# taz.de -- BDS-Unterstützer ohne Bankkonto: Wegen Boykottaufruf gekündigt
       
       > Die Bank für Sozialwirtschaft löst das Konto der „Jüdischen Stimme für
       > einen gerechten Frieden“ auf. Diese Kündigung ist kein Einzelfall.
       
 (IMG) Bild: Die internationale BDS-Kampagne fordert die Aufgabe aller seit 1967 entstandenen israelischen Siedlungen
       
       BERLIN taz | „Für uns ist das ein Fall von politischer Zensur“, empört sich
       Iris Hefets, die Vorsitzende des Vereins Jüdische Stimme für gerechten
       Frieden in Nahost. Ihr Verein engagiert sich gegen die israelische
       Besatzung der palästinensischen Gebiete und unterstützt aus diesen Gründen
       einen Boykott von Firmen, die von dieser Besatzung profitieren. Aus diesem
       Grund wurde ihm von der Bank für Sozialwirtschaft nun das Konto gekündigt.
       
       Anfang November erhielt der Verein ein Schreiben der Bank, in dem diese ihm
       ohne Angaben von Gründen die Kündigung seines Kontos zum Ende des Jahres
       ausgesprochen wurde. Nachdem der Verein den Fall öffentlich machte, gab die
       Bank zu, dass die Kündigung aus politischen Gründen erfolgte. „Maßgeblich
       für die Kündigung ist“, heißt es in einer Erklärung der Bank, „dass die
       Jüdische Stimme die Kampagne ,Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen
       (BDS)' unterstützt.“ Diese sei mit den Grundsätzen der Bank unvereinbar, so
       deren Pressesprecherin Stephanie Rüth.
       
       Diese Kündigung ist kein Einzelfall. Auch anderen Initiativen und
       Einzelpersonen, die sich gegen die israelische Besatzungspolitik
       engagieren, wurde in den letzten Monaten das Konto gekündigt, so etwa dem
       Frankfurter Verleger Abraham Melzer durch die Commerzbank und einem anderen
       Verein durch die DAB – meist ohne Angaben von Gründen.
       
       Die Kündigungen erfolgen stets nach dem gleichen Muster: Kurz, nachdem die
       Betroffenen davon erfuhren, meldete sich bei ihnen der Journalist Benjamin
       Weinthal von der rechten israelischen Zeitung Jerusalem Post, der sich über
       diese Vorgänge stets bestens im Bilde zeigte. Im Fall der Jüdischen Stimme
       für einen gerechten Frieden war Weinthal sogar die treibende Kraft, weil er
       die Bank erst zur Kündigung bewog. Hefets ist fassungslos: „Damit wurde
       unser Bankgeheimnis verletzt.“
       
       ## Die deutsche Position ist widersprüchlich
       
       Die BDS-Kampagne fordert die Aufgabe aller seit 1967 entstandenen
       israelischer Siedlungen im Westjordanland und Ostjerusalem sowie ein
       Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen nach
       Israel, wie es diverse UN-Resolutionen verlangen. Sie wurde vor über zehn
       Jahren auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre gestartet, zu ihren
       prominenten Unterstützern zählen der südafrikanische Bischof Desmond Tutu
       sowie die Philosophen Judith Butler und Slavoj Žižek, die
       Globalisierungskritikerin Naomi Klein, der Regisseur Ken Loach und die
       Feministin Laurie Penny. Doch die BDS-Kampagne ist auch umstritten. Um ihre
       Kündigung zu begründen, beruft sich die Bank für Sozialwirtschaft etwa auf
       den Politologen Samuel Salzborn (Universität Göttingen). Er hält die
       BDS-Kampagne grundsätzlich für „antisemitisch“.
       
       Israels Premier Benjamin Netanjahu bezeichnete die BDS-Bewegung im Frühjahr
       2015 sogar als „größte aktuelle Bedrohung“ seines Landes und stellte rund
       23 Millionen Euro für eine groß angelegte Anti-BDS-Kampagne bereit. Mit
       Erfolg: Großbritannien hat vor Kurzem einen Beschluss gefasst, gemäß dem es
       staatlichen Stellen und Gewerkschaften verboten ist, zu Boykotten
       aufzurufen. Andere Staaten wie Schweden und Irland dagegen bewerten das
       Recht auf Meinungsfreiheit höher.
       
       Die deutsche Position ist widersprüchlich. Als erste Partei hat die CDU auf
       Antrag ihres hessischen Landesverbands gerade erst einen förmlichen
       Beschluss gefasst, indem die BDS-Bewegung pauschal als „antisemitisch“
       bezeichnet und mit dem Judenboykott im Dritten Reich verglichen wird.
       Andererseits trägt die Bundesregierung den vor etwas mehr als einem Jahr
       von der EU-Kommission verabschiedeten Beschluss mit, dass Produkte
       israelischer Firmen aus dem Westjordanland, aus Ostjerusalem und von den
       Golanhöhen bei der Einfuhr in die Europäische Union gesondert
       gekennzeichnet werden müssen, was einen Boykott dieser Waren erleichtert.
       Und alle Parteien im Bundestag betrachten die israelische Siedlungspolitik
       als Hindernis für einen Frieden.
       
       Der Verein Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden ist deshalb für
       einen Boykott von Firmen, die von der Besatzung profitieren. Und er ruft
       andere Verbände und Einzelpersonen, die Kunden bei der Bank für
       Sozialwirtschaft sind, dazu auf, auch das Konto bei der Bank „zu
       überdenken“. Denn, wie Iris Hefets meint: „Die Zensur, die heute uns traf,
       kann morgen auch andere treffen.“
       
       23 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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