# taz.de -- Koalitions-Option in der Krise: Schwarz-Grün geht vom Netz
       
       > Mit dem Beschluss zur Verlängerung der AKW-Laufzeiten ist für viele grüne
       > Befürworter neuer Bündnisse eine Grenze überschritten worden. Die
       > Republik teilt sich wieder in Lager.
       
 (IMG) Bild: Nein Danke auch zum potentiellen Koalitionspartner Union.
       
       BERLIN taz | Der Schleswig-Holsteiner Robert Habeck gehört zu jener Gattung
       Grünen-Politiker, die sich aus prinzipieller Überzeugung neuen Koalitionen
       gegenüber offen zeigen. Der Schriftsteller ist optimistisch, dass sich die
       Wählerstimmen für die Grünen langfristig bei 15 bis 25 Prozent einpendeln
       könnten - eben weil sich die Partei nicht auf einen politischen Partner
       festlegt. "Ich stehe für diese Linie", sagte Habeck vor nicht allzu langer
       Zeit und kokettierte mit schwarz-grünen Bündnissen.
       
       Heute hört er sich anders an. "Eine Katastrophe" sei der Entschluss der
       schwarz-gelben Bundesregierung, die Laufzeiten für Atomkraftwerke um
       durchschnittlich 12 Jahre zu verlängern: "Das ist eine Kriegserklärung an
       das grüne Lager", sagte Habeck der taz.
       
       Deutschland im September 2010: Die schwarz-grüne Euphorie ist erst einmal
       beendet.
       
       Denn mit dem Atom-Beschluss von Sonntagnacht wurde bei vielen Grünen eine
       Tabugrenze überschritten. Viele Grüne, die für eine Öffnung zur CDU
       plädiert haben, beginnen, neu darüber nachzudenken. Und ein Hauch von
       politischen Lagern war am Sonntag in Berlin spürbar, als die Parteichefs
       von SPD und Grünen, Sigmar Gabriel und Claudia Roth, gemeinsam gegen den
       Atombeschluss der Bundesregierung demonstrierten.
       
       "Ja, die Atompolitik ist geeignet, die Republik wieder in Lager zu teilen",
       sagt der Schleswig-Holsteiner Robert Habeck. Und der hessische Landeschef
       Tarek Al-Wazir sagte der taz: "Wir werden Atomkraftwerke nicht länger
       laufen lassen - egal mit welchem Koalitionspartner."
       
       Die Kritik kommt von allen Seiten: "Die Bundesregierung hat sich in einem
       Maß zum Handlanger der Atomlobby gemacht, das sie auch mit Kommunikation
       der Marke Röttgen nicht mehr schönreden kann", sagte der Europaabgeordnete
       Reinhard Bütikofer der taz: "Auf Schwarz-Grün stehen die Zeichen nach wie
       vor nicht - da müsste man halbblind sein." Seine Einstellung zur CDU sei
       mit dem Beschluss anders geworden: "Emotional ändert sich etwas - die
       Erbitterung wächst."
       
       Der ehemalige Parteichef betonte, die Bedeutung des Themas Atomenergie sei
       für die Grünen in den vergangenen Jahrzehnten eher noch gestiegen: "Es geht
       mittlerweile in dem Kampf gegen die Atomenergie auch um die Frage, ob wir
       die erneuerbaren Energien als Alternative durchsetzen können."
       
       Bemerkenswert: Auch Vordenker neuer Bündnisse zwischen CDU und Grünen wie
       der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sind ins Grübeln gekommen: "Im
       Sinne verlässlicher Energiepolitik ist das ein Desaster", sagte Palmer der
       taz. Vor den im März anstehenden Landtagswahlen in seinem Bundesland
       Baden-Württemberg sieht er die CDU und seine eigene Partei nun weiter
       voneinander entfernt. "Für Schwarz-Grün ist der Beschluss ein Spaltelement.
       Wenn die Bundesregierung dem noch ein Ökomäntelchen umhängt, wird es noch
       schlimmer", sagte er mit Blick auf die Zusatzabgabe der Konzerne für
       erneuerbare Energien - 15 Milliarden Euro sollen sie in einen
       zweckgebundenen Fonds einzahlen.
       
       Gerade in den vergangenen Monaten, erzählt Palmer, habe sich seine
       Einstellung geändert: "Es entstehen neue Unvereinbarkeiten für eine
       Zusammenarbeit", sagte er, "ich bin davon ausgegangen, dass die Kanzlerin
       die Verlängerung der Laufzeiten abbläst." Dass der Beschluss zur
       Verlängerung dennoch durchgesetzt wurde, sei "mehr als bedauerlich".
       
       Auf der anderen Seite sieht man dies freilich ganz anders: "Dieses Konzept
       zeigt den Weg in das Zeitalter der regenerativen Energien", sagte
       Fraktionsvize Christian Ruck (CSU), "die rot-rot-grüne Verweigerungshaltung
       gegenüber der Kohle, den Techniken zur Abscheidung und Speicherung von CO2,
       der weiteren Erkundung der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle, dem Ausbau
       der Netze ist unverantwortlich und schädlich für unser Land." Eine
       Position, die in der Grünen-Spitze sicher kaum dazu führt, Koalitionen mit
       der Union in Zukunft positiver gegenüberzustehen.
       
       In der SPD dagegen kann sich die Spitze freuen. Von einer "Kapitulation vor
       der Atomlobby" sprach am Montag in Berlin Generalsekretärin Andrea Nahles.
       Doch nicht nur für das Thema kann die SPD dankbar sein, sondern auch dafür,
       dass der feste Koalitionspartner von einst, die Grünen, mit der
       Entscheidung zur Laufzeitverlängerung wieder näher an die eigene Partei
       heranrückt.
       
       "In dieser zentralen Frage werden die Gräben zwischen CDU und Grünen tiefer
       werden", sagte der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel der
       taz, "mittelfristig ist die Entscheidung der CDU auch ein schwerer Fehler
       mit Blick auf die eigenen Interessen."
       
       An die Grünen sprach er sogleich eine Einladung aus: "Es ist doch klar,
       dass es Parteien gibt, die für moderne Energiepolitik stehen", so
       Schäfer-Gümbel, "und solche, die es nicht tun."
       
       6 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) G. Repinski
       
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