# taz.de -- Fluchtwege durch Europa: Auf verschlungenen Pfaden
       
       > Die Grenze zwischen Serbien und Ungarn ist dicht. Nun versuchen
       > Flüchtlinge über Kroatien nach Österreich und Deutschland zu gelangen.
       
 (IMG) Bild: Kroatische Polizisten beobachten Flüchtlinge an der Grenze zu Serbien.
       
       Wien taz | Kroatiens Regierung twittert: „Wenn nötig, werden wir Korridore
       errichten.“ Der Mittwochvormittag abgesetzte Tweet folgte auf ein Gespräch
       zwischen Kroatiens Innenminister Ranko Ostojić und seiner slowenischen
       Amtskollegin. Sie mussten auf die ersten Busse mit 270 Flüchtlingen
       reagieren, die auf Veranlassung von Serbiens Regierung an der kroatischen
       Grenze abgesetzt worden waren. Sie wanderten zu Fuß über die Grenze und
       wurden von der Polizei in Empfang genommen.
       
       In der 300 Kilometer entfernten Hauptstadt Zagreb wartete Erstversorgung
       auf sie. Man bereitet sich dort auf eine größere Anzahl von Flüchtlingen
       vor. Für Kroatiens Premierminister Zoran Milanovićist aber „offensichtlich,
       dass diese Menschen nicht in Kroatien bleiben wollen“.
       
       [1][Etwa 300 Flüchtlinge drängen im serbischen Grenzort Horgos darauf, dass
       Ungarn die Grenze wieder öffnet.] Insgesamt sitzen in Serbien mehrere
       Tausend fest. Menschen, die gerade erst von Mazedonien in Serbien
       angekommen sind, werden gleich nach Kroatien umgeleitet. Im Grenzort Sid
       haben die serbischen Behörden ein neues Aufnahmecamp für Flüchtlinge
       vorbereitet. Ein ehemaliges Kinderkrankenhaus soll Unterkunft für etwa 300
       Personen bieten.
       
       Die ersten dort gelandeten Flüchtlinge, fast ausschließlich Syrer und
       Afghanen, waren die ganze Nacht von der rund 500 Kilometer entfernten
       mazedonischen Grenze durch Serbien unterwegs gewesen. „Wir haben gehört,
       dass Ungarn zugemacht hat, also hat uns die Polizei gesagt, dass wir
       hierher fahren sollen“, wird einer der Flüchtlinge im ORF zitiert. Sie
       wollen durch Kroatien, Slowenien und Österreich weiter nach Deutschland
       reisen.
       
       ## Niemandsland an der Grenze
       
       Die Schließung des ungarischen Grenzzauns und das Inkrafttreten
       drakonischer Gesetze gegen illegalen Grenzübertritt haben die
       Flüchtlingsrouten fast augenblicklich verändert. Ungarns Behörden haben
       auch bereits an 35 Asylwerbern vorexerziert, wie das beschleunigte
       Asylverfahren aussieht. Alle wurden in drei Stunden negativ beschieden.
       
       Nach Ansicht der ungarischen Regierung sind Serbien und Mazedonien sichere
       Drittländer, in denen der Asylantrag rechtens einzubringen sei. Berufung
       gegen den Bescheid ist zwar theoretisch möglich. Allerdings dürfen die
       Betroffenen die „Transitzone“ – eine Art Niemandsland an der Grenze – nicht
       verlassen.
       
       Deswegen bleibt ihnen die Alternative, per Telefon beim Gericht im
       nahegelegenen Szeged oder mit einem Brief Berufung einzulegen. Über 100
       Menschen, die Löcher in den Zaun schnitten, wurden seit Inkrafttreten der
       neuen Gesetze in Ungarn festgenommen und blicken hohen Strafen entgegen.
       
       Inzwischen stellt man sich in Österreich auf die neue Situation ein.
       Grenzkontrollen an der ungarischen Grenze, die Mittwochfrüh begonnen
       hatten, wurden wieder abgebrochen – mangels Ankunft neuer Flüchtlinge.
       Gleichzeitig wurden Vorbereitungen getroffen, im steirischen Grenzort
       Spielberg und am Kärntner Karawankentunnel zu kontrollieren.
       
       In Spielfeld kreuzen sowohl Autobahn und Bundesstraße als auch die
       Eisenbahn. Fallweise soll auch die grüne Grenze überwacht werden, so Fritz
       Grundnig, Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark. Ziel der Aktion
       sei die Festnahme von Schleppern und die Registrierung von Flüchtlingen.
       Grundnig: „Es ist nicht vorgesehen, dass Flüchtlinge wieder nach Slowenien
       zurückgeschickt werden“.
       
       ## Zu Fuß nach Deutschland
       
       Bundeskanzler Werner Faymann will am Donnerstag nach Zagreb reisen, um mit
       seinem kroatischen Amtskollegen Zoran Milanovićüber die Flüchtlingskrise zu
       beraten.
       
       In Österreich meldet das Innenministerium eine „deutliche Erhöhung bei den
       Asylanträgen“, seit Deutschland nicht mehr alle Asylbewerber ins Land
       lässt. Die Polizei kommt mit der Eingabe ins System gar nicht nach.
       Deswegen sind die Zahlen als vorläufig zu betrachten. Montag und Dienstag
       sollen aber in 48 Stunden 850 Asylanträge abgegeben worden sein, rund 800
       davon allein am Montag. Das liegt über dem Durchschnitt von 300 pro Tag im
       Jahresverlauf. Allein im August wurden 8.800 Asylanträge gestellt.
       Besonders wenige – 730 in drei Tagen – waren es, als sich besonders viele
       Flüchtlinge im Land befanden. Das war Anfang des Monats, als Ungarn die
       Grenzen öffnete und sich Zehntausende Richtung Deutschland auf den Weg
       machten.
       
       Melissa Fleming, Sprecherin der UNO-Flüchtlingshochkommission UNHCR,
       erklärte auf dem Wiener Westbahnhof, dass noch etwa 10.000 Flüchtlinge in
       Serbien unterwegs seien und fast ebenso viele in Mazedonien. In
       Griechenland seien es Tausende. Auf dem Westbahnhof hat sich die Lage
       inzwischen entspannt. 5.000 Menschen wurden in Notquartiere umgesiedelt.
       Zuletzt warteten nur noch etwa 500 auf dem Westbahnhof und 850 Flüchtlinge
       auf dem Hauptbahnhof. Ganz anders in Salzburg, wo Mittwochvormittag etwa
       2.000 Asylsuchende auf einen Zug nach München warteten. Da der Zugverkehr
       eingestellt bleibt, machten sich die meisten zu Fuß auf den Weg zur
       deutschen Grenze.
       
       16 Sep 2015
       
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