# taz.de -- Experte zum Umgang mit der AfD: „Den Keil reintreiben“
       
       > Wie sollte der Bundestag mit der AfD umgehen? Nicht alles durchgehen
       > lassen, rät Fedor Ruhose, der ein Papier mit 15 Empfehlungen
       > veröffentlicht hat.
       
 (IMG) Bild: Weidel, Gauland und Baumann. Spielt die AfD Spielchen?
       
       taz: Herr Ruhose, Sie haben den Umgang der anderen Parteien mit der AfD in
       Rheinland-Pfalz und anderen Landtagen beobachtet und ein Papier mit 15
       Empfehlungen für die Fraktionen im Bundestag geschrieben. Sind Sie mit
       deren Agieren bisher zufrieden? 
       
       Fedor Ruhose: Am Donnerstag, bei der Diskussion über den AfD-Antrag zu den
       Kolumnen von Deniz Yücel, konnte man es wirklich sein. Die anderen
       Fraktionen standen eng zusammen und für ein klares Wertegerüst ein – trotz
       unterschiedlicher politischer Einstellungen. In unterschiedlicher Stärke
       wurden leidenschaftliche Gegenreden gegen die Rechtspopulisten gehalten und
       damit wurde gezeigt, dass man zusammen unsere demokratischen Werte
       verteidigt und Angriffe auf die Pressefreiheit nicht zulässt. Das war gut.
       Aber allgemein lässt sich die Frage schwer beantworten. Der Umgang mit der
       AfD ist ein Prozess von Trial and Error.
       
       Was heißt das? 
       
       Die Debatte um die Besetzung des Bundestagsvizepräsidenten ist zum
       Beispiel gut gelaufen, die zum Parlamentarischen Kontrollgremium eher
       nicht.
       
       Warum? 
       
       Beim Bundestagspräsidium hat man hat klargemacht, dass der AfD der Posten
       zusteht, an den parlamentarischen Regeln sollte man auch nicht
       herumtricksen. Aber dann wurde Albrecht Glaser wegen konkreter Bedenken
       nicht gewählt. Das war überzeugend. Den Kandidaten für das Parlamentarische
       Kontrollgremium …
       
       … Roman Reusch, ein Oberstaatsanwalt …
       
       … den hätte man einfach wählen können und so eine Debatte verhindert.
       Stattdessen hat man diese immer wieder befeuert und der AfD die Chance
       gegeben, die Opferkarte zu spielen. Und am Ende wurde Reusch doch gewählt.
       Bei den drei Ausschussvorsitzenden wiederum hat man das Richtige gemacht:
       Sie mussten dieses Mal gewählt werden – was üblicherweise nicht der Fall
       ist, wenn Einigkeit besteht – und stehen jetzt unter Beobachtung, ob sie
       ihre Aufgabe angemessen erfüllen. Die AfD sitzt jetzt im Bundestag, und da
       muss man mit vielen Störfeuern umgehen. Die Frage, die mich umtreibt, ist:
       Wann lohnt es sich, dieses Spielchen mitzumachen? Wann muss ich also
       dagegenhalten? Und wann bereite ich nur eine Bühne, die die AfD sonst gar
       nicht hätte?
       
       Und wie ist Ihre Antwort? 
       
       Nicht auf jede Provokation eingehen, das ist eigentlich die wichtigste von
       meinen 15 Regeln. Und gleichzeitig kein Agenda-Cutting betreiben. Also
       Themen nicht aussparen, weil die AfD sie für sich entdeckt oder sie ihren
       Markenkern betreffen. Dass Probleme im Bereich Integrations- und
       Flüchtlingspolitik nicht mehr besprochen wurden, hat die AfD stark gemacht.
       
       Und wann muss man gegenhalten? 
       
       Wenn es klar rassistisch wird. Herr Poggenburg hat am Politischen
       Aschermittwoch zum Beispiel mit seinen Äußerungen über Deutschtürken ganz
       klar eine rote Linie überschritten. Da lohnt die Empörung. Oder auch bei
       manchen Äußerungen von Herrn Höcke. Da muss man zeigen, dass man für ein
       anderes Demokratieverständnis und ein anderes Gesellschaftsbild steht. Aber
       das ist natürlich ein schmaler Grat. Wenn die AfD zum Beispiel beim Thema
       Gesundheitsversorgung einbringt, dass für die Flüchtlinge ja genug Geld da
       sei, für andere aber nicht, dann ist es besser, das einfach abtropfen zu
       lassen.
       
       Aber macht man die Herren Poggenburg und Höcke nicht auch groß damit, dass
       sich alle über ihre Äußerungen empören? Das ist doch Teil der Strategie. 
       
       Ja, aber dennoch kann man das nicht durchgehen lassen. Ich hoffe ja, dass
       dies bei den WählerInnen ankommt, die die AfD nicht wegen ihrer Ideologie
       wählen, sondern eher aus Protest oder wegen des Gefühls, dass sie von den
       anderen Parteien nicht gehört werden. Denen muss man signalisieren: Wir
       nehmen das ernst, wir haben verstanden, dass wir in der letzten Zeit wohl
       nicht nah genug bei den Menschen waren. Aber wir machen uns nicht gemein
       mit den Rechten. Da muss man den Keil reintreiben.
       
       Das hat bei der Bundestagswahl allerdings nicht funktioniert. Aber kommen
       wir zurück zum Parlament: Wo ist die Auseinandersetzung mit der AfD aus
       Ihrer Sicht gelungen? 
       
       Ein sehr gutes Beispiel war Frau Haßelmann, die Parlamentarische
       Geschäftsführerin der Grünen. Sie hat in einer Rede offen gelegt, wie die
       AfD bei der Diskussion um die Diätenerhöhung versucht hat, ihre eigenen
       Fehler den anderen unterzuschieben. Die AfD hatte schlicht keine Anträge
       gestellt.
       
       Fällt Ihnen auch etwas ein, was schiefgelaufen ist? 
       
       Bei der Diskussion zu einem der AfD-Anträge zum Thema Integration und
       Flüchtlingspolitik ist die Linke-Abgeordnete Christine Buchholz selbst in
       einen schwierigen Ton verfallen. Sie hat die Partei pauschal rassistisch
       genannt. Die AfD hat sich beschwert, und Bundestagspräsident Wolfgang
       Schäuble hat daraufhin verkündet, dass im Ältestenrat zu besprechen sei, ob
       dies der parlamentarischen Debatte angemessen sei. Das wiederum konnte die
       AfD ausschlachten. Und auch unser innenpolitischer Sprecher Burkhard
       Lischka hat mal sehr flapsig eine Nachfrage der AfD abgelehnt. Da kann man
       sich schon fragen, ob das einem guten parlamentarischen Stil entspricht.
       Den Eindruck zu befeuern, dass man die AfDler als Parlamentarier nicht
       ernst nimmt, ist schwierig.
       
       Reagiert das Bundestagspräsidium aus Ihrer Sicht angemessen? 
       
       Ganz richtig hat der Bundestag ja noch nicht in die Arbeit gefunden. Aber
       ich finde es richtig, dass nicht auf jeden Zwischenruf reagiert wird. Bei
       der Holocaust-Gedenkveranstaltung hat Schäuble als Bundestagspräsident noch
       mal klargemacht, für welche demokratische Tradition das ganze Haus steht.
       Es gab aber auch schon die Kritik, dass man zu zahm gewesen sei …
       
       Zum Beispiel als AfD-Mann Gottfried Curio im Kontext der doppelten
       Staatsbürgerschaft von „Entartung“ sprach. Schäuble schritt nicht ein. 
       
       Ich finde das richtig. Die Erfahrung in den Landtagen zeigt, dass man, wenn
       man auf jede Provokation reagiert, nur Skandale produziert.
       
       Also soll er einen Nazi-Begriff wie Entartung durchgehen lassen? 
       
       Ja, auch wenn es hart auszuhalten ist. Ich würde im Zweifelsfall eher nicht
       reingehen. Und stets Rede und Gegenrede zulassen, dies zu organisieren, ist
       die Aufgabe des Präsidiums. Dann sind die anderen Fraktionen in der
       inhaltlichen Auseinandersetzung gefragt. Wir wollen ja die Demokratie
       wieder stärken.
       
       Die AfD versucht, andere Parteien zu gemeinsamen Anträgen zu bewegen – oder
       sie andernfalls vorzuführen, wie jüngst beim Antrag zur Abschaffung der
       doppelten Staatsbürgerschaft, der weitgehend einem CDU-Parteitagsbeschluss
       entsprach. Was tun? 
       
       Meine Regel wäre ganz klar: Keine gemeinsamen Inhalte mit der AfD. Das ist
       für die Konservativen noch mal schwieriger, aber das kann man aushalten.
       
       Und den Spott, dass man die eigenen Beschlüsse nicht unterstützt, muss die
       Union dann über sich ergehen lassen. 
       
       Ja, das sind Spielchen. Ich glaube nicht, dass so etwas in der Bevölkerung
       verfängt. Aber das Signal „keine gemeinsame Sache“ ist wichtig.
       
       In Ihrem Papier heißt es auch, dass es der AfD weniger um politische
       Sacharbeit in den Parlamentsausschüssen gehe als vielmehr um Sharepics für
       Facebook und Co. Was meinen Sie damit? 
       
       In den Fachausschüssen der Landtage sieht man die AfD so gut wie gar nicht.
       Es geht ihr stattdessen darum, im Plenum die Debatte auf ihren eigenen
       Markenkern zuzuspitzen – also gegen Eingewanderte, oder aber auf den
       Opfermythos der AfD zu kommen. Um dann die Reaktion der anderen Fraktionen
       aufzunehmen und diese in den sozialen Medien zu verteilen. Die Debatte ist
       eigentlich egal.
       
       26 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
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