# taz.de -- Längere AKW-Laufzeiten: Die Gewinnausschüttung
       
       > Je mehr Ökostrom eingespeist wird, umso länger bleiben Atommeiler am
       > Netz. Das Ziel, bis zum Jahr 2050 auf erneuerbare Energien umzustellen,
       > ist nun gefährdet.
       
 (IMG) Bild: Gute Nacht, Ökostrom.
       
       Die nächsten 26 Jahre soll aus den Steckdosen noch Atomstrom kommen -
       mindestens so lang. In naher Zukunft geht kein Atomreaktor vom Netz. Die
       vier Atomkonzerne, RWE, Eon, EnBW und Vattenfall, können ihre Kraftwerke
       mit hohen Gewinnen weiterlaufen lassen.
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich am Montag zufrieden, sprach von
       einer "Revolution in der Energieversorgung". FDP-Wirtschaftsminister Rainer
       Brüderle redete vom "großen Wurf". Und CDU-Umweltminister Norbert Röttgen
       lobte; "Ich halte das für das energiepolitisch anspruchsvollste Programm,
       das es bisher gegeben hat, nicht nur in Deutschland."
       
       12 Stunden hatten die Spitzen der schwarz-gelben Regierung am Sonntag im
       Kanzleramt verhandelt, dann stand das knapp 40-seitige "Energiekonzept -
       neun Punkte für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare
       Energieversorgung". Darin geht es etwa um die "Schlüsselfrage
       Energieeffizienz", um den Ausbau der "energetischen Gebäudesanierung" - und
       um "Kernenergie und fossile Kraftwerke".
       
       Auf Seite 16 des Konzept steht kurz und knapp das, was die
       Energieversorgung am stärksten beeinflussen wird: Ältere Reaktoren, die vor
       1980 gebaut wurden - das sind sieben -, dürfen 8 Jahre länger am Netz
       bleiben. Jüngere Meiler - das sind zehn - erhalten ein Plus von 14 Jahren.
       Konkrete neue Sicherheitsauflagen gibt es keine.
       
       Nach dem derzeit geltenden Atomgesetz hätten im Jahr 2022 alle
       Atomreaktoren abgeschaltet sein sollen. Die schwarz-gelbe Regierung gibt
       ihnen nun "durchschnittlich 12 Jahre" mehr. Die Atombetreiber können die
       Meiler allerdings noch länger am Netz lassen, als die Zahl vermuten lässt.
       
       Denn: Die Regierung berechnet die Laufzeiten auf Basis sogenannter
       Jahresvolllaststunden, also der Produktionskapazität des Reaktors, wenn er
       12 Monate lang mit voller Kraft läuft. Das ist seit 2002 üblich, seit dem
       rot-grünen Atomausstiegsgesetz.
       
       Die meisten Meiler stehen aber mal still, werden gewartet, erreichen nur
       selten Auslastungen von 95 Prozent. Diese nehmen weiter ab, wenn mehr
       Ökostrom ins Netz eingespeist werden soll. Zudem sind ältere Reaktoren
       störanfälliger.
       
       Das alles hat die Bundesregierung nun wenig berücksichtigt. Sie legt für
       die nächsten fünf Jahre eine Auslastung von 95 Prozent zugrunde, dann eine
       von 90 und erst ab 2021 eine von 85 Prozent. Das heißt: Die Atomkonzerne
       bekommen mehr Strommengen gutgeschrieben, als sie in einem Jahr
       verbrauchen. Das verlängert die Lebenszeit der Reaktoren. Hinzu kommt, dass
       sich Strommengen übertragen lassen - etwa von Krümmel und Brunsbüttel auf
       Brokdorf: Brokdorf könnte so bis zum Jahr 2054 laufen, rechnet
       Greenpeace-Experte Tobias Münchmeyer vor.
       
       Im Gegenzug sollten die Atomkonzerne eine Brennelementesteuer von jährlich
       2,3 Milliarden Euro zahlen, erklärten Röttgen und Brüderle - allerdings nur
       bis 2016. Und die Konzerne sollen diesen Betrag, anders als bisher geplant,
       auch von der Steuer absetzen können. Zudem sollen die Konzerne einen
       Beitrag in einen Fonds zur Förderung der Ökoenergien zahlen - 1,4
       Milliarden bis 2016, später noch mal 15 Milliarden. Das kommt ihnen
       freilich selbst wieder zugute.
       
       Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe hält nicht viel von dem
       Fonds: "Gäbe es den Wiedereinstieg in die Atomkraft nicht, hätten die
       Atomkonzerne von allein etwa in den Ausbau der Windkraft auf hoher See
       investiert", um sich Marktanteile zu sichern. Tatsächlich fließen schon
       dieses Jahr 15 Milliarden Euro in Ökoenergien.
       
       Der Ausbau werde nun stoppen, meint Uwe Leprich. Der Professor für
       Volkswirtschaft an der Hochschule des Saarlandes sagt: "Das Regierungsziel,
       die Versorgung bis 2050 auf Erneuerbare umzustellen, ist gefährdet."
       Schwarz-Gelb sorge für einen "Investitionsattentismus". Aufgrund des
       Atombeschlusses gibt es kaum noch Anreize, Geld in Ökoenergien oder moderne
       Gaskraftwerke zu stecken.
       
       Das hat viel mit Technik zu tun und damit, dass Atomkraft die Leitungen für
       andere Energien verstopft. Das hängt aber auch damit zusammen, dass es über
       Monate keine Planungssicherheit geben wird: Die Opposition hat angekündigt,
       die Laufzeitverlängerung, die die Regierung am Bundesrat vorbei beschließen
       will, beim Bundesverfassungsgericht anzufechten und ohnehin zu kippen,
       sobald die Regierung wechselt.
       
       Das sehen Aktionäre noch nicht. Die Papiere von RWE und Eon waren an der
       Börse am Montag gefragt. Kein Wunder: Laut einer Analyse des Öko-Instituts
       im Auftrag der Umweltorganisation WWF können die Atomkonzerne bis 2037 gut
       57 Milliarden Euro zusätzliche Gewinne einstreichen, wenn die neuen
       Laufzeiten durchkommen und der Strompreis konstant bleibt. Davon müssten
       sie nach den Planungen der Regierung 46 Prozent abgeben. Unter der
       wahrscheinlicheren Annahme, dass der Strompreis moderat steigt, läge das
       Plus sogar bei 94 Milliarden Euro. Die Abschöpfungsrate läge dann nur noch
       bei 28 Prozent. Den vier großen Stromkonzernen blieben 68 Milliarden Euro.
       
       6 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Gersmann
       
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