# taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Hysterie um den Deckel
       
       > Privateigentümer, Genossenschaften und der Markt – alle drehen durch. Ein
       > Aufruf jetzt die Mieten zu erhöhen kommt aber wohl zu spät.
       
 (IMG) Bild: Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist der schönste Deckel im ganzen Land?
       
       Wann kommt endlich der Mietendeckel? 
       
       Auf seiner Sitzung am kommenden Dienstag will der Senat die Eckpunkte des
       geplanten Gesetzes zum [1][Mietendeckel] verabschieden. Für fünf Jahre
       sollen alle Mieten eingefroren und eine Mietobergrenze festgesetzt werden –
       darauf haben sich die Koalitionäre geeinigt. Der Zeitplan sieht vor, dass
       sich ab dem späten Herbst das Abgeordnetenhaus mit dem Gesetz befassen
       wird, in Kraft soll es zu Beginn des neues Jahres treten. Allenthalben wird
       damit gerechnet, dass das Gesetz eine rückwirkende Stichtagesregelung
       beinhalten wird. Damit wären bereits Mieterhöhungen etwa ab dem
       Sensatsbeschluss am 18. Juni verboten. Ohne eine solche Regelung bliebe den
       Vermietern bis Jahresende Zeit für derzeit maximal zulässigen
       Mieterhöhungen.
       
       Kommt die Mieterhöhung dann schon in den nächsten Tagen? 
       
       Das kann passieren. So hat etwa der mittelständische Eigentümerverband Haus
       und Grund seine Mitglieder zu sofortigen Mieterhöhungen aufgerufen. Auf der
       Website ist ein Countdown geschaltet. „Erhöhen Sie bis zum 17. Juni 2019
       die Miete!“, steht da; danach „werden Sie in Berlin womöglich Ihre Miete
       nicht mehr erhöhen können. Für lange Zeit!“ Der Verband will damit nach
       eigenen Angaben auch ein Zeichen „gegen die linke Wohnungspolitik“ setzen.
       Möglichkeiten für Mieterhöhungen ergeben sich aus dem erst im Mai
       veröffentlichte Mietspiegel. „Wenn nun bis zum 17. Juni Mieten erhöht
       werden, dann wäre das die Vorverlagerung von Mieterhöhungen wegen des neuen
       Mietspiegels, die möglicherweise im Herbst gekommen wären“, sagt Sebastian
       Bartels vom Berliner Mieterverein.
       
       Hat Haus und Grund noch alle Tassen im Schrank? 
       
       Nein.
       
       Kann man sich gegen die Mieterhöhungen wehren? 
       
       „Niemand muss in Panik verfallen“, so Bartels. Jede Mieterhöhung müsse vom
       Vermieter begründet werden, entweder mit dem Mietspiegel, dem Verweis auf
       eine Vergleichswohnung oder einem Sachverständigengutachten. Anhand dieser
       drei Kriterien kann eine Mieterhöhung überprüft und gegebenenfalls
       beanstandet werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verweist
       darauf, dass Mieter bis zu drei Monate Zeit haben, einer Mieterhöhung
       zuzustimmen. Eine „wirksame Vereinbarung der Miethöhe“ käme bei
       Ausschöpfung der Frist erst nach dem Senatsbeschluss zustande und wäre laut
       Senat damit ungültig.
       
       Sind alle Vermieter gegen den Deckel? 
       
       Sieht so aus. Neben Haus und Grund hat sich auch der Wohnungsverband BBU
       kritisch geäußert. Demzufolge gefährde der Mietendeckel die
       Wirtschaftlichkeit der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Mit
       dem Deckel würde „eine ganze Branche undifferenziert an den Pranger
       gestellt“, heißt es vom BBU. Kritische Stellungnahmen gibt es auch vom
       Verband der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin: „Die ‚Atempause für Mieter‘
       zerstört das soziale Mietengefüge der Wohnungsbaugenossenschaften.“
       
       Ulf Heitmann, Vorstand der Genossenschaft Bremer Höhe und Sprecher des
       Zusammenschlusses der Jungen Genossenschaften, sagt auf Anfrage der taz:
       „Wir drucken gerade Mieterhöhungen aus.“ Den Mietendeckel lehne man nicht
       grundsätzlich ab – einen Mietenstopp jedoch schon. Ohne die Möglichkeit von
       Mietanpassungen – angelehnt an die Inflationsrate – kämen die
       Genossenschaften in „wirtschaftliche Nöte“. Dagegen helfe auch nicht der
       Passus im Eckpunktepapier, der bei „wirtschaftlichen Härtefällen“ eine
       Erlaubnis zu Mieterhöhungen in Aussicht stellt, die bei der
       Investitionsbank Berlin beantragt werden muss. „Das ist ein bürokratisches
       Monster“, so Heitmann.
       
       Was sagt die Politik? 
       
       Mit Verweis auf die vorgesehene Härtefallregelung sei die Kritik der
       Genossenschaften „unberechtigt“, heißt es aus dem Haus von
       Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Den Aufruf von „Haus und
       Grund“ bezeichnete Lompscher als „verheerendes Signal“. Damit würden
       MieterInnen „zum Faustpfand der Immobilienlobby degradiert“. Die
       Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger würde politisch hingegen „eine
       gesonderte Regelung für gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen
       begrüßen“, dies aber „scheint bisher juristisch nicht möglich zu sein
       aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes“. Verhindert werden müsse, dass
       verantwortungsvolle Vermieter „in eine finanzielle Schieflage“ getrieben
       werden.
       
       Wie reagiert der Markt? 
       
       Kursverluste für Deutsche Wohnen. Deren Aktie verlor in einer Woche fast 15
       Prozent.
       
       Kommt der Mietendeckel jetzt überall? 
       
       Berlins Vorpreschen hat für Aufsehen gesorgt und in vielen Städten die
       Diskussion angeheizt. In Städten mit starken Mieterbewegungen und hohen
       Mieten wie Frankfurt am Main, Hamburg oder München wird die Diskussion
       schon geführt. Die Linke fordert den Deckel bundesweit: Parteichef Bernd
       Riexinger möchte „eine lokal angepasste Obergrenze für Mieten im Mietrecht
       zu verankern“.
       
       12 Jun 2019
       
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