# taz.de -- Debatte CDU und Leitkultur: Klare Kante angesagt
       
       > Thomas de Maizière hat mit seinem Leitkulturvorstoß einen Volltreffer
       > gelandet. Kann die Union in Sachen Wirtschaftspolitik nachlegen?
       
 (IMG) Bild: Viele Wähler sehnen sich wieder nach klareren Profilen der etablierten Parteien: Thomas de Maizière hilft dabei
       
       Die Wahlerfolgsserie der AfD in den vergangenen beiden Jahren scheint nach
       den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und
       Nordrhein-Westfalen erst einmal gestoppt. Das hängt sicherlich mit dem
       innerparteilichen Streit in der AfD zusammen. Doch sind die Gründe
       vielfältiger.
       
       Einer davon ist, dass die CDU in Fragen der inneren Sicherheit ihr Profil
       wieder klarer hat erscheinen lassen. Deutlich geworden ist das in den
       vergangenen Wochen beispielsweise am Befürworten der „Schleierfahndung“
       beziehungsweise anlassunabhängigen Kontrollen zur Verbrechensbekämpfung.
       Die CDU setzt sich für solche Kontrollen seit über zwanzig Jahren ein,
       während die politische Konkurrenz sie eher ablehnt (es gibt einen
       glasklaren Zielkonflikt zwischen dem Einschränken von Bürgerrechten und dem
       Versuch, die innere Sicherheit zu erhöhen).
       
       Nach dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen soll es jetzt eine
       „strategische Fahndung“ geben, die allerdings einen Anlass voraussetzt (ein
       Kompromiss mit der FDP). Ein zweiter wichtiger Punkt, welcher der CDU
       wieder mehr Kontur gegeben hat, ist die Diskussion über die Leitkultur.
       
       ## Überfällige Debatten
       
       Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat mit seinem Leitkulturvorstoß
       einen Volltreffer gelandet. Eine derartige Debatte ist nach der
       Flüchtlingskrise und den Wahlerfolgen der Populisten wirklich überfällig
       und kann Deutschland nur guttun.
       
       Die einen sagen, dass wir keine Leitkultur brauchen. Vor allem seien es
       willkürlich ausgesuchte Dinge, die eine solche Leitkultur ausmachten. Man
       könnte unter Leitkultur auch anderes verstehen als „in Deutschland gibt man
       sich die Hand“ oder „wir sind nicht Burka“.
       
       Insbesondere sagen de Maizières Kritiker, dass in Deutschland das
       Grundgesetz gelte und keine von der CDU festgelegte Leitkultur. Das ist
       sowieso klar, doch meint der Leitkulturvorstoß ja keineswegs, das
       Grundgesetz infrage zu stellen, sagen de Maizières Befürworter (und das
       wissen natürlich auch die Kritiker).
       
       Von wem, wenn nicht von einem CDU-Bundesinnenminister sollten wir einen
       Vorstoß zur Leitkultur erwarten? Das zeigt doch – Gott sei Dank –, dass das
       Kind vor lauter Wahlerfolgen der Populisten an den Rändern des politischen
       Spektrums noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Gerade weil es solche
       Vorstöße mit klarem Kompass führender Politiker in den letzten Jahren in
       Deutschland eben nicht mehr gab, haben die Populisten doch so viel Zuspruch
       erhalten.
       
       ## Wählerwünsche kanalisieren
       
       Auch diejenigen, die sich in Deutschland keine solche Leitkultur wünschen
       und mit der CDU und schwarzen Sheriffs nichts am Hut haben, sollten de
       Maizière deshalb dankbar sein. Wenn sie es ernst meinen mit ihrer Sorge,
       dass die AfD sich in Deutschland etablieren könne, dann ist es tausendmal
       besser, national-konservative Präferenzen über Plattformen der CDU zu
       bedienen.
       
       Vielmehr würde die CDU dann wieder den Dienst leisten, verschiedene
       Wählerwünsche und Strömungen innerparteilich zu kanalisieren. Die SPD
       sollte Gleiches wieder am linken Rand tun. So war es in der Vergangenheit
       nicht nur in Fragen zu Law and Order, sondern in sämtlichen
       Politikbereichen üblich.
       
       In wirtschaftspolitischen Fragen bei der CDU beispielsweise über den
       Diskurs zwischen Mittelstandsvereinigung (MIT) und der Christlich
       Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Bei der SPD zwischen Linken und
       den Seeheimern. Vertreter einzelner Flügel der Volksparteien haben oftmals
       deutlich unterschiedliche Parteipositionen bezogen. Das hat die
       Volksparteien erstens von breiten Bevölkerungsschichten wählbar gemacht und
       zweitens in Koalitionsregierungen Kompromisse erleichtert.
       
       Viele Wähler sehnen sich nach wieder klareren Profilen der etablierten
       Parteien. Da fügt es sich ganz hervorragend, dass die Union eine Leitkultur
       will (wir sind nicht Burka), und die politische Konkurrenz darüber meckert
       (sind wir doch Burka?).
       
       Ebenso ist es für den politischen Wettbewerb der Volksparteien
       ausgezeichnet, dass SPD-Kanzlerkandidat Schulz ganz kräftig für einen
       stärker umverteilenden Staat wirbt: Kostenlose Bildungseinrichtungen,
       Arbeitslosengeld Q, paritätische Finanzierung in der Krankenversicherung,
       Senkung der Stromsteuer, höhere Investitionen, steuerliche
       Forschungsförderung, Aufbau einer Batteriezellforschung, Einführung einer
       Familienarbeitszeit, Umstellung Ehegattensplitting auf Realsplitting.
       
       In Europa ist die SPD für das Sozialisieren von Schulden – es ist nichts
       anderes gemeint, wenn Deutschland jetzt dem neuen französischen Präsidenten
       beistehen solle. Das wird alles richtig teuer. Da hilft es auch nichts, bei
       der Einkommensteuer den Spitzen- und Reichensteuersatz zu erhöhen. Das
       spült nur wenig in die Staatskasse.
       
       Vielleicht hat Schulz ja einen besonderen Draht zur Lottofee, von dem
       Deutschland noch nichts weiß. Aber auch wenn er den nicht hat, sind seine
       Vorschläge für den Parteienwettbewerb immer noch hervorragend. Wer eine
       solche Sause will, kann Schulz wählen. Die Spendierhosen der CDU fallen
       dagegen kleiner aus.
       
       ## Steuer und Bierdeckel
       
       Mit der Leitkultur und dem CDU-Wählen ist das ähnlich: Wer wieder mehr Law
       and Order will, der ist bei der CDU an der richtigen Adresse. Es scheint
       wohl bereits in Vergessenheit geraten zu sein, dass es vor über 15 Jahren
       schon einmal eine Debatte zur Leitkultur in Deutschland gab.
       
       Damals hatte Friedrich Merz den Begriff der Leitkultur in den öffentlichen
       Diskurs eingebracht. Und Merz offerierte kurze Zeit später noch mehr
       profilbildende Positionen, die im Gedächtnis geblieben sind: Beispielsweise
       die Einkommensteuer so zu reformieren, dass Steuererklärungen auf einem
       Bierdeckel Platz hätten.
       
       Auch Mindestlöhne hätte man mit der Union nicht für möglich gehalten. Da
       wusste jeder, was er beim CDU-Wählen bekommen würde. Die CDU hatte
       innenpolitisch ein konservatives und wirtschaftspolitisch ein eher
       marktorientiertes Profil. Viele Wähler fanden das gut. Kann die CDU nach de
       Maizières Leitkulturvorstoß nachlegen und auch in wirtschaftspolitischen
       Fragen wieder mehr markt-orientierte Politik anbieten? Klare Kante wäre
       klasse.
       
       23 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Niklas Potrafke
       
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