# taz.de -- Die Causa Hohenzollern im Bundestag: „Ausgeprägter Opportunismus“
       
       > War der Kronprinz Wilhelm von Preußen ein Steigbügelhalter der Nazis? Die
       > Causa Hohenzollern im Kulturausschuss des Bundestags.
       
 (IMG) Bild: Georg Friedrich Prinz von Preußen auf der Burg der Hohenzollern bei Hechingen (Baden-Würtemberg)
       
       Benjamin Hasselhorn hatte am Mittwoch einen denkwürdigen Auftritt im
       Kulturausschuss des Bundestags in Berlin. Als Sachverständiger sollte der
       Historiker aus Würzburg Auskunft darüber geben, wie stark das frühere
       deutsche Kaiserhaus in Gestalt des Kronprinzen Wilhelm von Preußen in
       republikfeindliche Umtriebe verstrickt gewesen ist. Ob das Haus
       Hohenzollern während der Weimarer Republik und nach 1933 dem Aufstieg des
       Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ leistete oder nicht.
       
       Denn wenn dem so gewesen wären, hätten die heutigen Hohenzollern-Erben nach
       dem Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 keinen Anspruch auf Restitution, für
       die nach 1945 getätigten Enteignungen im Osten Deutschlands.
       
       Hierzu sind derzeit verschiedene Verfahren in der Schwebe. Das Offenkundige
       wollte auch Hasselhorn nicht abstreiten, was zahlreiche Medien darunter die
       [1][taz in Wort und Bild] berichteten.
       
       Und so räumte er zunächst ein: Ja, der Kronprinz sei mit Hakenkreuzbinde
       aufgefallen, auch mit huldvollen Botschaften an Hitler. Und auch wie sein
       Vater, der Ex-Kaiser, mit antisemitischen Äußerungen. Aber, so Hasselhorn,
       sein Ziel sei lediglich die Wiedereinführung der Monarchie gewesen, nicht
       die Errichtung einer faschistischen Ordnung.
       
       ## Hitler zu „zähmen“ als Zweck der Übung
       
       Die tatsächliche Symbolkraft der Hohenzollern bei ihren Auftritten
       zugunsten der Nazis lasse sich auch nur schwer bemessen. Der Kronprinz
       glaubte vielmehr – wie andere „Konservative“ auch, sagte Hasselhorn –
       Hitler und die NSDAP durch das Einbinden an der Macht „zähmen“ zu können.
       Zudem hätte auch eine Partei wie die SPD ihren Anteil am Aufstieg der Nazis
       gehabt, meinte der Würzburger Historiker. Denn die Sozialdemokraten hätten
       Schleicher schließlich für gefährlicher als Hitler gehalten. Im Übrigen
       fehle es an Quellenforschung, die die Haltung der Hohenzollern und die des
       Kronprinzen in diesen Jahren eindeutig belege.
       
       Doch ist die Quellenlage zum Kronprinzen wirklich so schlecht? Und hat die
       SPD etwa gleichen Anteil wie der Kronprinz am Aufstieg der NSDAP? Sehr
       fragwürdige Thesen.
       
       Hingegen ist (neben so einigem anderen) etwa zweifelsfrei überliefert, dass
       der Kronprinz 1932 Hitler nach Schloss Cecilienhof lud, um mit den Nazis
       ein Bündnis zu schmieden. Nach dem Motto „Du Kanzler, ich Präsident“, so
       sollte es aufgehen. Aber Ex-Kaiser Wilhelm verbot seinem Sohn, dem
       Kronprinzen, aus dem Exil ein solches Bündnis einzugehen. Und zwar aus
       purem Ekel vor der demokratischen Republik.
       
       ## Der Ex-Kaiser an seinen Sohn: „Ich enterbe dich“
       
       Der Ex-Kaiser schrieb an seinen Sohn: „Wenn Du diesen Posten übernimmst, so
       musst Du den Eid auf die Republik schwören. Tust Du das und hältst ihn, so
       bist Du für mich erledigt. Ich enterbe Dich und schließe Dich aus meinem
       Hause aus. Schwörst Du nur, um den Eid bei Gelegenheit zu brechen, so wirst
       Du meineidig, bist kein Gentleman mehr und für mich auch erledigt.
       Hohenzollern brechen ihren Eid nicht. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit,
       dass die Hohenzollern über den republikanischen, roten Ebertschen
       Präsidentenstuhl wieder zur Macht gelangen.“
       
       Nach 1933 und der Beseitigung der Republik wäre es wohl gegangen („Du
       Kanzler, ich Präsident“). Nur hielten die Nazis ihre monarchistischen
       Helfershelfer nun lieber auf Distanz. Warum sollten sie ohne Not die Macht
       über die „Minderwertigen“ mit ihnen teilen?
       
       Drei weitere als Historiker vor den Ausschuss im Bundestag geladenen
       Sachverständige – Peter Brandt (Hagen), Stefanie Middendorf (Potsdam),
       Stephan Malinowski (Edinburgh) – widersprachen denn auch Hasselhorns
       Geschichtsauffassung. Zu eindeutig ist die Quellenlage in Hinblick auf die
       Gesinnung des Kronprinzen und anderer maßgeblicher Protagonisten des Hauses
       Hohenzollern aus jener Zeit.
       
       Der wunde Punkt der aktuellen Debatte dürfte nach Auffassung der Partei die
       Linke vielleicht auch in der Vergangenheit der Bundesrepublik zu suchen
       sein. Der Abgeordnete Jan Korte deutete dies an. Im Westen wurden die an
       den Verbrechen nachweislich beteiligten Familienclans und Dynastien nach
       1945 nicht oder nicht immer konsequent genug bestraft, deren Vermögen auch
       kaum eingezogen.
       
       ## Von Ressentiments geprägt
       
       Die Hohenzollern können heute im Bundestag auf erstaunlich entschiedene
       Befürworterinnen zählen. Am Mittwoch besonders auf die Wortführerin der CDU
       im Kulturausschuss, Charlotte Motschmann, geborene Baronesse von
       Düsterlohe.
       
       Sie gab ein durch Ressentiments und Unkenntnis geprägtes Geschichtsbild ab,
       welches man in der Partei Angela Merkels im Jahre 2020 kaum mehr vermutet
       hätte. Motschmann hatte sich bereits Mitte Januar über Kritik an den
       Hohenzollern-Forderungen empört. „Jan Böhmermann, Der Spiegel oder die taz
       – sie alle diskreditieren den Adel“, sagte Motschmann. Kritik am
       Weißwaschen von früher braunen Adligen gilt hier noch als
       Majestätsbeleidigung.
       
       Die von ihr als „populistisch“ bezeichneten Medien hatten den Kronprinzen
       mit Hakenkreuzbinde und im Nazirock gezeigt. Historische Aufnahmen, die es
       nun mal gibt, auch wenn sie nicht immer leicht zugänglich sind. Motschmann
       machte im Ausschuss erst gar nicht den Versuch, sich mit den lästigen Bild-
       und Textquellen auseinanderzusetzen, die den Kronprinz und andere aus dem
       Hause Hohenzollern historisch belasten.
       
       Kurz angebunden unterstellte sie Sachverständigen wie Malinowski, Brandt
       und Middendorf schlampige Recherchen. Nach Motschmann hat wohl der Großteil
       der Historikerzunft, seine Hausaufgaben nicht gemacht. Mit Ausnahme von
       Hasselhorn. Und natürlich Wolfram Pyta.
       
       ## Relativierung der Verantwortung
       
       Historiker Pyta hat im Auftrag der Hohenzollern ein Gutachten erstellt,
       welches den historischen Kronprinzen entlasten soll. Pyta leugnet nicht,
       was nicht zu leugnen ist. Doch er relativiert die Bedeutung des ehemaligen
       deutschen Kaiserhauses, als es half, die Eliten auf die Nazis
       einzuschwören.
       
       In Pytas von Böhmermann geleaktem Gutachten hört sich das dann so an: „Es
       ist auch nicht recht verständlich, wieso der Kronprinz hätte glauben
       sollen, dass seine Mitgliedschaft in der Motor-SA bzw. im NSKK, bzw. sein
       öffentliches Auftreten mit Hakenkreuzbinde am Arm oder in Motor-SA-Uniform
       (oder die Berichterstattung über seine Mitgliedschaft in der Presse bzw. in
       der Presse verbreitete Fotos, die ihn bei Auftritten in der genannten
       Kleidung zeigten) dem NS-Staat in irgendeiner Weise einen nennenswerten
       Nutzen einbringen würde.“ (Seite 124).
       
       So geht es seitenlang dahin. Die Bedeutung des Kronprinzen schrumpft
       letztlich auf die eines zufälligen SA-Mannes. Seine Führerbegeisterung
       letztlich unrelevante Fanpost, Pyta: „In toto bleibt somit festzustellen,
       dass die in den früheren Gutachten zusammengestellten Briefe des
       Kronprinzen – wenn man sie auch für moralisch bedenklich halten mag und in
       ihnen mithin Zeugnisse der persönlichen Urteilslosigkeit ihres Verfassers
       und/oder eines ausgeprägten Opportunismus, erblicken kann – weder auf die
       Masse der Bevölkerung (die niemals etwas von ihrer Existenz erfuhr), noch
       auf die Einzelperson Hitler irgendeinen Einfluss ausübten und folglich
       keine Wirkung hervorriefen, die in einer Begünstigung des Regimes und somit
       in einer Vorschubleistung desselben resultierten. Der entsprechende, in
       früheren Gutachten formulierte, Vorwurf, dass der Kronprinz sich durch
       seine diversen Briefe und Telegramme an Hitler und andere NS-Größen einer
       solchen Vorschubleistung des NS Systems schuldig gemacht habe, entbehrt
       somit einer realen Grundlage …“ (Seiten 135/36).
       
       Die Hohenzollern, nach 1918 gut vernetzt, im In- und Ausland zu
       Nazi-Propaganda-Zwecken zugegen, im Rückblick wollen sie auf einmal völlige
       Randfiguren gewesen sein.
       
       Der Abgeordnete Helge Lindh (SPD) macht denn in der Ausschusssitzung
       deutlich, dass „die SPD für freiwillige Entschädigungszahlungen nicht zur
       Verfügung“ stehe. Und Erhard Grundl von den Grünen fasste an die CDU
       gerichtet zusammen: „Frau Motschmann, Sie argumentieren hier wie die
       Klimaleugner“.
       
       Wird nun Monika Grütters (CDU), die Beauftragte für Kultur und Medien der
       Bundesregierung, mit den Hohenzollern weiter verhandeln? Werden weitere
       Gutachten in Auftrag gegeben? Und würde Frau Motschmann diese überhaupt
       lesen? Am Ende der Auseinandersetzung werden im Zweifelsfall Gerichte
       entscheiden.
       
       30 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Fanizadeh
       
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