# taz.de -- Konsumgewohnheiten: Total Banane
       
       > Das meistverkaufte Obst der Welt ist die aus dem Geist des Kolonialismus
       > geschaffene Dessertbanane. Kann man so etwas überhaupt fair handeln?
       
 (IMG) Bild: Hoch die Banane: dieser Sänger (Rolando Villazon) hat sie von einem Fan geschenkt bekommen
       
       Die gelbe Schale mit den bräunlichen Flecken lässt sich leicht entfernen:
       Ein gedämpftes Knacken, ein bisschen sapscht’s, lastend süßer Geruch. Er
       erinnert an Kindheit: Die Banane lässt sich lutschen wie ein Schnuller,
       einspeicheln und dann zahnlos im Säuglingsgaumen zermantschen. Süße,
       Kindheit, Unschuld, Glück: Ach, wenn’s doch so wäre!
       
       Eher lässt sich aber fragen, warum uns die Banane so ans Herz gewachsen
       ist? Wie konnte diese gelbe Beere trotz Pflanzenschutzmittelrekorden und
       trotz brutaler Anbaupraxis zur [1][Ikone der Popkultur] aufsteigen? Zum
       meistgehandelten Obst der Welt?
       
       Und das in nur 125 Jahren: In Hamburg beginnt der Fruchtimporteur Richard
       Lehmann 1895 regelhaft ein paar Dutzend Bananenbüschel zu bestellen, die er
       wohl auch verkauft. Als im November 1902 in Bremerhaven die ersten zwölf
       Büschel in die reguläre Auktion gelangen, erweisen sie sich als Ladenhüter.
       Die Hälfte findet keine Abnehmer.
       
       Heute sind die Deutschen Bananenessweltmeister. Sie lieben sie. Liegt das
       daran, dass sie das Werkzeug war, den Versailler Vertrag auszuhöhlen?
       Dessen Inkrafttreten am 10. Januar 1920 [2][markierte offiziell das Ende
       des deutschen Kolonialismus]: Die deutsch besetzten Gebiete wurden an die
       anderen europäischen Mächte verteilt. Kamerun fiel ans United Kingdom.
       
       Aber: „Der Wert der ehemaligen deutschen Pflanzungen wurde von der
       Mandatsverwaltung hoch eingeschätzt“, schreibt Kerstin Wilke in „Die
       Deutsche Banane“, ihre [3][Dissertation an der Uni Hannover]. „As a whole
       they are wonderful examples of industry, based on solid scientific
       knowledge“, zitiert sie den Leiter der Plantagenverwaltung, Frank Evans.
       Also: Wundervolle Beispiele für Industrie, basierend auf soliden
       wissenschaftlichen Kenntnissen. Und Zwangsarbeit.
       
       Man sucht dafür Käufer, und natürlich warnt Plantagenverwalter Evans, die
       Pflanzereien in Kleinbetriebe einheimischer Bauern aufzusplitten. Nein, die
       sollen mal schön in den Händen europäischer Firmen gelangen, am besten en
       bloc. Man bereitet eine Auktion vor.
       
       ## Pfeffersäcke wollen Plantagen zurück
       
       Damit schlägt die Stunde der Hamburger Kaufleute. Denn Evans war
       germanophil. Schon 1923 reist er, ohne Wissen der britischen Regierung,
       nach Berlin, und tüftelt, unterstützt von Außenminister Gustav Stresemann,
       an Tricks, wie die ehrbaren Pfeffersäcke die Plantagen zurückgewinnen
       können.
       
       Es wird ein Unternehmen gegründet, die nach dem Kamerunberg benannte Fako
       GmbH. An der Spitze: Pflanzer und Hobby-Rassekundler Wilhelm Kemner und
       Kurt Woermann, der zweite Sohn von Adolph, dem Hamburger Kolonien-Pionier.
       
       „Der Versuch, den Rückkauf zu einer kolonialpolitischen Priorität zu
       machen, hatte Erfolg“, [4][schreibt Caroline Authaler] in „Deutsche
       Plantagen in Britisch-Kamerun“. Auch dank Geheimhaltung. Das
       Schweigegelübde zu brechen wäre „wirtschaftlicher Landesverrat“, warnt der
       Fako-Gesellschaftervertrag seine Unterzeichner. Für die Auktion in London
       wird ein Strohmann engagiert, der Spekulant Tress Hart, dem die
       Fako-Protagonisten während der Versteigerung mittels Bleistiftstößen in den
       Rücken Instruktionen zumorsen.
       
       „In den 20er Jahren“, so [5][fasst die Afrikanische Frucht Compagnie
       Hamburg (AFC) das Ergebnis dieser Aktion auf ihrer] Homepage zusammen,
       „etablierte sich die AFC in fast allen europäischen Märkten.“ Zu dieser
       Zeit seien „solide, faire und ehrliche Beziehungen sowohl zum Handel als
       auch zu den Erzeugern entstanden“. Ganz, ganz sicher. Und weil, wer derart
       Gutes tut, in hanseatischer Tradition darüber schweigt, erfahren auch nach
       der Auktion vom 27. November 1924 weder die englische noch die deutsche
       Presse von dem Coup.
       
       Im Gegenteil, Woermann desinformiert die britischen Medien. Auch der
       Reichstag braucht nichts zu wissen, obwohl der Staat die Aktion mit fast
       zehn Millionen Mark subventioniert. Bilanz: Ab 1925 wird in Kamerun wieder
       deutsch gepflanzt. Der Versailler Vertrag hat ein Loch von 86.500 Hektar,
       die Weimarer Republik eine Geheimkolonie und Deutschland eine neue
       Lieblingsfrucht.
       
       Seit der Kolonialzeit baut man Bananen auf riesigen Plantagen an. In diesen
       Monokulturen wächst nichts anderes: total Banane. Die Staude trägt nur
       einmal in ihrem Leben Früchte. Nach der Ernte wird sie abgeschlagen. Von
       den oberirdischen Teilen bleibt nichts übrig.
       
       Im Boden überdauern ihre Knollen: Sie vermehrt sich über junge Triebe, die
       aus der alten Wurzel austreiben. Die weltweit angebauten Kulturbananen sind
       dabei genetische Klone. Sie haben dieselbe DNA. Das macht sie anfällig für
       Krankheiten.
       
       Und die Banane ist krank. Wenigstens die Banane, die wir kennen. Denn es
       gibt ja viele Sorten, erklärt Renata Motta, Umweltsoziologin an der Freien
       Uni Berlin. Sie forscht zu Nahrungs- und Rohstoffen in Brasilien: „Die
       Banane ist hier ein Lebensmittel, was die Menschen nicht nur als Obst
       wahrnehmen, sondern auch zum Kochen benutzen“, sagt sie. In brasilianischen
       Supermärkten gebe es daher eine riesige Auswahl an Sorten.
       
       Deren Anbau und der für den Außenhandel sind getrennte Geschäftsfelder:
       „Die großen Firmen, die den Export dominieren, dominieren hier nicht den
       Binnenmarkt“, sagt Motta.
       
       In Europa und den USA wird nur eine Gattung der vielfältigen Frucht
       vermarktet: Musa paradisica, die Dessertbanane. Süß und leicht zu kauen
       muss sie sein, also kernlos. Bereits in den 1960ern hatte eine
       Schlauchpilz-Infektion die damals weltweit verwendete „Gros Michel“ fast
       ausgerottet.
       
       Man ersetzte die Sorte durch eine gegen [6][den Erreger Fusarium oxysporum
       resistente Züchtung], die „Cavendish“, benannt nach dem Besitzer des
       Gewächshauses, in dem der Gärtner Joseph Paxton sie um 1830
       zurechtgemendelt hatte. Laut [7][Welternährungsorganisation sind derzeit 95
       Prozent der Bananen] im Handel Cavendish-Bananen.
       
       ## Old Fusi reist um die Welt
       
       Der Pilz ist da flexibler: Tropical Race 4 (TR4) ist eine Mutation des
       guten alten Fusarium oxysporum, der von 25 Jahren erst in Asien auftrat, in
       Malaysia, China, Indonesien, auf den Philippinen, dann auch in Afrika, in
       Australien. Old Fusi befällt die Wurzelknollen der Pflanzen. Seine Sporen
       verbleiben im Boden: Infizierte Flächen sind auf Dauer aus dem Spiel.
       
       Jetzt hat er Lateinamerika erreicht. Kolumbien hat im August seinetwegen
       den nationalen Notstand ausgerufen. Wenn er nach Ecuador gelangt, droht dem
       Land ein Kollaps: 81 Prozent der Bananen weltweit kommen von dort, etwa
       200.000 Menschen arbeiten direkt im Anbau, [8][fast 3,5 Milliarden
       US-Dollar] Wert haben die Exporte. Das Brutto-Inlandsprodukt liegt bei 100
       Milliarden.
       
       Wie die Importeure mit der Bedrohung durch die Krankheit umgehen, bleibt
       unklar. Der Ansprechpartner für Marketingfragen der Hamburger Importfirma
       [9][Interweichert zum Beispiel] kann die Fragen der taz nicht beantworten,
       leider. „Wir freuen uns auf Sie“, heißt es zwar auf der Homepage, aber
       immer, wenn man anruft, ist er im Meeting. Oder an der Packmaschine. Oder
       schon in den Weihnachtsferien. Auf Mails gibt es keine Reaktion.
       
       In England hat die Importfirma Elders & Fyffes in den 20er-Jahren mit groß
       angelegten Werbekampagnen die Banane durchgesetzt. Sie wird zum ersten
       Obst, das als Marke patentrechtlich registriert wird: Ab 1929 bekommt in
       England jede Banane von Elders & Fyffes einen blauen Aufkleber mit dem Logo
       „Fyffes“.
       
       Importeure aus Hamburg und Bremen imitieren das Beispiel: Es gibt
       Postkarten, es gibt Kinowerbung, bezahlte Artikel in Illustrierten,
       Bananen-Messen, Songs, Radiobeiträge, Flugblätter. Und Bananen-Politik: Der
       Reichsverband Deutscher Fruchtgroßhändler drängt die Großhändler, sich an
       Gemeinschaftswerbung zu beteiligen.
       
       Zwischen 1927 und 1930 steigt die Einfuhr um 80 Prozent. Die Bremer
       Fruchthandel GmbH von Gustav Scipio, die heute Greenyard heißt, lässt die
       speziellen Kühlwaggons der Reichsbahn knallgelb streichen. Bald heißen sie
       populär Kanarienvögel, weil Scipio auf kanarische Bananen setzt.
       
       Kurze Weltkriegspause, dann Neustart ab 1952 mit der seit 1942 bestehenden
       Eigenmarke „1x1“, auch sichert man sich das Alleinimportrecht für
       „Chiquita“-Bananen: 1967 ist das, im selben Jahr, als Miguel Ángel Asturias
       den Nobelpreis für seine Bananentrilogie erhält. Die Romane legen die
       obszöne Verquickung von guatemaltekischer Diktatur und der United Fruit
       Company offen, den Handelskolonialismus also der Chiquita-Firma, die aber
       mittlerweile zu Interweichert in Hamburg übergelaufen ist.
       
       Markenbananen sind Schwachsinn: Es bedeutet Früchte, die auf derselben
       Plantage wachsen, zu unterschiedlichen Preisen zu verkaufen. Es handelt
       sich sogar um exakte biologische Klone: Die Früchte sind also nicht nur
       gleich. Sie sind identisch. Wir alle essen dieselbe Banane. Seit
       Jahrzehnten.
       
       Der Aufkleber macht den Unterschied – oder der Anbau: Seit Nachhaltigkeit
       zum Thema wird, spielt auch der eine Rolle. Und da gibt es Differenzen: So
       schneiden laut Öko-Test nahezu alle Bio- und Fairtrade-zertifizierten
       Bananen in Sachen Pestizidbelastung mit „sehr gut“ ab. Konventionelle
       erreichen hingegen Urteile von „befriedigend“ bis „ungenügend“, Chiquita
       beispielsweise erreicht „mangelhaft“.
       
       ## Pestizide aus dem Flugzeug
       
       Aber: Wie kommen die Pestizide auf die Frucht? Aerial Spraying, das
       Versprühen von Pestiziden mit dem Flugzeug, ist da gängige Praxis. Renata
       Motta sieht dort das Hauptproblem: „Die Arbeiter sind durch die systemische
       Verwendung von Pestiziden sehr gefährdet“, sagt sie.
       
       Die Menschenrechtsorganisation Oxfam hatte das mit der Studie „Bittere
       Bananen“ 2011 [10][nachgewiesen]. Häufig sprühen die Flugzeuge während der
       Feldarbeit, haben 90 Prozent der befragten Plantagen-Helfer bestätigt.
       Weggehen? Verboten. Schutzkleidung? Man könne sich nur mit den eigenen
       Hemden abschirmen und die Nase zuhalten. Die Flieger kommen ohne
       Vorwarnung. Fast alle Befragten leiden unter Schwindel, Augenbrennen,
       Hautreizungen, Erbrechen, starker Müdigkeit und Schlaflosigkeit. Ihr
       Krebsrisiko ist erhöht.
       
       Warum man nicht nur fair gehandelte Bananen vertreibt? Weil der Markt
       nichts regelt, sondern alles schlimmer macht: Zwar ist die Macht von
       Einzelhändlern und Discountern groß. In deren Kassen landen mehr als 34
       Prozent des Bananenpreises. Aber daraus etwas zu machen, ist schwer: Der
       2019 mit großem Hallo angekündigte Versuch von Lidl, ganz auf faire Bananen
       zu setzen, war kontraproduktiv.
       
       Als die Kunden ausblieben, hat der Discounter auf Preiskampf umgeschaltet,
       den seither alle mitmachen. Auch Edeka. Die Einkaufsgesellschaft deutscher
       Kolonialwarenhändler, die heute Kaufleute heißen, hat ihre Zentrale in
       Hamburg. Bananen der Marke „Gut & Günstig“ verramscht es bundesweit für 88
       Cent das Kilo. Wie das Unternehmen seine Preise macht, wird nicht verraten.
       Aus „Wettbewerbsgründen“.
       
       Alle gemeinsam – das ginge vielleicht, wäre aber kartellrechtlich verboten.
       Ein Lieferkettengesetz wäre hilfreich, eine Steuerbegünstigung für fair
       gehandeltes Obst oder ein EU-weites Einfuhrverbot für unter
       menschenunwürdigen Bedingungen erzeugte Waren.
       
       Sonst bleibt nur die Hoffnung auf TR4. Aber der bedroht auch faire Bananen:
       „Auch Bio-Bananen sind Cavendish-Bananen“, sagt Rudi Pfeifer, der
       Geschäftsführer von Banafair, [11][dem Importeur und Großhändler, der
       ausschließlich Bananen mit Fairtrade-Siegel vertreibt]. „Da haben wir dann
       nahezu die gleiche Monokultur wie im konventionellen Bereich.“
       
       Deshalb wird seit 25 Jahren zunehmend hektisch nach resistenten Sorten
       gesucht, denen der neue Pilz nichts anhaben kann. Jetzt soll es die
       Gen-Schere richten.
       
       Rudi Pfeifer plädiert für eine andere Möglichkeit: Er vermarkte prinzipiell
       nur Bananen von kleinbäuerlichen Familienbetrieben. „Wenn etwas schützt,
       ist es die Aufgabe der intensiven Monokulturen zugunsten von
       Sortenvielfalt, Mischkultur, Agro-Forst-Systemen“, erläutert er. „Gesunde,
       kräftige Pflanzen, eine hohe Biodiversität und ein nährstoffreicher Boden
       halten Schädlinge im Zaum.“
       
       Er fordert den Systemwechsel: „Die Billigbanane ist ein Auslaufmodell“,
       sagt er. „Eine Änderung der Produktionsbedingungen, in sozialer wie
       ökologischer Hinsicht, ist dringend geboten.“ Decolonize [12][banana].
       
       Mehr zum Welthandel und was Fairtrade dort retten kann, lesen Sie in der
       taz am Wochenende oder [13][hier].
       
       10 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dailyartmagazine.com/the-story-velvet-underground-warhol-cover/
 (DIR) [2] http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/dirksen/id/370606
 (DIR) [3] https://d-nb.info/972352945/34
 (DIR) [4] https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-27242
 (DIR) [5] https://www.laeisz.de/unternehmen/toechterbeteiligungen/afrikanische-frucht-compagnie-gmbh/
 (DIR) [6] https://www.pflanzenforschung.de/de/journal/journalbeitrage/banane-not-ein-winziger-pilz-als-bananenkiller-10548
 (DIR) [7] http://www.fao.org/index.php?id=46474
 (DIR) [8] https://oec.world/de/profile/country/ecu/
 (DIR) [9] https://www.interweichert.de/home.html
 (DIR) [10] https://www.oxfam.de/system/files/20111230_oxfambananenstudie_2072kb.pdf
 (DIR) [11] https://www.banafair.de/
 (DIR) [12] https://www.apocalypse.dance/projekte/banana-island
 (DIR) [13] /Unser-eKiosk/!114771/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mahé Crüsemann
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