# taz.de -- Cornelia Koppetsch hat plagiiert: Soziologin vor Disziplinarverfahren
       
       > In 111 Textstellen aus vier Aufsätzen und zwei Büchern soll Cornelia
       > Koppetsch plagiiert haben. Was heißt das für ihr Forschungswerk?
       
 (IMG) Bild: Koppetsch wird „gravierende Missachtung guter wissenschaftlicher Praxis“ vorgeworfen
       
       Berlin taz | Die Soziologin und Professorin für Geschlechterverhältnisse an
       der Technischen Universität Darmstadt, [1][Cornelia Koppetsch], hat
       plagiiert. Sie soll, so steht es im Abschlussbericht der
       Untersuchungskommission der Uni, Textteile und Thesen, die von anderen
       Autor*innen stammen, als ihre eigenen ausgegeben haben.
       
       Konkret geht es um vier Aufsätze und zwei Bücher, die wegen ihrer Thematik
       viel besprochen waren: „Die Gesellschaft des Zorns“ (2019) und „Die
       Wiederkehr der Konformität“ (2013) behandeln den [2][Aufstieg der
       Rechtspopulisten und rechten Parteien] und die Angst der Mittelschicht vor
       dem sozialen Abstieg. Auch ihre Habilitationsschrift „Das Ethos der
       Kreativen“ wurde von der Plagiationsplattform VroniPlag untersucht.
       
       Die Ergebnisse sind bitter: In den insgesamt 117 kritisierten Stellen in
       den Büchern und Aufsätzen hat die Kommission, so besagt es der Bericht, 111
       Plagiate oder Verstöße gefunden. Koppetsch wird eine „gravierende
       Missachtung guter wissenschaftlicher Praxis“ vorgeworfen. Teilweise soll
       sie ganze Passagen abgekupfert haben, ohne das deutlich zu kennzeichnen.
       Unter anderem beim Historiker Frank Biess, bei den Politik- und
       Gesellschaftswissenschaftlern Herfried Münkler und Oliver Nachtwey sowie
       beim Philosophen Slavoj Žižek.
       
       Die Folge: Die Uni Darmstadt will nun ein Disziplinarverfahren gegen
       Koppetsch einleiten, der Transcript sowie der Campus Verlag, wo die beiden
       Bücher erschienen waren, nahmen diese vom Markt. Die Karriere der
       Wissenschaftlerin dürfte damit ihr Ende gefunden haben.
       
       ## Man hat gern mit ihr geredet, ihr noch lieber zugehört
       
       Das ist fatal. Zuallererst für die Betroffene, die vermutlich nie wieder an
       einer Uni oder einer anderen wissenschaftlichen Einrichtung arbeiten wird.
       Aber auch für all jene, die sie in den vergangenen Jahren gefördert,
       eingeladen, befragt, ja sogar hofiert haben.
       
       Koppetsch war eine weithin anerkannte Soziologin und auf öffentlichen
       Podien ein willkommener Gast. Sie trat im Fernsehen auf, wurde von
       zahlreichen Medien zu Interviews und um eigene Texte gebeten. Auch die taz
       hat immer wieder gern auf ihre Expertisen zurückgegriffen. Koppetsch galt
       als eine der wichtigsten Kennerinnen der Geschlechtersoziologie. Sie machte
       beispielsweise als eine der wichtigsten Ursachen für den Schneckenritt bei
       der Gleichstellung ein [3][Beharren auf traditionellen Geschlechterrollen]
       aus – ein interessanter wie diskussionswürdiger Denkansatz.
       
       Man hat gern mit ihr geredet, ihr noch lieber zugehört – und ihr geglaubt.
       Und muss sich nun selbst infrage stellen – zumindest in Teilen. Das müssen
       all jene Medien tun, die mit ihr und ihren Thesen Umsatz und Klickzahlen
       generiert haben. Das muss die Uni Darmstadt tun, die Studierende auch wegen
       Koppetsch anzog. Und das muss die Soziologie als Fachgebiet tun, um nicht
       ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Vielleicht liegt darin der Grund, warum
       so viele Kritiker*innen, die sich in dieser Personalie zu Wort melden, mit
       Koppetsch so hart ins Gericht gehen. Im Bericht der Untersuchungskommission
       ist von Koppetsch als „rücksichtsloser Autorin“ die Rede.
       
       Aber ist es tatsächlich so einfach? Ist Cornelia Koppetsch nicht mehr als
       eine beinharte Betrügerin? Eine, die sich schamlos mit den Federn anderer
       schmückt?
       
       ## Es bleibt ein Restbestand
       
       Ja, sie hat wissenschaftliche Standards missachtet, ja, sie hat fremde
       Erkenntnisprozesse als ihre eigenen ausgegeben. Sie hat die
       Wissenschaftswelt genarrt und gefoppt. Aber deswegen muss nicht ihr
       gesamtes Forschungswerk falsch sein, deswegen muss ihr nicht ihr gesamtes
       Wissen abgesprochen werden. Trotz aller unsauberer Arbeit und unlauteren
       Verhaltens bleibt ein Restbestand ihrer eigenen Forschung.
       
       Als Soziologin, die vor allem mit dem Milieuvergleich arbeitet, weiß sie,
       wovon sie spricht. Ihr Vater war Briefträger, ihre Mutter Hausfrau. Sie und
       ihre Schwester haben studiert, sie haben sich also „aus den Verhältnissen
       herausgearbeitet“. Das ist mitnichten eine wissenschaftliche Grundlage,
       mehr noch, es darf nicht mal eine sein. Aber mitunter kann es hilfreich
       sein, aus eigener Erfahrung zu wissen, worüber man spricht.
       
       In einem Interview mit dem Spiegel, in dem es zwar um die AfD und den
       Rechtspopulismus ging, sagte Koppetsch folgenden Satz: „Man erklärt die
       eigene Wahrnehmung möglichst öffentlichkeitswirksam zur Wahrheit – grenzt
       sich also ab, um sich seiner selbst zu vergewissern und auf diesem Weg die
       alte Geborgenheit zurückzuerobern.“
       
       Man kann diesen Satz auch übertragen auf die aktuelle Koppetsch-Debatte:
       Wer sich jetzt über alle Maßen von ihr distanziert, macht dies nicht nur
       für die Wissenschaft, sondern auch für sich selbst.
       
       13 Aug 2020
       
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