# taz.de -- NGO-Chef über Freihandelsabkommen: „Martin Schulz sagt keinen Ton“
       
       > Die Proteste gegen die Freihandelsabkommen werden weitergehen, sagt
       > Jürgen Maier. Er ist Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die Verabschiedung des Ceta-Abkommens vor der EU-Kommission im Oktober
       
       taz: Herr Maier, TTIP ist seit der Wahl Donald Trumps tot, Ceta wurde durch
       das EU-Parlament verabschiedet. Am Wochenende findet in Kassel eine
       [1][Strategie-und Aktionskonferenz] der Freihandelsgegner statt. Wozu
       braucht es die jetzt noch? 
       
       Jürgen Maier: Es stimmt, TTIP liegt auf Eis und wird unter Trump auch nicht
       mehr kommen. Ceta droht dagegen weiterhin. Aber uns ging es nie nur um
       diese beiden Instrumente, sondern wir stellen die Inhalte dieser
       Freihandelsabkommen grundsätzlich infrage. Insgesamt hat die EU noch etwa
       20 dieser Abkommen in der Pipeline. Wir wollen den Widerstand dagegen
       weiter stärken.
       
       Droht mit dem EU-Japan-Abkommen „Jefta“ bereits der nächste Hammer? 
       
       Wir wissen über den Vertrag selbst noch nicht viel mehr [2][als das, was in
       der taz stand]. Sollte dieses Abkommen noch schlimmer werden als Ceta,
       werden sich viele auch noch mehr dagegen auflehnen. In der japanischen
       Öffentlichkeit wird das schon breiter diskutiert. Insbesondere die Bauern
       dort haben große und berechtige Angst vor der europäischen Agrarindustrie.
       
       Nach einigen Verbesserungen sprechen viele bei Ceta inzwischen von einem
       Musterabkommen. Wieso lehnen sie den Vertrag weiterhin ab? 
       
       Das EU-Parlament hat Ceta völlig unverändert beschlossen – ohne
       Verbesserungen. Das ist der alte Vertragstext, den die Konservativen Manuel
       Barroso für die EU und Stephen Harper für Kanada ausgehandelt haben.
       Wirkliche Veränderungen wie sie etwa die Wallonen wollten, waren vom Rest
       der EU nicht gewünscht. Es wurden lediglich einseitige Absichtserklärungen
       drangehängt.
       
       Welche inhaltliche Kritik haben Sie? 
       
       Uns stört die Paralleljustiz für Konzerne, auch wenn sie jetzt öffentlich
       statt privat geregelt werden soll. Wenn unsere Justiz gut genug für uns
       ist, dann ist sie auch gut genug für die Konzerne. Außerdem wenden wir uns
       gegen die Globalisierung der Agrarmärkte. Wir sind längst in einer
       Situation, in der die Verbraucher nicht mehr auf „Geiz ist geil“ stehen.
       Aber die EU-Kommission will noch mehr Agrarexporte durchsetzen. Sie
       zerstört damit nicht nur die Märkte anderswo, sondern auch bei uns. Ein
       weiterer Punkt ist die Kommerzialisierung öffentlicher Dienstleistungen,
       die inzwischen überall auf breite Ablehnung stößt. In den Abkommen geht
       dagegen es um den besseren Marktzugang für globale Dienstleistungskonzerne,
       die nichts anderen vorhaben, als aus Gesundheit und Bildung ihre Profite zu
       ziehen.
       
       Wenn die Kommission die europaweiten Sorgen vor der Globalisierung und den
       Rechtsruck ernstnehmen würde, müssten alle Verhandlungstexte auf den Tisch
       und penibel überarbeitet werden. Doch das wird nicht gemacht, alles bleibt
       geheim. Das ist die falsche Politik.
       
       Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Ceta doch noch scheitert? 
       
       Das Abkommen ist noch lange nicht durch. 37 Parlamente müssen darüber noch
       abstimmen, in den Niederlanden wird es eine Volksabstimmung geben.
       Besonders da bin ich sehr optimistisch. Ich glaube auch, dass viele der
       Regierungen, die noch im Oktober im Europäischen Rat ihre Zustimmung
       gegeben haben, in zwei, drei Jahren nicht mehr im Amt sind – oder nur
       deshalb, weil sie auf Druck der Bevölkerungen weniger Globalisierung und
       Liberalisierung versprochen haben. Die Befürchtung ist allerdings, dass es
       eine rechte Regierung ist, die zuerst nein sagt. Hier liegt der Ball bei
       den sozialdemokratischen Regierungen, wie in Österreich, die auch jetzt
       sofort sagen könnte: Wir stoppen das Abkommen.
       
       Das ist der Fokus auf die Regierungen. Aber was ist die Rolle der Bewegung? 
       
       Unser Job ist es, die Diskussionen am Kochen zu halten. Wir wollen, dass in
       den anstehenden Wahlkämpfen weiter über neoliberale Wirtschaftspolitik
       gesprochen wird. Dafür vernetzen wir uns auch mit unseren internationalen
       Partnern. Ceta muss ja nicht in Deutschland gestoppt werden. Wir aber
       wollen insbesondere auf Martin Schulz Druck ausüben. Von dem hört man
       bisher keinen Ton. Ebenso wenig wie von den Grünen.
       
       Die Grünen könnten Ceta im Bundesrat zu Fall bringen. Haben Sie Hoffnungen
       oder fürchten Sie sich vor den Grünen? 
       
       Wäre die Abstimmung morgen, würden sie das wohl durchwinken. Das ist die
       Position der Grünen nicht nur in Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Die
       Grünen müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie ihren Wählern bislang gesagt
       haben, dass sie dagegen sind,. Doch entscheidend ist ihr
       Abstimmungsverhalten im Bundesrat, nicht im Bundestag und im
       Europaparlament. Wir werden dafür sorgen, dass die Grünen im Wahlkampf
       klipp und klar sagen müssen, ob sie Ceta stoppen.
       
       Was, wenn die Regierung gar kein Ratifizierungsgesetz vorlegt? 
       
       Momentan hängt das Abkommen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
       Wenn die Richter darüber befunden haben, kann es in den Bundesrat.
       Tatsächlich ist es eine rechtliche Hintertür, dass die Bundesregierung kein
       Ratifizierungsgesetz vorlegt und abwartet bis die Mehrheitsverhältnisse im
       Bundesrat sicherer sind. Der Vertrag ist bis dahin vorläufig in Kraft. Wenn
       sie aber solch ein Spielchen spielen wollen, müssen sie auch die
       Konsequenzen tragen.
       
       Was sind die nächsten Schritte der Bewegung? 
       
       Großdemos wird es erst mal keine geben, dafür gibt es gerade keinen Anlass.
       Wir sind aber gut aufgestellt, um quer durchs Land Druck auf die
       Abgeordneten und Regierungen auszuüben, sobald Ceta in Bundestag und
       Bundesrat kommt.
       
       24 Mar 2017
       
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