# taz.de -- Teilrücknahme der Justizreform in Polen: Regierung gibt nach, aber nicht auf
       
       > Die regierenden Nationalpopulisten ziehen die Zwangsverrentung der
       > Obersten Richter zurück. Doch das „Justiz-Reformwerk“ wird nicht
       > gestoppt.
       
 (IMG) Bild: „Verfassung!“ Protest gegen die Zwangsverrentung der Obersten Richter im Oktober in Warschau
       
       Warschau taz | Nun sind sie plötzlich keine „gemeinen Verbrecher“ mehr,
       keine „außergewöhnliche Kaste“ und auch keine „Kommunisten“ mehr: die
       Richter des Obersten Gerichts in Polens. Monatelang waren sie in Polen
       verunglimpft worden.
       
       Um hohen Strafgeldern des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg zu
       entgehen, verabschiedeten Polens regierende Nationalpopulisten im gewohnten
       Turbotempo ein Gesetz, das die Zwangspensionierung von 27 Obersten Richtern
       rückgängig machen soll. Damit kommt Polen einer [1][einstweiligen Verfügung
       des EuGH nach]. Doch die Opposition in Polen wie auch viele Richter halten
       den Rückzug der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nur für ein
       taktisches Manöver.
       
       Ein Nachgeben in der Rentenfrage soll die Europäische Kommission dazu
       bewegen, die Klage gegen Polen vor dem EuGH zurückzuziehen, so dass es am
       Ende keinen Schuldspruch, ja nicht einmal ein Urteil geben würde.
       
       Ziel der PiS ist es, vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019
       den schon drei Jahre lang schwelenden Konflikt mit der EU abzumildern. Dazu
       dient auch die inzwischen siebte Gesetzesnovelle zum Obersten Gericht, die
       Andrzej Duda, Polens Präsident und eigentlicher Autor des
       Zwangs-Verrentungs-Gesetzes noch unterschreiben muss.
       
       ## Gutes EU-Mitglied
       
       Die PiS will mit der Novelle der eigenen Wählerschaft zeigen, dass sie sich
       das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lässt, als gutes
       EU-Mitglied aber natürlich die Urteile bzw. die einstweilige Verfügung des
       EuGH in Luxemburg respektiert und in polnisches Recht umsetzt.
       
       Dabei soll in Vergessenheit geraten, dass Polens Justizminister und
       Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro vom polnischen Verfassungsgericht
       klären lassen wollte, ob das EU-Recht höherrangig als das nationale Recht
       sei, Polen also tatsächlich Urteile des EuGH umsetzen müsse. Die
       Gesetzesnovelle soll auch verschleiern, dass die Richter, die Opfer der
       Säuberungswelle werden sollten, schon vor gut einem Monat auf ihre Posten
       zurückkehrten und seitdem Urteile sprechen.
       
       Denn der EuGH-Beschluss vom 19. Oktober 2018 hob bereits die
       Zwangspensionierung der 65- bis 70jährigen Richter am Obersten Gericht
       rückwirkend auf. Laut Krzysztof Raczka, Rechts-Professor an der Universität
       Warschau und Richter am Obersten Gericht, ist die Gesetzesnovelle der
       polnischen Regierung völlig unnötig, da der EuGH-Beschluss bereits neues
       Recht geschaffen habe.
       
       „Die Teilrücknahme der Justiz-Reform ist zwar ein Schritt in die richtige
       Richtung“, sagt Grzegorz Schetyna, der Vorsitzende der
       liberal-konservativen Oppositionspartei Bürgerplattform (PO), „doch sie
       löst das eigentliche Problem nicht: die Demontage des gesamten polnischen
       Rechtssystems, das mit der Entmachtung des Verfassungsgerichts begonnen
       hat.“
       
       Vize-Justizminister Michal Wojcik von der PiS bestätigt die Analyse
       Schetynas, wenn auch aus anderer Perspektive: „Wir werden unser großes
       Justiz-Reformwerk zu Ende führen“, sagte er in einem Fernsehinterview. „Wir
       hissen hier nicht die weiße Fahne!“
       
       23 Nov 2018
       
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