# taz.de -- Ministerin zu Muslim-Staatsverträgen: „Es nutzt nichts, Gräben aufzureißen“
       
       > Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) erklärt, warum
       > die Regierung trotz Mehrheit die Staatsverträge mit den muslimischen
       > Verbänden nicht unterzeichnet
       
 (IMG) Bild: Glückwunsch: Kultusministerin Heiligenstadt besucht den muslimischen Religionsunterricht einer Grundschule in Hannover
       
       taz: Frau Heiligenstadt, wie soll es jetzt weitergehen mit den
       Muslim-Staatsverträgen?
       
       Frauke Heiligenstadt: Über die Vertragsentwürfe, die wir im Einvernehmen
       mit den muslimischen Verbänden und den Landtagsfraktionen noch vor der
       Sommerpause geändert haben, wird weiterhin gesprochen.
       
       Aber nicht verhandelt? 
       
       Wir haben einen sehr weit ausverhandelten Vertragsentwurf. Da besteht
       inhaltlich kein Veränderungsbedarf mehr. Darüber herrscht Einigkeit bei
       denen, die das Vorhaben der Landesregierung teilen: Zwischen dem Land und
       den Religionsgemeinschaften Vereinbarungen zu schließen, um das
       Zusammenleben durch klarer definierte Pflichten, Rechte und gemeinsame
       Ziele zu regeln.
       
       Man ist sich in allem einig über die Verträge, aber unterzeichnet werden
       sie nicht? 
       
       Die Verträge werden nicht unterzeichnet, weil wir uns als Landesregierung
       auch eine breite Unterstützung durch das Parlament wünschen. Mit der
       völligen Absage der CDU ist das schwierig …
       
       Wieso, haben Sie doch: Die Regierungsmehrheit plus die FDP ist doch eine
       breite Mehrheit. Die FDP ist doch dafür. 
       
       Das ist richtig, und ich begrüße das. Aber das ist eine Vereinbarung, die
       Brücken bauen soll. Sie soll die Gemeinsamkeiten betonen und den
       Zusammenhalt stärken. Es nutzt nichts, eine solche Vereinbarung einfach
       durchzudrücken und damit erst recht Gräben aufzureißen.
       
       Nutzt es denn, jemandem, der Brücken einreißen will, die Gelegenheit dazu
       zu verschaffen? 
       
       Alle, die diesen Vereinbarungen positiv gegenüber stehen, möchten die Zeit
       nutzen, auch um mit denen zu sprechen, die dem Vorhaben gegenüber kritisch
       eingestellt sind. Da gab es ja durchaus kritische Hinweise aus dem
       gesellschaftlichen Raum.
       
       Das war im Frühjahr. Aber die sind ja abgearbeitet. Die großen
       gesellschaftlichen Kräfte, auch die Kirchen, sagen alle: Ja, wir wollen den
       Vertrag, jetzt. Und nur den Christdemokraten sind, nachdem alle ihre
       Forderungen eingearbeitet wurden, … 
       
       … das stimmt!
       
       … prompt sind denen neue eingefallen: Das ist doch keine sachliche Kritik.
       Das ist doch Zerstörungswille.
       
       Diese Bewertung lass’ ich einfach mal im Raum stehen. Vielleicht fragen Sie
       diesbezüglich die CDU direkt, warum sie sich jetzt so verhält. Ich will
       nicht verhehlen, dass man dafür teilweise sicher auch Terminlagen der
       niedersächsischen Politik verantwortlich machen könnte. Das sind aber
       Spekulationen, an denen ich mich nicht beteilige.
       
       Das heißt: Nach den Kommunalwahlen geht der Vertrag durch den Landtag? 
       
       Ich kann, nein, ich könnte ja nur über die Argumentation der CDU mutmaßen.
       Öffentlich führen sie die Situation in der Türkei und die vermeintlich zu
       große Staatsnähe von Ditib ins Feld. Aber wie gesagt, da müssen Sie sich
       direkt an die CDU wenden.
       
       Müsste ich, wenn ich sachliche Gründe vermutete. Mich interessiert aber,
       warum sich die Landesregierung von dieser CDU am Nasenring durch die Manege
       führen lässt? 
       
       Das ist jetzt Ihre Bewertung.
       
       Ja. 
       
       Ich habe während dieses gesamten Prozesses, den ich ja von Anfang an
       begleitet habe, gelernt, immer geduldig zu sein bei diesem Thema. Ich muss
       möglichst viele Menschen mitnehmen. Es nutzt nichts, wenn ich ein Projekt
       umsetze, was auf dem Papier unterschrieben werden kann, aber dann
       gesellschaftlich nicht gelebt wird. Ich brauche die politische und genauso
       auch die gesellschaftliche Akzeptanz.
       
       Aber jetzt haben Sie einen gut und profund verhandelten Vertrag, die
       muslimischen Verbände haben große Zugeständnisse gemacht – und er wird
       trotzdem nicht unterzeichnet: Riskieren Sie nicht, die designierten Partner
       dadurch zu kränken? 
       
       Die Landesregierung hat mit den VertreterInnen der muslimischen Verbände
       auch darüber gesprochen. Ich glaube, eine breite Unterstützung der Verträge
       in der Gesellschaft ist auch in ihrem Interesse. Ich betone „in der
       Gesellschaft“, nicht allein in der Politik. Wir nehmen uns jetzt Zeit,
       aufgrund der sehr aufgeladenen Situation in der Türkei einerseits,
       andererseits aber auch aufgrund der Verweigerungshaltung der CDU. Das heißt
       nicht, dass man irgendjemanden inhaltlich zurückdrängt. Das kann für alle,
       die an den Verträgen festhalten, auch ein stärkeres Zusammenrücken
       bedeuten.
       
       Die integrative Wirkung wie in Bremen und Hamburg können die Verträge,
       gerade auch im Hinblick auf den Religionsunterricht, in Niedersachsen jetzt
       aber nicht entfalten. 
       
       Das ist nicht richtig. Gerade was den islamischen Religionsunterricht
       angeht, sind wir hier vorne mit dabei. Wir sind auch gut unterwegs bei der
       Entwicklung der Curricula. Wir haben zunehmend Kinder muslimischen
       Glaubens, die von islamischem Religionsunterricht an niedersächsischen
       Schulen profitieren, und wir haben den Lehrstuhl für islamische Theologie
       an der Uni Osnabrück. Die positiven Entwicklungen gehen an Niedersachsen
       nicht vorbei. Mir sind aber in der gesamten Diskussion die Inhalte des
       Vertrags zu kurz gekommen. So ist es wichtig, dass wir auch über dessen
       positive Effekte sprechen, wie das deutliche Bekenntnis der muslimischen
       Verbände zum staatlichen Schulwesen mit der Schulpflicht. Dazu gehört auch
       beispielsweise der Schwimmunterricht oder die Teilnahme an Tagesausflügen.
       Es gibt sehr viele positive Vertragsinhalte.
       
       Und die wollen Sie von der Situation in der Türkei abhängig machen? 
       
       Nein, ich möchte das nicht monokausal von der Situation in der Türkei
       abhängig machen. Die drei Fraktionen im Niedersächsischen Landtag, die
       Vertreter der Landesregierung und die der muslimischen Verbände haben
       gesagt: Es ist momentan kein geeigneter Zeitpunkt, mit dem Kopf durch die
       Wand zu gehen. Wir brauchen noch Zeit, um für diese Vertragsinhalte zu
       werben. Diese Zeit nehmen wir uns jetzt.
       
       Wieviel Zeit ist das? 
       
       Ich kann da momentan keinen konkreten Termin nennen. Aber wir versuchen,
       einen geeigneten Zeitpunkt zu finden.
       
       4 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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