# taz.de -- Streit um Demoverbot für Coronaleugner: Menschenleben oder Bürgerrechte
       
       > Berlins Innensenator will die für Samstag geplante Demonstration von
       > Corona-LeugnerInnen verbieten. Ist das der richtige Weg? Ein Pro und
       > Contra.
       
 (IMG) Bild: Polizeikette und abstandslose Demonstration gegen Coronaschutzmaßnahmen in Berlin 1.8.2020
       
       Berlins Innensenator will die für Samstag geplante Demonstration von
       Corona-LeugnerInnen verbieten. Ist das der richtige Weg?
       
       ## Ja
       
       Sie wollen ausdrücklich ohne Atemschutzmasken zu Zehntausenden
       demonstrieren: Coronaleugner*innen aus der ganzen Bundesrepublik
       gefährden nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern die anderer Menschen.
       Auch die wirtschaftliche Existenz all jener, die unter einem zweiten
       Lockdown schließen müssten, steht auf dem Spiel. Das Recht auf
       Versammlungsfreiheit muss hier gegen das Allgemeinwohl abgewogen werden.
       
       Natürlich werden die rechten Verschwörer*innen sich lautstark empören,
       sich in ihrer Meinungsäußerung unterdrückt sehen. Sie werden die
       Gelegenheit nutzen, sich als Opfer zu inszenieren.
       
       Zugleich können in der gesamten Bundesrepublik Konzerte, Hochzeiten,
       Fußballspiele und andere Veranstaltungen gar nicht oder nur begrenzt
       stattfinden. Auch eine [1][lang geplante Gedenkdemonstration in Hanau]
       wurde aus Infektionsschutzgründen verboten. Die von Coronaleugner*innen
       angestrengte Erzählung, ihnen würde gezielt der Mund verboten, trifft, im
       Gesamtkontext betrachtet, also überhaupt nicht zu.
       
       Nun ist es tatsächlich so, [2][dass der Berliner Innensenator Andreas
       Geisel (SPD)] neben den gesundheitlichen auch politische Gründe für das
       Demo-Verbot zu hegen scheint. In seiner Erklärung spricht er die
       rechtsextreme Mobilisierung zu dieser Demonstration an. Vom AfD-Sprecher
       Björn Höcke über Martin Sellner von der Identitären Bewegung bis zum
       rechtsextremistischen Rapper Chris Ares scheint die gesamte rechte Szene
       vertreten. In einer Demokratie allerdings haben auch sie das Recht, sich zu
       äußern. Geisel betritt deshalb dünnes Eis, wenn er Gesinnungen ins Spiel
       bringt
       
       Trotz dieses Dilemmas ist das Verbot ein richtiger Schritt. Ein
       Nazi-Aufmarsch wie 2018 in Chemnitz, wo es rassistische Jagden auf Menschen
       gab, könnte auch bei dieser Großmobilisierung ein Szenario sein. Das gilt
       es zu unterbinden. Es gab und gibt zu viele Fälle, in denen nichts gegen
       rechtsextreme Gefahren unternommen wurde. Die Anschläge in Halle, Hanau,
       der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke sind nur die bekanntesten
       Beispiele. Es ist richtig, die Wegbereiter*innen solcher Taten in die
       Schranken zu weisen, um Schlimmeres zu verhindern. Denn auch hier geht es
       um Menschenleben.
       
       Lea Fauth 
       
       ## Nein
       
       Erleichtert atmen nun viele auf über [3][das Demo-Verbot für die
       Corona-Leugner*innen]. Es wäre ja auch tatsächlich kaum zu ertragen
       gewesen, wenn erneut 20.000 oder mehr Menschen, darunter die gesammelte
       extreme Rechte des Landes, für ihren Wahnsinn auf die Straße gegangen
       wären. Und trotzdem ist das Verbot genauso falsch wie der Jubel darüber.
       Seien wir ehrlich: Hätte das Verbot eine linke Demo getroffen – wie am
       vergangenen Samstag in Hanau –, hätte es, zumindest in der taz, nur eine
       Meinung gegeben: falsch. Demokratiefeindlich. Politisch motiviert.
       
       Nun ist Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) nicht vorzuwerfen, er
       habe die Veranstaltungen verboten, weil sie ihm unliebsam seien. Fast
       täglich dürfen in Berlin Verschwörer*innen und Nazis auflaufen, ohne dass
       der Staat dagegen vorgeht. Über den polizeilich nicht durchgesetzten
       Infektionsschutz bei der vergangenen Verschwörer*innendemo hatte
       Geisel noch in der taz gesagt, das Grundrecht auf Meinungs- und
       Versammlungsfreiheit stehe höher als die dort begangenen
       Ordnungswidrigkeiten. Dies hätte auch jetzt gelten müssen.
       
       Richtig wäre es gewesen, vor Ort darauf zu regieren, wenn die
       Teilnehmer*innen das Tragen von Masken und den Mindestabstand verweigern.
       [4][Die Polizei hätte es in der Hand], die Demo dann nicht laufen zu
       lassen. Einen Block von damals noch verbotenerweise vermummten
       Blockupy-Demonstrant*innen 2013 in Frankfurt am Main kesselte die Polizei
       neun Stunden lang ein. Ein solch hartes Vorgehen wäre die korrekte Antwort
       an die Gesundheitsgefährder*innen gewesen.
       
       Deren Versuch, sich nun als Verteidiger der Grundrechte aufzuspielen, ist
       klar zu widersprechen. Die Egoist*innen von rechts interessieren sich
       nicht für die demokratischen Grundrechte anderer, sondern nur für ihre
       eigenen. Eine gesellschaftliche Linke sollte sich nicht die Hände reiben,
       wenn der Staat repressiv agiert, nicht zuletzt, weil sie selbst
       potenzielles Ziel solcher Maßnahmen ist.
       
       Die richtige Antwort einer antifaschistischen Zivilgesellschaft wäre es,
       solche Demos durch Blockaden zu verhindern. Scheitert das Verbot vor
       Gericht, muss sie mehr bieten als staatsgläubige Schadenfreude.
       
       Erik Peter
       
       26 Aug 2020
       
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