# taz.de -- Digitale Assistenten beim BAMF: Software soll Dialekte erkennen
       
       > Mit einer automatisierten Sprachanalyse will die Behörde die Herkunft von
       > Menschen bestimmen. Es gibt Kritik: Sie sei intransparent und
       > fehleranfällig.
       
 (IMG) Bild: Woher wohl dieser Mensch kommt, der da gerade spricht?
       
       BERLIN taz | Das [1][Bundesamt für Migration und Flüchtlinge] (BAMF) setzt
       in Asylverfahren zunehmend technische Hilfsmittel ein. Eines davon ist ein
       System zur automatisierten Erkennung von Dialekten der Asylbewerber. Laut
       BAMF legten 2016 nur etwa 40 Prozent der Asylbewerber ein
       Identifikationsdokument vor. Das kann verschiedene Gründe haben:
       Oppositionelle erhalten keinen Ausweis oder beantragen ihn nicht aus Angst
       vor Verfolgung, das Dokument geht auf der Flucht verloren oder es wird
       absichtlich zurückgelassen, weil die Schutzsuchenden mit einer besseren
       Chance auf Anerkennung rechnen, wenn sie eine andere als die tatsächliche
       Herkunft angeben.
       
       Wenn Entscheider des BAMF die Herkunftsangabe Schutzsuchender anzweifeln,
       können sie seit 1998 eine Überprüfung per Sprach- und Textanalyse in
       Auftrag geben. Dafür unterhält sich ein Dolmetscher außerhalb der
       förmlichen Anhörung mit dem Antragsteller „über Alltagssituationen, Bräuche
       und Sitten, geographische Gegebenheiten, et cetera“, erklärt Stefan von
       Borstel, Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
       
       Anhand einer mindestens 30-minütigen Tonaufzeichnung des Gesprächs soll ein
       externer Sprachgutachter im Anschluss feststellen, ob die Sprachmerkmale zu
       der angegeben Herkunftsregion passen. [2][Laut Asylgesetz] müssen die
       Asylbewerber vorher über den Zweck der Aufnahme informiert werden. Mehr als
       1100 solcher Sprachgutachten hat das BAMF 2016 angefordert, so von Borstel.
       
       Seit April dieses Jahres testet das BAMF eine Software, die diese Aufgabe
       automatisiert erledigen soll. Anhand von Sprachaufnahmen mit einer Länge
       von zwei Minuten sollen die Arabisch-Dialekte Ägyptisch, Irakisch,
       Levantinisch und Golf-Arabisch erkannt werden. Eine Erweiterung um
       Arabisch-Maghrebinisch und Kurdisch werde derzeit geprüft. Das geht aus der
       [3][Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage] von Abgeordneten
       der Linksfraktion im Bundestag hervor. Ab dem 1. April 2018 soll das von
       der Ausländerbehörde als „Stimmbiometrie“ bezeichnete Verfahren regulär und
       flächendeckend zur Identitätsfeststellung eingesetzt werden.
       
       Besser als der Mensch? 
       
       Als Ergebnis der Sprachanalyse per Computer wird die
       Erkennungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Dialektes als Prozentwert
       ausgegeben. In dem Antwortschreiben der Bundesregierung heißt es, eine
       derartige Analyse stelle eine „unabhängige, objektive und skalierbare
       Methode dar, die angegebene Herkunft grundsätzlich zu überprüfen.“
       Professor Elmar Nöth, der an der Universität Erlangen-Nürnberg zu
       Spracherkennung forscht, stimmt dem grundsätzlich zu: „Eine Software kann
       so eine Aufgabe besser erfüllen als die meisten Menschen, wenn es genügend
       Trainingsdaten gibt.“ Nöth sieht die Vorteile der Maschine in deren
       Unermüdlichkeit und Schnelligkeit. Der Computer könne aber nur Hinweise
       liefern, die durch Menschen bewertet werden müssten.
       
       Das betont auch das Bundesinnenministerium in der Antwort an die
       Abgeordneten: Die gewonnen Informationen „dienen als unterstützende
       Hinweise/Indizien im Aslyverfahren“. Die Entscheidung über deren Relevanz
       verbleibe in der Hand des zuständigen Entscheiders.
       
       Anke Domscheit-Berg, Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, kritisiert
       den Einsatz der Software im Asylverfahren: „Die Software ist intransparent.
       Die Bundesregierung verrät nicht, wer die Software herstellt und auf
       welchem Algorithmus sie beruht. Niemand kann daher nachvollziehen, wie sie
       zu bestimmten Ergebnissen kommt.“ Auf Nachfrage der taz beim BAMF nach dem
       Hersteller spricht dessen Sprecher nur von einem „weltweiten
       Technologieführer“, [4][obwohl ein Staatssekretär bereits im März im
       Parlament angab], für Tests eine „Lösung des Unternehmens Nuance“, einem
       US-amerikanischen Softwarehersteller, zu verwenden.
       
       Auch der Berliner Rechtsanwalt Matthias Lehnert, der auf Asyl- und
       Aufenthaltsrecht spezialisiert ist, hat nicht viel Lob für die Einführung
       der automatisierten Dialekterkennung übrig. Zwar sei er nicht generell
       gegen den Einsatz von Software, aber Anwälte müssten deren Entscheidungen
       kontrollieren und anfechten können. „Der Einfluss von Sprachgutachten auf
       Asylentscheidungen ist sehr groß“, sagt Lehnert über das bisher übliche
       Verfahren und bemängelt dessen Intransparenz. Auf Protokollen seien nur
       Kürzel der Gutachter vermerkt, sodass deren Qualifikation nur schwer
       nachprüfbar sei. Und bei Gerichtsentscheidungen erschienen sie nur in
       seltenen Fällen. „Bei der Software sehe ich das Problem, dass die Kontrolle
       der Mechanismen noch schwieriger ist“, sagt der Anwalt.
       
       Domscheit-Berg sieht noch ein zweites Problem beim Einsatz der
       automatisierten Sprachanalyse: die Fehlerrate, die von der Bundesregierung
       derzeit mit 20 Prozent angegeben wird. „Das ist viel zu hoch“, sagt die
       Bundestagsabgeordnete. Es könne schon prinzipiell nicht sein, dass Software
       über das Schicksal von Menschen entscheidet. „Ist sie dann noch derart
       fehleranfällig, sollte man erst recht von ihrem Einsatz absehen“, sagt sie.
       
       Neben der automatisierten Sprachanalyse nutzt das BAMF seit kurzem weitere
       digitale Assistenten in Asylverfahren. Darunter sind Systeme zur
       einheitlichen Übertragung von Namen in lateinische Schriftzeichen und
       [5][zum Auslesen von Smartphones, um den Reiseweg eines Flüchtlings
       feststellen].
       
       19 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bundesamt-fuer-Migration-und-Fluechtlinge-BAMF/!t5013136
 (DIR) [2] https://www.gesetze-im-internet.de/asylvfg_1992/__16.html
 (DIR) [3] http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/001/1900190.pdf
 (DIR) [4] http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/118/1811814.pdf
 (DIR) [5] /Ueberwachung-von-Fluechtlingen/!5409791
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Schönfelder
       
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