager in Hohenleipisch
       entfernt. Die Polizei hat lange gebraucht, um die Gegend überhaupt
       abzusuchen, obwohl es Anzeichen auf ein Verbrechen gab. Die Flüchtlinge aus
       diesem Lager forderten in einem offenen Brief die Schließung dieses
       isolierten Lagers, aber noch immer besteht es. Frauen in Flüchtlingsheimen
       brauchen denselben Schutz wie alle Frauen. In Hohenleipisch fand die
       Polizei nur noch das Skelett von Ojungé, die Ermittlungen haben den Fall
       bisher nicht aufgeklärt. Frauen in Lagern kämpfen nicht nur gegen
       Abschiebungen und rassistische Diskriminierung, sie sind außerdem
       sexualisierten Übergriffen und Vergewaltigungen ausgesetzt. In isoliert
       gelegenen Lagern, wie es sie in Brandenburg häufig gibt, sind sie besonders
       betroffen.
       
       Warum gibt es so viele isolierte Lager fernab der Zivilisation in
       Brandenburg? 
       
       Das fragen wir uns auch. Das ist auch ein Grund für unsere Kampagne. Es
       macht depressiv und ist traumatisierend, so abgeschnitten zu sein. Das
       Lager bei Hohenleipisch liegt etwa mitten im Wald, und von dort sind es
       zwei Kilometer Fußmarsch bis in den Ort. Unseren Brief mit der Forderung,
       das Lager zu schließen, hat die Kreisstadt Herzberg nicht einmal
       beantwortet.. Insbesondere Frauen und Kinder müssen aus diesen Lagern raus,
       sie sollten in Wohnungen und Würde leben können.
       
       Inwiefern verschlimmern sich die Bedingungen noch während der
       Coronapandemie? 
       
       In den Lagern sind viele Menschen auf extrem wenig Raum untergebracht. Dort
       kann man unmöglich die Hygieneregeln einhalten. In [2][Hennigsdorf gab es
       deswegen einen Ausbruch], viele steckten sich an. Nicht angesteckte
       Bewohner durften nicht einmal gegen die schlechten Bedingungen protestieren
       und wurden alle in Quarantäne gesteckt. Keiner durfte raus. Die Leute haben
       einfach Angst, weil sie sich kleine Räume teilen. Insbesondere gilt das für
       durch Vorerkrankungen besonders gefährdete Menschen. Einer unserer Slogans
       ist daher auch: „Social distancing is a privilege!“
       
       Was muss sich ändern? 
       
       Wir fordern zuallererst: Keine Lagerunterbringung für Frauen und Kinder! Im
       nächsten Schritt sollte man alle Lager abschaffen. Und wir fordern einen
       generellen Abschiebestopp. Ebenso muss es bessere Hygienebedingungen und
       Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete geben – erst recht während der
       Pandemie. Viele Frauen sind depressiv und traumatisiert.
       
       24 Nov 2020
       
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