# taz.de -- Kommentar NS-Kriegsopfer: Vergessen, verdrängt, verachtet
> Ein Mahnmal für die NS-Kriegsopfer in Osteuropa wäre ein politisches
> Signal. SPD, Grüne, FDP und Union sollten dieses Projekt zu ihrer Sache
> machen.
(IMG) Bild: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, hier im Landtag von Baden-Württemberg
Es gibt zwei Einwände gegen ein [1][Mahnmal, das an die Opfer des
NS-Vernichtungskrieges im Osten] erinnern soll. Der erste: In Berlin gibt
es das Holocaust-Mahnmal, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, das Haus
der [2][Wannseekonferenz,] Erinnerungsorte für Roma und Sinti,
Homosexuelle, Euthanasieopfer und noch mehr.
Man kann darin eine Überkompensation der Nachgeborenen erkennen – was nach
1945 schändlich versäumt wurde, wurde später entschlossen nachgeholt. Das
zweite Argument lautet: Ein Mahnmal für den NS-Krieg gegen Polen und die
Sowjetunion presst Opfergruppen zusammen, die 2019 nicht zusammengehören
wollen.
Wir sollten diese beiden Einwände bedenken – und nach sorgsamer Abwägung
verwerfen. Es ist richtig, dass Ukrainer, Polen, Weißrussen und Russen sich
2019 teils feindlich gegenüberstehen. Aber ein Mahnmal in Berlin schafft
kein künstliches Opferkollektiv. Es ist ein Mahnmal für uns, für die
Nachfahren der Täter, in deren rassistischem Blick und militantem
Antislawismus alle im Osten „Untermenschen“ waren.
Der Krieg gegen diese war ein zentrales Element der NS-Ideologie. Er hat
Abermillionen Unschuldige das Leben gekostet, die in der hiesigen
Erinnerungskultur ein weißer Fleck geblieben sind. Die weißrussische
Bäuerin, die als Geisel erschossen wurde, der junge Rotarmist, den die
Wehrmacht 1941 mit Hunderttausenden anderen sowjetischen Gefangenen gezielt
verhungern ließ, der Lehrer in Warschau, der exekutiert wurde, weil die
Polen zum Sklavenvolk werden sollten – sie sind in der kollektiven
Erinnerung der Deutschen bestenfalls Schattenrisse. Sie haben keine Namen,
keine Gesichter, keine Bedeutung. Sie sind keine Figuren von Spielfilmen
oder Serien geworden, kein RomanheldInnen.
Diese Vergessenen, Verdrängten, Verachteten, die nach 1945 vielen
Westdeutschen weiterhin als Feinde und Gefahr galten, haben Anspruch auf
ein Mahnmal in Berlin. Nötig ist das politische Signal, dass es gewollt
wird. [3][SPD, Grüne, FDP und Union] sollten dieses Projekt zu ihrem
machen. Es ist überfällig.
1 Feb 2019
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(DIR) Stefan Reinecke
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