# taz.de -- Streit um Laufzeitverlängerung: Strahlender Schrott
       
       > Bis zu einer Million Jahre werden die 17.200 Tonnen Atommüll weiter
       > stahlen. Längere AKW-Laufzeiten treiben deren Menge noch weiter in die
       > Höhe, ein Endlager fehlt.
       
 (IMG) Bild: Wohin mit dem Zeug? Der Atommüll bleibt ein Problem.
       
       BERLIN taz | Laufzeitverlängerungen, Sicherheitsstandards,
       Brennelementesteuer - den ganzen Sonntag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel
       mit den Spitzen der Regierung über einen einheitlichen Kurs in der
       Atompolitik verhandelt. Blieben die Atomkraftwerke 10 bis 15 Jahre länger
       als bisher geplant am Netz, sei das "fachlich vernünftig" , hatte sich
       Merkel zuletzt geäußert. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP)
       plädierte hingegen für 10 bis 20 Jahre.
       
       Und Bundesumweltminister Norbert Röttgen will "moderate
       Laufzeitverlängerungen". Nur: Wie auch immer die Zahl ausgefallen ist - bis
       zum Redaktionsschluss gab es keine Einigung - die Regierung übergeht eines
       ihrer größten Probleme: Wohin soll der von den 17 Atomreaktoren produzierte
       hochradioaktive Atommüll?
       
       Bislang sind in den kommerziellen AKWs rund 12.000 Tonnen hochradioaktive
       Abfälle angefallen. Dazu kommen noch einige tausend Tonnen aus dem Betrieb
       von Forschungsreaktoren, der Wiederaufbereitung und des längst
       stillgelegten Thorium-Hochtemperaturreaktors in Hamm-Uentrop.
       
       Bliebe es bei dem im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung mit den
       Atomkonzernen ausgehandelten Ausstiegskonzept, erhöht sich die Menge des
       stark strahlenden Mülls aus AKWs nach Angaben des Bundesamts für
       Strahlenschutz auf etwa 17.200 Tonnen. Der Berechnung liegen die damals
       vereinbarten, aber in sogenannte Reststrom-Kontingente umgerechneten
       AKW-Laufzeiten von 32 Jahren zugrunde.
       
       In den vergangenen Tagen haben Umweltverbände und Bürgerinitiativen Zahlen
       genannt, wie sehr der Atommüllberg wächst, wenn die Atomkraftwerke länger
       am Netz bleiben. So ermittelte Greenpeace, dass bei einer
       Laufzeitverlängerung um weitere zehn Jahre noch einmal 6.000 Tonnen
       hochradioaktive Abfälle anfallen (8.000 Tonnen bei 15 Jahren).
       
       Auf ein etwas geringeres Volumen kommt die Bürgerinitiative (BI)
       Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. "Bei einer Verlängerung der Laufzeiten um
       10 Jahren kämen 3.700 Tonnen hinzu, bei einer Verlängerung um 20 Jahre gar
       7.400 Tonnen", sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
       
       Der radioaktive Schrott strahlt bis zu einer Million Jahre und muss sicher
       verwahrt werden. Gegenwärtig und noch auf absehbare Zeit werden die
       abgebrannten Brennstäbe in oberirdischen Hallen an den AKW-Standorten oder
       in den drei zentralen Zwischenlagern Gorleben, Ahaus und Lubmin aufbewahrt.
       Das Lager Gorleben ist zudem Ziel von Castortransporten mit Abfällen aus
       der französischen Wiederaufarbeitungsfabrik La Hague.
       
       Auf der ganzen Welt gibt es bislang kein einziges genehmigtes Endlager für
       den hochradioaktiven Müll. In der Bundesrepublik hatte die rot-grüne
       Regierung ein mit Atomkraftbefürwortern und -gegnern besetztes
       Expertengremium eingesetzt; der Arbeitskreis Auswahlverfahren
       Endlagerstandorte (AK End) empfahl eine neue Endlagersuche - schrittweise
       und unter Beteiligung der Öffentlichkeit sollten mehrere Standorte
       miteinander verglichen werden.
       
       An eine politische Umsetzung der Vorgaben trauten sich die Umweltminister
       Jürgen Trittin (Grüne) und Sigmar Gabriel (SPD) nicht heran. Die
       schwarz-gelbe Regierung will kein vergleichendes Verfahren und setzt auf
       den geologisch wie politisch verbrannten Salzstock in Gorleben. Befunde
       über ein undichtes Deckgebirge und Wasserzuflüsse ignoriert die Koalition
       dabei ebenso wie Dokumente, die eine massive politische Einflussnahme auf
       Gorleben-Gutachter nahe legen. Ende September läuft das zehnjährige
       Moratorium für die Erkundung des Salzstocks aus. Sechs Wochen später wird
       ein weiterer Castortransport aus La Hague im Wendland erwartet. Die
       Atomkraftgegner in Lüchow-Dannenberg rüsten sich für Massenproteste.
       
       5 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raimar Paul
       
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