# taz.de -- Gewalt gegen Journalistin: Böse Überraschungen
       
       > Am 1. Mai schlug ein Polizist der Kamera-Assistentin Lea R. ins Gesicht.
       > Die Folgen für R. sind massiv, sie klagt auf 10.000 Euro Schadenersatz.
       
 (IMG) Bild: Einsatzkräfte und Protestierende trafen am 1. Mai in Kreuzberg aufeinander
       
       Medienleute, die Gewalt erfahren haben, wissen: Wenn die Schmerzen
       nachlassen, geht der Stress oft erst richtig los. Auf Angriffe folgen
       Krankenhausbesuche, Interviews, Anwaltstermine, Vernehmungen. Bei Lea R.
       kamen noch andere böse Überraschungen hinzu.
       
       Die Kamera-Assistentin berichtet, dass sie am 1. Mai in Berlin von einem
       Polizisten gezielt mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sei. Ihr
       Team war dabei, Fernsehaufnahmen für die Agentur Nonstopnews zu machen, als
       die Polizei in ihrer Nähe eine Festnahme durchführte. Ein Video
       dokumentiert den Moment, nicht aber den Faustschlag.
       
       Ihre Schneidezähne sind abgebrochen, sie blutete und erlitt Prellungen,
       [1][wie sie wenige Tage nach dem Vorfall der taz berichtet]. Aber ihre
       Geschichte geht zunächst etwas unter – nach dem 1. Mai wird vor allem über
       eine andere Attacke gesprochen: die von Unbekannten gegen das Team der
       ZDF-„heute show“.
       
       Durch ihre beruflichen Kontakte sorgt R. dafür, dass Kolleg*innen von
       dem Faustschlag erfahren. Sie selbst dreht unter anderem für die Welt, Pro
       7 und das ZDF. „Die Ersten, die mich angerufen haben, waren taz und rbb“,
       erzählt sie. Dann sei es Schlag auf Schlag gegangen, rund 15 Interviews
       habe sie seitdem gegeben.
       
       Schwerwiegende Verletzungen 
       
       Bei einem Arzttermin stellt sich heraus, dass ihre Verletzungen schlimmer
       sind als anfangs vermutet. Ob ihre Schneidezähne überhaupt repariert werden
       können, ist laut einem Gutachten, das der taz vorliegt, unklar. Mit ihrem
       Anwalt verlangt R. 10.000 Euro Schmerzensgeld von der Berliner Polizei.
       
       Aus „zuverlässiger Quelle“, wie sie selbst sagt, habe sie erfahren, dass
       der Tatverdächtige schon gefunden worden sei. Wer die Quelle ist, möchte
       sie zu dessen Schutz nicht öffentlich machen. [2][Die Aufnahmen des
       Fernsehteams, die auch von der rbb-„Abendschau“ ausgestrahlt wurden],
       zeigen sechs Polizisten der 15. Einsatzhundertschaft gegen 23 Uhr vor dem
       Restaurant „Kreuzburger“ bei einer Festnahme.
       
       R. und ihr Team vermuten, dass ihr Schläger zu dieser Gruppe gehören
       könnte. Auch der Teamchef und der Kameramann berichten, dass sie von den
       Uniformierten angegangen und geschlagen worden seien.
       
       Bislang keine öffentliche Aufklärung 
       
       Medienleute erleben bei ihrer Arbeit häufig „unzureichenden Schutz,
       teilweise sogar Behinderungen“ durch die Polizei, [3][stellte das European
       Centre for Press an Media Freedom in Leipzig vor zwei Jahren fest]. 2018
       haben „Körperverletzungen im Amt“ laut Berliner Polizeistatistik im
       Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent zugenommen.
       
       Für öffentliche Aufklärung sorgt die Polizei auch im Fall von Lea R.
       bislang nicht. Ein Sprecher teilt auf taz-Anfrage lediglich mit, dass noch
       kein Tatverdächtiger identifiziert worden sei, und verweigert weitere
       Auskünfte mit Verweis auf laufende Ermittlungen. Sind die Verdächtigen bis
       zum Abschluss des Verfahrens wenigstens vom Dienst suspendiert?
       
       Auch das teilen weder die Polizei noch deren oberster Dienstherr,
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit. Lea R. sagt, sie habe Vertrauen in
       die Sicherheitskräfte verloren, betont jedoch: „Ich finde immer noch, dass
       die Polizei ein wichtiges Staatsorgan ist.“
       
       Diese ermittle wegen des Faustschlags zwar intern, teilte sie mit.
       Fachleute versprechen sich davon jedoch wenig. Laut Forschenden aus dem
       Projekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ der
       Ruhr-Universität Bochum kommt es in nur 1,97 Prozent der Fälle von
       Polizeigewalt überhaupt zu Gerichtsverfahren. Polizist*innen sagen ungern
       gegeneinander aus und Staatsanwaltschaften erheben nur selten Klage gegen
       die Behörde, von deren Informationen sie für ihre tägliche Arbeit abhängig
       sind.
       
       Häme auf Twitter 
       
       Nun muss R. auch noch Häme und Beleidigungen im Netz ertragen. „Wird’s
       schon verdient haben“ oder „blöde Kuh“ schreiben Rechtsextreme auf
       Twitter. Erst nachdem Nutzer*innen diese Beiträge melden, löscht der Dienst
       sie. Andere scheinen nicht zu wissen, dass eine „Kamera-Assistentin“, die
       mit einem „Fernsehteam“ Nachrichten produziert, „Journalistin“ ist. Sie
       versuchen, ihr diese Bezeichnung abzusprechen.
       
       Und auch von einzelnen Kolleg*innen ist die Journalistin enttäuscht. Einer
       habe Fotos von ihr an ein Boulevardmedium verkauft – mit ihrer Zustimmung,
       sagt er, gegen ihren Wunsch, sagt sie. Eine freie Journalistin wirft auf
       Twitter gleich dem gesamten Team vor, sie würden in jedem Artikel etwas
       anderes sagen, die Kollegin führt aber keine Belege für diese Behauptung
       an.
       
       „Die meisten Kommentare unter den Zeitungsberichten sind zum Glück
       positiv“, ist die 22-Jährige froh. Sie will auf jeden Fall weitermachen und
       überlegt sogar, Journalismus an der Universität zu studieren.
       
       25 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Polizeigewalt-am-1-Mai/!5682832
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=U6f_37XoQbQ
 (DIR) [3] /Studie-zu-Uebergriffen-in-Deutschland/!5537253
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotte Laloire
       
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