# taz.de -- Ex-Referatsleiter über politische Bildung: „Lehrer dürfen nicht neutral sein“
       
       > Lehrerbildungs-Experte Kurt Edler sagt, dass Parteien keinen Anspruch
       > haben, in Schulen eingeladen zu werden – auch nicht die AfD, die deswegen
       > beleidigt ist.
       
 (IMG) Bild: Will rein in die Hamburger Schulen: Die AfD, hier beim Landesparteitag 2017
       
       taz: Herr Edler, die AfD in Hamburg beklagt ihre Ausgrenzung an Schulen.
       Müssen Schulen die AfD einladen? 
       
       Kurt Edler: Keine Partei hat ein Recht, von Schulen eingeladen zu werden
       oder sich in Schulen zu engagieren. Wenn es aus methodisch-didaktischen
       Gründen geboten ist oder ein Interesse der Schulöffentlichkeit besteht oder
       von Kursen und Klassen, sich mit einer Partei und deren Positionen
       auseinanderzusetzen, dann können Parteien eingeladen werden. Aber ein
       Recht, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen, hat keine Partei.
       
       Aber es gibt eine Bestimmung der Schulbehörde zum Umgang mit politischer
       Werbung. Da steht, wenn Parteien eingeladen werden, dann alle. 
       
       Der Sinn dieser Vorschrift ist, dass es ein plurales Spektrum von Meinungen
       gibt. Das hat zu tun mit dem sogenannten „Beutelsbacher Konsens“, der
       Kontroversität vorschreibt, also nicht nur eine Meinung zur Geltung kommen
       zu lassen. Das gilt sowohl für die Schulöffentlichkeit als auch für den
       Unterricht. Aber dies kann gewährleistet werden, ohne dass immer alle
       Parteien eingeladen werden. Ein Beispiel: Beschäftige ich mich in
       Wirtschaftskunde mit sozialer Gerechtigkeit, kann ich zwei Parteien
       einladen, von denen ich weiß, dass sie dazu verschiedene Meinungen haben,
       zum Beispiel die FDP und die Linke. Aber keineswegs hätten zum Beispiel die
       Grünen dann ein Recht, auch geladen zu werden.
       
       Gilt das auch für Podiumsdiskussionen? 
       
       Das kann auf einem Podium genauso sein. Wenn ein Moderator sagt, wir
       sollten nicht mehr als drei verschiedene Positionen auf der Bühne haben,
       ist das konferenzdidaktisch plausibel. Bei der AfD haben wir außerdem aber
       noch ein besonderes Problem. Die Schulen müssen darauf achten, dass den
       Jugendlichen keine verfassungsfeindlichen oder schulgesetzwidrigen
       Positionen nahegebracht werden. Deswegen wäre bei einem AfD-Vertreter
       zunächst zu prüfen, ob er zum Beispiel Standpunkte wie Björn Höckes
       Aussagen zum Holocaustmahnmal auch gegenüber den Jugendlichen vertreten
       würde. Das wäre klar unvereinbar mit dem Schulgesetz.
       
       Inwieweit müssen Lehrer neutral sein und sich mit ihrer Meinung
       zurückhalten? 
       
       Lehrer dürfen gar nicht neutral sein. Sie sind durch das Schulgesetz und
       die Verfassung in Sachen Menschenrechte und Demokratie darauf festgelegt,
       grundrechtsklar gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und diskriminierende
       Positionen, wie sie die AfD laufend vertritt, aufzutreten. Insofern haben
       sie eine Pflicht zur demokratischen Parteilichkeit. Und es gebietet die
       Fairness, die eigene Position in einer Streitfrage auch kenntlich zu
       machen.
       
       In der Zeit spricht Schuljurist Philipp Verenkotte vom „Graubereich“, wenn
       es darum geht, was ein Lehrer darf. 
       
       Es gibt in der pädagogischen Arbeit niemals nur Schwarz und Weiß. Es ist
       notwendig, Positionen, die fragwürdig sind, abzuklopfen und zur Diskussion
       zu stellen. Der Lehrer ist in einem seriösen Unterricht niemals nur
       Parteigänger einer speziellen Position. Er ist immer Moderator und stellt
       kritisch Positionen zur Diskussion. Beschäftigen wir uns mit dem
       Nationalsozialismus, muss selbstverständlich an Originalquellen der
       Rassismus und der Antisemitismus für Schüler nachvollziehbar sein. Wenn wir
       dann einen AfD-Vertreter in unseren Gemeinschaftskundekurs einladen, um ihm
       die deftigsten Zitate von Gauland und von Storch vorzuhalten und sie mit
       den NS-Positionen zu vergleichen, ist es ohne Weiteres denkbar, dass nur
       der AfD-Mann im Unterricht erscheint und kein anderer Parteivertreter.
       
       Müssen Lehrer auch Meinungen unterdrücken? 
       
       Sie müssen zumindest die Fatalität von Positionen herausarbeiten. Wir haben
       aber Fälle gehabt, gerade im Bereich des islamistischen Extremismus, in
       denen Schüler coram publico die Ermordung der französichen Karikaturisten
       von Charlie Hebdo gerechtfertigt haben. Da ist dann die rote Linie zur
       Straftat überschritten. Wenn ich jedoch in meinem Unterricht zur Debatte
       auffordere und sage, jetzt mal Feuer frei, sagt einfach mal, was ihr denkt,
       und wir diskutieren das Thema kontrovers, dann habe ich eine Situation
       geschaffen, wo, wenn wir hinterher dem Schüler ans Leder wollten, der
       Verwaltungsrichter zu Recht sagen könnte: „Naja, Herr Edler, wenn Sie
       sagen, alles auf den Tisch gepackt, was ihr denkt, dann muss der Schüler
       etwas Riskantes sagen können, ohne dass ihm daraus ein Strick gedreht
       wird.“
       
       Können sich Schüler durch Äußerungen strafbar machen? 
       
       Selbstverständlich. Eine Äußerung ist immer auch eine Handlung. Wenn ein
       Schüler den anderen rassistisch diskriminiert, wird das erst mal auf der
       Ebene des Schulrechts und der Hausordnung geregelt. Aber wenn ältere
       Schüler Positionen vertreten, wie sie beispielsweise von
       Nazi-Kameradschaften zu hören sind, dann müssen sie dafür auch die
       Verantwortung übernehmen. Das umso mehr, falls dies vor der
       Schulöffentlichkeit geschieht.
       
       Machen Lehrer Fehler im Umgang mit der AfD? 
       
       Fehler werden überall gemacht.
       
       Was ist die pädagogisch richtige Art zu reagieren? 
       
       Wir müssen Schülern die demokratische Handlungskompetenz vermitteln, sich
       mit fremdenfeindlichen, rassistischen und diskriminierenden Positionen
       auseinanderzusetzen. Dazu gehört aber, dass sie diese Positionen
       kennenlernen. Deswegen wäre es eine Riesendummheit, die Jugendlichen von
       einer Diskussion mit Deutschtümlern, Fremdenhassern und Hasspredigern
       abzuhalten.
       
       Wie verhindert man, dass die AfD sich als Opfer geriert? 
       
       Indem man so differenziert vorgeht, wie ich es hier empfohlen habe und kühl
       und gelassen mit einem noch sehr schillernden Phänomen umgeht. Wir sollten
       nicht verkennen, dass es in der AfD auch Menschen gibt, die Nazis ablehnen
       und die lieber heute als morgen den ultrarechten Flügel vor die Tür setzen
       würden. Mit diesen bürgerlich-konservativen Kräften muss man natürlich
       einen Draht aufbauen, um die Selbstreinigung dieser neuen Partei zu
       befördern.
       
       Sie sind optimistisch. 
       
       Als die GAL noch jung, radikal und frech war, wurde sie auch im Parlament
       behindert. Ich war ja in der ersten Bürgerschaftsfraktion dabei. Wir haben
       die Behinderung öffentlich gemacht, aber waren nicht so larmoyant wie die
       AfD heute. Es gehört zum Wesen des Rechtspopulismus, sich als Opfer zu
       stilisieren, um Massenemotionen zu wecken, mit denen man bei Wählern
       punkten kann. Aber diesen Trick kann die AfD nicht lange nutzen. Ich bin
       sicher, der Parlamentarismus wird auch diese Partei zähmen.
       
       2 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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