# taz.de -- Frauen in der elektronischen Partyszene: Where’s that girl?
       
       > Weibliche DJs sind selten im Techno – dabei hat die Musik eine
       > emanzipatorische Tradition. Nur langsam machen die Männer hinterm Pult
       > Platz.
       
 (IMG) Bild: Ein seltenes Bild am DJ-Pult
       
       Wirft man einen Blick auf viele Line-ups in der elektronischen Partyszene,
       [1][mag man auf die Idee kommen, dass nur Männer auflegen können.] Das
       stimmt natürlich nicht, aber Fakt ist, dass Männer unverhältnismäßig oft
       hinter dem DJ-Pult stehen. Dem „Facts Survey“-Bericht des feministischen
       Netzwerkes female:pressure zufolge traten weltweit von 2016 bis Mitte 2017
       auf Festivals im Schnitt 77,2 Prozent Männer gegenüber nur 15,7 Prozent
       Frauen* auf.
       
       Ursprünglich stand elektronische Tanzmusik für Diversität: Die Szene wuchs
       in den 1970er und 80ern aus queeren, überwiegend nicht weißen Communitys in
       den USA. Wer heute auf Festivals oder in Clubs zum Tanzen geht, sieht eine
       Partyszene, die von weißen Technobros dominiert wird. Weibliche DJs müssen
       um Sicht- und Hörbarkeit kämpfen. Doch es gibt DJs, die daran etwas ändern
       wollen: mit Workshops und Quoten hin zu einer gendergerechten Musikszene.
       
       Nadine Moser ist eine, die es geschafft hat. Besser bekannt unter ihrem
       DJ-Namen Resom ist sie mittlerweile Residentin im beliebten
       Friedrichshainer Technoclub about blank und tourt rund um die Welt. Dabei
       gehört sie nicht selten zu den einzigen Frauen* auf dem Line-up. Für Moser
       ein großes Problem. Deswegen ist sie Mentorin beim „Spoon Workspace“, der
       DJ-Kurse für Frauen*, Transpersonen und nicht-binäre Menschen in den
       Berliner Clubs anbietet.
       
       Das Projekt wurde von der Produzentin Ena Lind gegründet. „Ich will
       diejenigen stärken, die die Tools noch nicht kennen oder haben“, sagt
       Moser. Über drei Stunden lernen Teilnehmer*innen in Workshops das Abc des
       Auflegens. „Wir versuchen das auf Vinyl zu beschränken, weil die Leute dann
       auch einen haptischen Hintergrund haben“. Digital-Workshops mit CDJ-Spieler
       und MP3s gibt es aber auch.
       
       ## Workshops in China
       
       Dabei wollen Moser und Lind die Zugangsmöglichkeiten so niedrig wie möglich
       halten – vor allem die finanziellen. „Ein einmaliger Anfänger*innen
       Workshop für Vinyl kostet zum Beispiel um die 30 Euro“, sagt Moser. Manche
       Workshops werden kostenlos angeboten. „Die gesellschaftlichen Gefüge sind
       immer noch so, dass Frauen* einfach weniger verdienen und andere Zugänge
       haben – und diese Gefüge gehören aufgerüttelt. Solange dem so ist, werden
       wir weiterhin die Workshops anbieten.“ Die Nachfrage ist groß, das Angebot
       klein: Die 10 Plätze im monatlichen Workshop sind stets ausgebucht.
       
       Mittlerweile werden die Kurse auch international organisiert. Dieses Jahr
       begleiteten Moser und Lind schon in Peking, China und in Manila auf den
       Philippinen DJ-Workshops. „In China gab es hundertmal mehr Nachfrage als in
       Deutschland. Nachdem die Ausschreibung für den Workshop online
       veröffentlicht wurde, gab es innerhalb von acht Stunden 200 Bewerbungen für
       10 Plätze.“ Das weltweite Interesse von Frauen* aufzulegen ist also da,
       doch wenn Booker*innen nicht auf Gendergerechtigkeit achten, ändert sich
       nichts an der Situation.
       
       André Janizewski und Markus Ossevorth ist das Problem bewusst. Seit 1995
       leiten die beiden das Technofestival „Nation of Gondwana“ im
       brandenburgischen Grünefeld. Dem Facts-Survey zufolge gab es 2014 nur 11,1
       Prozent weibliche Künstler*innen in ihrem Programm. Janizewski sieht zwei
       Hauptgründe dafür. „Wir haben sehr viele alte Bekannte, die wir immer
       wieder versuchen in unser Booking einzubauen. Leider gab es Ende der
       Neunziger nicht sehr viele weibliche Musikerinnen in unserer Szene und
       dementsprechend wenige Frauen* hatten wir, die auch damals bei uns gespielt
       haben.“
       
       Zudem spielen die Booking-Agenturen, mit denen das Festival
       zusammenarbeitet, eine Rolle. „Das ist in der Regel schneller und
       unkomplizierter als unabhängige Acts ohne Agentur zu buchen. Wenn du dir
       die bekannten Agenturen aber anschaust, dann ist dort der Anteil der
       männlichen DJs deutlich höher als der Anteil der Frauen*.“ Janizewski und
       Ossevorth versuchen beim Booking darauf zu achten, zusätzlich lassen sie
       einen Floor vom Netzwerk für weibliche Künstler*innen „Who’s That Girl“
       kuratieren, auf dem eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent erfüllt
       werden muss.
       
       ## „Ich hatte fast aufgegeben“
       
       Auch das linksalternative Fusion Festival setzt sich mit dem Thema
       auseinander. 2015 und 2016 betrug der Frauenanteil im Line-up nur 10,9
       Prozent. Das Bookingteam des das Festival ausrichtenden Vereins
       Kulturkosmos bestehe zum überwiegenden Teil aus Frauen, sagt eine
       Sprecherin des Festivals. Trotzdem sind auf den vom Kulturkosmos gebuchten
       Bühnen vorwiegend Männer zu sehen. Die Daten von 2019 sind noch nicht
       verarbeitet worden, auf der Turmbühne – der Haupttechnobühne auf dem
       Festival – habe der Männeranteil laut der Veranstalter*innen dieses Jahr
       Zweidrittel betragen.
       
       „Auf einen Teil der Technoslots buchen wir vorrangig Acts, die schon eine
       gewisse Stellung in der Szene für sich beanspruchen können. Der Anteil der
       weiblichen Acts ist hier leider noch sehr gering. Verglichen mit dem
       Verhältnis zu den monatlich erscheinenden Releases und dem darin
       vertretenen Frauenanteil sind wir jedoch definitiv zu weiblichen Acts
       tendierend“, heißt es von Kulturkosmos.
       
       Bei den kleineren Bühnen achte das Festival verstärkt darauf, weibliche
       Künstlerinnen eine Bühne zu bieten. Bei anderen großen Festivals in
       Deutschland wie dem Melt! in Sachsen-Anhalt (2016: 14,9 Prozent) oder dem
       Time Warp in Mannheim (2017: 12,2 Prozent) ist das Problem der
       Genderungleichheit nicht weniger gravierend. Beide Festivals reagierten auf
       eine taz-Anfrage nicht.
       
       DJ S Ruston sieht gerade große Festivals und Clubs als Hauptsünder dafür,
       dass sich in der elektronischen Szene nichts verbessert: „Je größer ein
       Club ist, umso mehr kann er den Rest der Welt beeinflussen. Es ist deren
       Verantwortung, den Weg zu zeigen.“ Die Britin, die mit bürgerlichem Namen
       Sophie Ruston heißt, bekam das selbst zu spüren. Seit 18 Jahren legt die
       Wahlberlinerin auf, der große Erfolg blieb aber lange aus.
       
       „Ich hatte eigentlich fast aufgegeben. Dann vor ungefähr zwei Jahren sind
       Booker in Panik geraten und wollten ausgeglichenere Line-ups“. Das habe sie
       einem gesellschaftlichen feministischen Wandel zu verdanken, meint Ruston.
       „Plötzlich wurde ich mehr gebucht, weil sie Frauen* brauchten. Damit bekam
       ich einen neuen Aufschwung“. Seit zweieinhalb Jahren ist Ruston nun
       Residentin bei der queeren Sexpartyreihe „Lecken“, seit Mai diesen Jahres
       ist sie auch Residentin im Berliner Club „Salon zur wilden Renate“. Ihre
       Karriere möchte sie auch dafür nutzen, um andere zu fördern.
       
       ## Partys werden besser
       
       Sechs Monate nachdem sie selbst gelernt hat, wie man auflegt, wurde Ruston
       angefragt, Kurse für Mädchen in Jugendzentren in der Nähe ihrer Heimatstadt
       Bristol in Großbritannien zu geben. „Was mich am meisten schockiert hat,
       war, dass fast jedes Mal, egal wo ich war, die Mädels gesagt habe: das
       fasse ich lieber nicht an, das mache ich nur kaputt. Es war eine
       Standardantwort. Aber wo kommt dieses Gefühl überhaupt her, dass wir als
       Frauen* sofort Technik kaputt machen, wenn wir was anfassen?“
       
       Ein Blick in den Facts-Survey zeigt, dass es langsam vorwärts geht: Der
       Anteil von weiblichen Performerinnen auf Festivals lag 2012 bei nur neun
       Prozent – 2017 aber schon bei 18,9. Deutschland liegt mit nur 14,8 Prozent
       unter dem Durchschnitt.
       
       Für Nadine Moser, die neben ihrer DJ-Karriere weiter Partys im about blank
       kuratiert, ist es auch wichtig, bei ihren eigenen Partys auf
       Genderausgeglichenheit zu achten. Eine Frauenquote findet sie zwar
       problematisch – aber notwendig: „Bei Quoten geht es um eine
       Geschlechterbinarität, und Line-ups sollten ausgeglichen sein –
       geschlechtlich sowie musikalisch. Da spielt es für mich nicht unbedingt
       eine Rolle, welches Geschlecht eine Person sich selbst zuschreibt. Ich sehe
       aber trotzdem die Notwendigkeit, denn noch ist es nicht soweit“.
       
       Auch Rustons Erfahrung ist meist positiv. [2][„Die Partys sind tatsächlich
       besser geworden.] Plötzlich standen nicht nur irgendwelche cis-Kerle hinter
       dem Pult. Dann wurde alles viel spannender.“
       
       25 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.vice.com/de/article/vb4p94/von-berghain-bis-aboutblank-die-berliner-clubszene-hat-ein-frauenproblem
 (DIR) [2] /Interview-mit-Berliner-Tuersteherinnen/!5625350/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicholas Potter
       
       ## TAGS
       
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