# taz.de -- Proteste in Baku nach Gefechten: „Bis Karabach befreit ist!“
       
       > Zwischen Armenien und Aserbaidschan wird wieder gekämpft. In Baku fordern
       > Zehntausende einen Krieg um die umstrittene Region von Bergkarabach.
       
 (IMG) Bild: Aserbaidschanische Proteste am Mittwoch
       
       Berlin taz | Es war nur ein kurzer Moment trügerischer Ruhe: Zwischen den
       beiden verfeindeten Südkaukasusrepubliken Aserbaidschan und Armenien sind
       am Donnerstag erneut Gefechte ausgebrochen. Die aserbaidschanische Armee
       beschieße seit dem frühen Morgen an der nördlichen Grenze armenische Dörfer
       mit Mörsergranaten und Haubitzen, hieß es aus dem armenischen
       Verteidigungsministerium in Jerewan. Einheiten der armenischen Armee seien
       im Begriff, „die aserbaidschanischen Provokationen“ zu neutralisieren.
       
       Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium beschuldigte hingegen
       armenische Streitkräfte, aserbaidschanische Truppen an der Frontlinie
       sowie aserbaidschanische Dörfer in dem Distrikt Tovuz zu bombardieren.
       
       Begonnen hatten die Gefechte an der Grenze zwischen den Regionen Tavush und
       Tovuz am vergangenen Sonntag, wobei sich beide Seiten gegenseitig für die
       Eskalation und Angriffe auf zivile Ziele verantwortlich machen. Bei den
       mehrtägigen militärischen Auseinandersetzungen wurden vier armenische
       Soldaten sowie ein aserbaidschanischer Zivilist und elf aserbaidschanische
       Armeeangehörige getötet – darunter auch ein Generalmajor.
       
       Die Beisetzung des ranghohen Militärs am Dienstagabend in einem Bezirk der
       aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, für dessen Tod Diskutant*innen in
       den sozialen Netzwerken die „mangelnde Führungsstärke“ der
       aserbaidschanischen Regierung verantwortlich gemacht hatten, brachte das
       Fass offensichtlich zum Überlaufen.
       
       ## Polizei setzt Schlagstöcke und Tränengas ein
       
       Mit Slogans wie „Karabach ist unser!“ „Beendet die Quarantäne und beginnt
       einen Krieg!“, „Karabach oder Tod!“ sowie „Wir werden nicht weichen, bis
       Karabach befreit ist!“ versammelten sich an verschiedenen Punkten Bakus
       spontan Zehntausende Demonstrant*innen und zogen in das Zentrum.
       
       Einige Protestierende versuchten, gewaltsam in das Parlamentsgebäude
       einzudringen. Sie wurden von der Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas
       auseinandergetrieben. Laut Angaben des Innenministeriums wurden bei den
       Protesten sieben Polizisten verletzt und mehrere Fahrzeuge beschädigt.
       
       In einer Stellungnahme des Parlamentspressedienstes von Mittwochmorgen hieß
       es, der Versuch der Erstürmung des Parlaments sei das Ergebnis einiger
       Provokateure gewesen, die es auf Zerstörung abgesehen gehabt hätten. Diese
       Aktion sei respektlos gegenüber dem heiligen Geist der Märtyrer gewesen.
       
       Für den aserbaidschanischen Analytiker Zaur Schirijew von der International
       Crisis Group sind die jüngsten Proteste ein zweischneidiges Schwert für die
       Machthaber in Baku. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hätten viele Menschen
       ihre Frustration über die Ereignisse an der Frontlinie zum Ausdruck
       gebracht und verstärkte Aktionen von der Regierung gefordert. „Die
       Regierung wird diese Proteste in ihren Verhandlungen mit den
       internationalen Akteuren nutzen, um für mehr Druck auf Armenien zu werben“,
       zitiert das unabhängige Nachrichtenportal eurasianet den Analytiker
       Schirijew.
       
       ## Konflikt schwelt seit über 30 Jahren
       
       Der Territorialkonflikt um das mehrheitlich von Armenier*innen bewohnte
       Gebiet Bergkarabach, das zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden
       war, [1][schwelt seit über 30 Jahren]. Ein Krieg Anfang der 1990er Jahre,
       in dem schätzungsweise zwischen 25.000 und 50.000 Menschen getötet und über
       1,1 Millionen vertrieben wurden, mündete 1994 in einen brüchigen
       Waffenstillstand.
       
       Die sogenannte [2][Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und
       Zusammenarbeit in Europa (OSZE)], der die USA, Frankreich und Russland
       angehören, versuchte zu vermitteln. Mit mäßigen Erfolg. Immer wieder kam es
       zu Kampfhandlungen um das international nicht anerkannte Gebiet – zuletzt
       im April 2016. Dabei starben insgesamt über 400 Soldaten beider
       Konfliktparteien.
       
       16 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/224129/nagorny-karabach
 (DIR) [2] https://www.osce.org/mg
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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