# taz.de -- Kommentar André Shepherd: Mission erfüllt
       
       > Dem US-Deserteur André Shepherd wird Asyl in Deutschland formal
       > verweigert. Er mag vor Gericht verloren haben, aber er hat viel erreicht.
       
 (IMG) Bild: Er geht – nicht als anerkannter Flüchtling, aber erhobenen Hauptes: André Shepherd
       
       Fast zehn Jahre nach seiner Fahnenflucht [1][verweigerte das
       Verwaltungsgericht München] am Donnerstag dem US-Deserteur André Shepherd
       Asyl in Deutschland. Shepherd habe nicht ausreichend belegen können, dass
       er bei einem drohenden Einsatz im Irak an Kriegsverbrechen hätte teilnehmen
       müssen. Außerdem sei eine Desertion nicht das „letzte Mittel“ gewesen.
       
       Shepherd mag vor Gericht verloren haben, aber er hat dennoch viel erreicht.
       
       Er hat gezeigt, dass ein US-Deserteur in Deutschland ein neues Leben
       anfangen kann. André Shepherd konnte heiraten, er kann arbeiten, er hat
       inzwischen ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht. Ihm droht keine Abschiebung
       in die USA. Sein Fall hat auch keine spürbaren diplomatischen Verwicklungen
       verursacht. Ob er nun auch als Flüchtling anerkannt wird, macht in seinem
       Fall materiell keinen Unterschied.
       
       Außerdem hat Shepherd mit seiner Klage auch eine Klärung der Rechtslage
       erreicht. Maßgeblich ist das in seinem Fall [2][verkündete Urteil des
       Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Februar 2015]. Der EuGH entschied, dass
       nicht nur Soldaten als Deserteure Asyl in Europa erhalten können, sondern
       auch sonstige Militärangehörige wie der Hubschrauber-Mechaniker Shepherd.
       Wer desertiert, weil er nicht an Kriegsverbrechen teilnehmen will, muss
       auch nicht nachweisen, dass es bereits solche Verbrechen gegeben hat,
       sondern dass sie in Zukunft vorkommen werden.
       
       Allerdings hat der EuGH die Hürden relativ hoch angesetzt. Wenn ein Einsatz
       mit Uno-Mandat oder in internationalem Konsens erfolgt, sei tendenziell
       ebensowenig mit der Anordnung von Kriegsverbrechen zu rechnen, wie bei
       Staaten, die Kriegsverbrechen nicht nur verbieten, sondern auch bestrafen.
       Außerdem müsse eine strafbare Fahnenflucht das letzte Mittel sein. Das
       heißt, eine Kriegsdiensverweigerung oder Versetzung müsste im Heimatstaat
       als Alternative unmöglich sein.
       
       Ob Shepherd nun noch von deutschen Gerichten die Bestätigung erhält, dass
       er berechtigt aus der US-Army desertiert ist und deshalb Anspruch auf Asyl
       hat, das klärt keine Grundsatzfragen mehr. Es geht jetzt nur noch um die
       Anwendung der EuGH-Regeln auf einen Einzelfall. Zukünftige Fälle werden
       wieder anders liegen.
       
       Die größte Schutzlücke für Deserteure hat mit dem Fall Shepherd nichts zu
       tun. Das EU-Recht verspricht Deserteuren nur dann Asyl, wenn sie so die
       Begehung von Kriegsverbrechen vermeiden wollen. Der Pazifist, der jeden
       Kriegsdienst ablehnt und deshalb desertiert, hat in der EU keinen
       Asylanspruch – auch wenn er im Heimatland keine Möglichkeit der
       Kriegsdienstverweigerung hat und ihm Strafe droht.
       
       Ein solcher Deserteur ist André Shepherd aber nicht. Er war Berufssoldat
       und wollte nur nicht im Irak eingesetzt werden. Sein Land hätte er durchaus
       auch militärisch verteidigt.
       
       18 Nov 2016
       
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 (DIR) Christian Rath
       
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